Elektroautos sind eine tolle Erfindung. Gut für das Klima, weniger Lärm, beachtliche Beschleunigung. Okay, die lange Ladedauer nervt natürlich, wenn man weite Strecken fährt. Ebenso der Mangel an öffentlichen Ladesäulen. Und die hohen Anschaffungskosten. E-Autos sind nämlich in der Anschaffung teurer als Verbrenner. Also: tolle Erfindung, aber noch nicht alltagstauglich und bezahlbar? So denken offenbar viele.

Und zwar so viele, dass daraus ein großes Problem wird. Für die Klimaziele, den Verkehrsminister, ja für die ganze Bundesregierung. Die hatte nämlich große Pläne. 15 Millionen vollelektrische Pkw sollen bis 2030 über deutsche Straßen rollen. In sechs Jahren also. Bisher sind es aber gerade einmal 1,5 Millionen, ein Zehntel also. Und die Neuzulassungen sind 2024 dramatisch eingebrochen, allein im März wurden mehr als ein Viertel weniger E-Autos zugelassen als im Vorjahresmonat.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bedauert zwar den Einbruch der Neuzulassungen, will aber trotzdem an den 15 Millionen festhalten. Vor zwei Wochen gestand er im ZDF-Morgenmagazin: „Das Ziel ist ein sehr ehrgeiziges Ziel“. Die Frage stellt sich: ehrgeizig oder naiv?

Sowohl das Umweltbundesamt als auch Wissings eigener Expertenbeirat Klimaschutz in der Mobilität halten die Ziele offensichtlich für naiv. Schon im letzten Jahr, bevor die Neuzulassungen eingebrochen waren, prognostizierte das Umweltbundesamt für 2030 lediglich 8,2 Millionen E-Autos, und auch Wissings Expertenbeirat nur 10,5 Millionen. Das wäre eine dramatische Zielverfehlung von 30 bis 45 Prozent!

gestern

•vor 8 Std.

19.04.2024

Wie illusorisch das Ziel von 15 Millionen E-Autos ist, zeigt eine einfache Rechnung. Um 2030 bei 15 Millionen E-Autos zu sein, müssen in den nächsten sechs Jahren 13,5 Millionen neu zugelassen werden. Also 2,25 Millionen pro Jahr. In Deutschland werden aber nur jedes Jahr insgesamt „nur“ drei Millionen Autos zugelassen. 2023 waren es 2,8 Millionen. Das bedeutet: Bald müssten 80 bis 90 Prozent der Neuzulassungen E-Autos sein.

Die Realität: 2023 wurden nur knapp 400.000 neue E-Autos zugelassen, macht eine Quote von rund 15 Prozent. Im ersten Quartal 2024 waren es nur 81.000, macht hochgerechnet aufs Jahr 324.000 – also sogar weniger als 2023 und gerade einmal 11,5 Prozent. Kein Wunder, dass Kurt Sigl, Präsident des Bundesverbands Elektromobilität, schon letzten Sommer sagte: „Mit dem jetzigen Status quo lassen sich keine 15 Millionen E-Autos bis 2030 erreichen“.

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Der offensichtlichste Grund für den Einbruch: das Ende der Kaufprämie. Die Ampel hatte den sogenannten Umweltbonus, der je nach Kaufpreis mehrere tausend Euro an Förderung versprach, 2023 überraschend auslaufen lassen. Im August erst nur für gewerbliche, im Dezember dann auch für private Käufer. Nachdem das Bundesverfassungsgericht der Ampel 60 Milliarden Euro aus dem Klimafonds gestrichen hatte, entschied die Regierung die Förderung zu kürzen. Gegen einen Sturm an Kritik und Unverständnis aus der Autobranche wohlgemerkt.

Noch Ende 2022 schrieb die Bundesregierung übrigens auf ihrer Website: „Der Umweltbonus und die bisherige Innovationsprämie können schon jetzt als Erfolg gelten“. Sie hatte recht.

Neue Märkte entstehen nicht aus dem Nichts. Ohne staatliche Förderung geht es nicht. Zumindest nicht schnell genug, wie die Zahlen zeigen. Wissings eigener Expertenbeirat war großer Unterstützer der Kaufprämie. Mit Blick auf den Einbruch der Neuzulassungen kann die Schlussfolgerung nur sein: Die Prämie muss wiederbelebt werden.

Die Prämie ließe sich sogar mit weiteren Anreizen kombinieren. Zum Beispiel einer CO₂-Abgabe als Teil der Kfz-Steuer, die Verbrenner teurer macht. Frankreich und Norwegen haben das längst eingeführt. Selbst mit der Schuldenbremse ließe sich aus den Einnahmen der Umweltbonus finanzieren. Die Abgabe sollte allerdings so ausgestaltet sein, dass kleine und emissionsarme Verbrenner nicht so stark versteuert werden wie große SUV-Emissionsschleudern. Auch, um Menschen mit kleinen Geldbeuteln, die sich noch keine E-Autos leisten können, nicht zu hart zu treffen.

Daneben braucht es Milliardeninvestitionen in den Aufbau öffentlicher Ladepunkte, insbesondere der Schnellladepunkte. Ohne diese Infrastruktur werden E-Autos nicht alltagstauglich. Die Ampel will eine Million öffentlicher Ladepunkte bis 2030, bisher gibt es nur rund 115.000. In fast jeder zweiten der gut 10.700 Gemeinden in Deutschland steht nicht einmal eine öffentlich zugängliche Ladesäule, wie eine aktuelle Analyse des Verbands der Automobilindustrie (VDA) zeigt.

Ja, all das kostet Geld. Ohne geht es eben nicht. Heißt: Die Ampel muss ihre Prioritäten anders setzen, die Schuldenbremse infrage stellen – oder sich von ihrem 15-Millionen-Ziel verabschieden.

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QOSHE - Elektroautos in Deutschland: Darum sind 15 Millionen E-Autos bis 2030 illusorisch! - Maurice Höfgen
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Elektroautos in Deutschland: Darum sind 15 Millionen E-Autos bis 2030 illusorisch!

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21.04.2024

Elektroautos sind eine tolle Erfindung. Gut für das Klima, weniger Lärm, beachtliche Beschleunigung. Okay, die lange Ladedauer nervt natürlich, wenn man weite Strecken fährt. Ebenso der Mangel an öffentlichen Ladesäulen. Und die hohen Anschaffungskosten. E-Autos sind nämlich in der Anschaffung teurer als Verbrenner. Also: tolle Erfindung, aber noch nicht alltagstauglich und bezahlbar? So denken offenbar viele.

Und zwar so viele, dass daraus ein großes Problem wird. Für die Klimaziele, den Verkehrsminister, ja für die ganze Bundesregierung. Die hatte nämlich große Pläne. 15 Millionen vollelektrische Pkw sollen bis 2030 über deutsche Straßen rollen. In sechs Jahren also. Bisher sind es aber gerade einmal 1,5 Millionen, ein Zehntel also. Und die Neuzulassungen sind 2024 dramatisch eingebrochen, allein im März wurden mehr als ein Viertel weniger E-Autos zugelassen als im Vorjahresmonat.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bedauert zwar den Einbruch der Neuzulassungen, will aber trotzdem an den 15 Millionen festhalten. Vor zwei Wochen gestand er im ZDF-Morgenmagazin: „Das Ziel ist ein sehr ehrgeiziges Ziel“. Die Frage stellt sich: ehrgeizig oder naiv?

Sowohl das Umweltbundesamt als auch Wissings eigener........

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