24 Milliarden Euro hat der deutsche Staat bisher mit der CO₂-Abgabe eingenommen. Also: Uns allen abgenommen.

Seit 2021 gibt es diese Abgabe, die große Koalition hatte sie eingeführt. Dieses Jahr rechnet die Regierung mit weiteren elf Milliarden. Macht also in Summe 35 Milliarden, die die Bürger dafür zahlen, dass der Staat die Preise für Sprit an der Tankstelle oder Gas in der Heizung verteuert. Wenn der CO₂-Preis nächstes Jahr von 45 auf 55 Euro pro Tonne steigt, wird es noch mehr.

Alles für den Klimaschutz, hat Peter Altmaier (CDU) als Wirtschaftsminister erklärt, als er das 2021 eingeführt hat. Und so erklärt es auch Robert Habeck (Grüne). Hohe Preise für Sprit und Gas sollen den Verbrauch reduzieren, und gleichzeitig die nachhaltigen Alternativen attraktiver machen. Ökonomen nennen das Lenkungswirkung. Aber lenkt der CO₂-Preis denn wirklich?

Bisher nicht. Das Leben ist dadurch zwar teurer und die Verbraucher ärmer geworden, aber viel Klimaschutz ist dabei nicht herumgekommen. Trotz CO₂-Preis und gleichzeitig hohen Marktpreisen wurden letztes Jahr so viele neue Gasheizungen in Deutschland verkauft wie nie zuvor. Selbst Ölheizungen boomten. Auch der Autoverkehr ist in den letzten drei Jahren gestiegen. Die Zahl der Elektroautos wächst, aber nicht so, wie die Politik es will. Bisher sind 1,4 Millionen E-Autos in Deutschland zugelassen. Die Zielmarke: 15 Millionen bis 2030. Unrealistisch.

Der Grund für die ausbleibende Lenkungswirkung ist einfach: Solange es keine tauglichen Alternativen gibt, lenkt der CO₂-Preis gar nicht. Selbst wenn er doppelt so hoch wäre. Ein Beispiel: Wer nicht gerade im Berliner S-Bahn-Ring oder den Zentren von anderen Metropolen wohnt, ist auf sein Auto angewiesen. Nicht nur auf dem Land, sondern auch schon in Städten wie meiner Heimatstadt Mönchengladbach mit 260.000 Einwohnern. Ohne Auto lässt sich für die meisten der Alltag nicht bestreiten. Das Kind zur Kita, dann zur Arbeit, später zum Fußball, zwischendurch Einkaufen – illusorisch ohne Auto. Wenn nur alle 20 Minuten ein Bus in einem löcherigen Verkehrsplan fährt, reicht das für Schüler mit mehr Freizeit, aber nicht für erwachsene Berufstätige.

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29.03.2024

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gestern

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Wird der Sprit teurer, lassen Menschen nicht ihr Auto stehen oder tanken weniger, sondern sparen woanders. Wird das Gas teurer, müssen Mieter sich den höheren Preisen ergeben – und woanders sparen. Die Gasheizung durch eine Wärmepumpe zu ersetzen, ist schließlich Sache des Vermieters. Der reicht die höheren Kosten aber genauso durch wie die Tankstelle. Lenkungswirkung? Fehlanzeige. Die kann es nur geben, wenn die Alternativen gut sind. Günstige Elektroautos, erstklassig ausgebauter und günstiger Bus- und Bahnverkehr, bezahlbare Wärmepumpen.

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Und dann ist da noch das Klimageld. Die Idee: Jeder Bürger soll vom Staat pauschal ein paar hundert Euro überwiesen bekommen, um die höheren Kosten durch den CO₂-Preis wiedergutzumachen. Die Ampel hat sich das Vorhaben sogar in den Koalitionsvertrag geschrieben, will es aber in dieser Legislatur nicht mehr einführen.

Die Einnahmen wurden nämlich für Chipfabriken verwendet, und jetzt ist kein Geld mehr da. Das Klimageld bleibt also ein leeres Versprechen. Und leere Versprechen verspielen Akzeptanz für Klimaschutz. Doch langsam wird der Klimaschutz zum Verliererthema, wenn die Bürger das nur als Belastung im eigenen Geldbeutel wahrnehmen.

Die Bundesländer erhöhen inzwischen den Druck auf die Ampel, damit das doch noch in dieser Legislatur passiert. Ein Bündnis aus Umwelt- und Sozialverbänden hat nachgerechnet: 139 Euro könnten die Auserwählten bekommen. Abgesehen davon, dass die Politik sich an Versprechen halten sollte, steckt hinter dem Klimageld ein erniedrigendes Menschenbild. Erst sollen die Menschen mit Mondpreisen an der Tanke und erhobenem Zeigefinger aus der Regierung umerzogen werden, und als Wiedergutmachung gibt es dann Almosen?

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Niemand will Almosen. Und niemand einen erhobenen Zeigefinger. Beides ist verpönt, zu Recht. Die Menschen sind froh, wenn sie mit dem Staat so wenig wie möglich zu tun haben. Sozialleistungen sind stigmatisiert, staatliche Bürokratie nervt, jeder hasst seitenlange Antragsformulare. Die meisten sind froh, wenn ihr Einkommen so hoch ist, dass sie ihr Leben halbwegs hinbekommen – und nicht auf Gelder vom Staat angewiesen sind. Das Klimageld ist genau das Gegenteil, es macht alle zu Almosenempfängern, im schlimmsten Fall sogar zu Antragsstellern. Das ist erniedrigend.

Klimaschutz findet dann Akzeptanz, wenn es zu einem Gewinnerthema wird, wenn es den Alltag der Menschen verbessert, weil Bahn- und Busfahren komfortabel ist, weil Elektroautos bezahlbar sind und Spaß machen, weil energieeffiziente Gebäude die Heizkosten schmälern, weil selbst eingespeister Solarstrom vom Hausdach das Einkommen aufbessern, weil Klimainvestitionen neue Jobs schaffen und Karrieren ermöglichen. Zeigefinger, CO₂-Preis-Abzocke und ein Klima-Almosen aber sind das Gegenteil!

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Ökonom rechnet mit Klimageld und CO₂-Preis ab: „Niemand will Almosen!“

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31.03.2024

24 Milliarden Euro hat der deutsche Staat bisher mit der CO₂-Abgabe eingenommen. Also: Uns allen abgenommen.

Seit 2021 gibt es diese Abgabe, die große Koalition hatte sie eingeführt. Dieses Jahr rechnet die Regierung mit weiteren elf Milliarden. Macht also in Summe 35 Milliarden, die die Bürger dafür zahlen, dass der Staat die Preise für Sprit an der Tankstelle oder Gas in der Heizung verteuert. Wenn der CO₂-Preis nächstes Jahr von 45 auf 55 Euro pro Tonne steigt, wird es noch mehr.

Alles für den Klimaschutz, hat Peter Altmaier (CDU) als Wirtschaftsminister erklärt, als er das 2021 eingeführt hat. Und so erklärt es auch Robert Habeck (Grüne). Hohe Preise für Sprit und Gas sollen den Verbrauch reduzieren, und gleichzeitig die nachhaltigen Alternativen attraktiver machen. Ökonomen nennen das Lenkungswirkung. Aber lenkt der CO₂-Preis denn wirklich?

Bisher nicht. Das Leben ist dadurch zwar teurer und die Verbraucher ärmer geworden, aber viel Klimaschutz ist dabei nicht herumgekommen. Trotz CO₂-Preis und gleichzeitig hohen Marktpreisen wurden letztes Jahr so viele neue Gasheizungen in Deutschland verkauft wie nie zuvor. Selbst Ölheizungen boomten. Auch der Autoverkehr ist in den letzten drei Jahren gestiegen. Die Zahl der Elektroautos wächst, aber nicht so, wie die Politik es will. Bisher sind 1,4........

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