Seit vier Jahren ist die deutsche Wirtschaft in der Dauerkrise. Und auch im fünften Jahr nach Corona wird es nicht besser. Die führenden Wirtschaftsinstitute mussten ihre Prognose für 2024 korrigieren: von 1,3 Prozent Wachstum auf läppische 0,1 Prozent. Besser gesagt: von wenig Wachstum zu gar kein Wachstum. Statt aufwärts wie ein Faultier geht es nur seitwärts wie ein Krebs.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schiebt die Schuld dafür gerne auf andere. Vorzugsweise auf den Kreml-Chef Wladimir Putin, der den Preisschock hier verursacht habe. Oder auf China, weil das Land weniger von deutschen Exporteuren kaufe. Zwar ist beides sachlich richtig, aber es reicht nicht mehr als Ausrede. Auch andere Länder sind davon betroffen – und wachsen trotzdem. In allen Ländervergleichen – ob von der OECD, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der EU-Kommission – findet man Deutschland auf den letzten Plätzen unter den Industrienationen.

Wenn die Ampel schon keinen eigenen Plan hat, außer ein verzweifeltes Wachstumschancengesetz, das laut Institut der deutschen Wirtschaft gerade einmal 0,05 Prozent Wachstum bringen wird, warum dann nicht von anderen Ländern lernen? Hier vier Vorschläge.

Spanien ist der Wachstumsstar der Eurozone. Die Wirtschaft des Landes ist letztes Jahr um 2,5 Prozent gewachsen, maßgeblich getrieben davon, dass die Spanier Geld in die Läden tragen. Währenddessen in Deutschland: Lahmender Konsum, schrumpfende Wirtschaft. Zwei Maßnahmen, die sich die Ampelregierung abschauen sollte: Spanien hat die Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel komplett gestrichen und ein Null-Euro-Ticket für den ÖPNV eingeführt. Beides entlastet direkt den Geldbeutel der Bevölkerung und kurbelt den Konsum an.

In der Bundesrepublik forderten neben dem Deutschen Bauernverband mehrere Stellen, dass alle Lebensmittel von der Mehrwertsteuer befreit werden. Die Ampel lehnte neue Entlastungen allerdings ab. Anstelle vom Null-Euro-Ticket wurde zwar das 49-Euro-Ticket eingeführt, doch es ist unklar, ob es nach 2024 verlängert wird.

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03.04.2024

Die USA sind pragmatischer als Deutschland. Firmen, die grün investieren, bekommen unbürokratisch und großzügig Steuergutschriften aus dem Inflation Reduction Act. Während hierzulande die Investitionen stagnieren, boomt es in den USA. 2023 sind grüne Investitionen dort um 40 Prozent gestiegen, wie die Marktforscher der Rhodium Group zusammen mit der Universität MIT ermittelten.

Auch die dortige Wirtschaft wuchs 2023 um 2,5 Prozent und hat den Corona-Crash im Gegensatz zu Deutschland längst aufgeholt. Ein weiterer Grund: Die Regierung traut sich viel mehr Schulden zu, um die Wirtschaft anzukurbeln. In den letzten zwei Jahren betrug die Neuverschuldung dort jeweils sechs Prozent der Wirtschaftsleistung, in Deutschland gerade mal drei Prozent. Gerade streitet die Ampel über Kürzungen in Höhe von 25 Milliarden Euro. Kürzen ist in der Krise aber Gift. Die USA haben das verstanden.

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31.03.2024

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23.03.2024

Der nervige GDL-Streik ist vorbei, aber die Bahn trotzdem unzuverlässig. Der Grund: Nicht GDL-Boss Claus Weselsky war das größte Problem für die Bahn, sondern ein riesiger Investitionsstau. Im Vergleich mit anderen Ländern ist Deutschland ein Investitionszwerg, wenn es um die Schiene geht. Pro Kopf investieren die Schweiz, Luxemburg, Österreich und Norwegen beispielsweise drei- bis fünfmal mehr Geld in die Schiene als Deutschland.

Konkret: In der Schweiz waren es 2022 etwa 575 Euro pro Kopf, in Deutschland nur 114 Euro. Eine marode Bahn ist nicht nur für Pendler ein Problem, sondern auch im Güterverkehr – und so nicht nur ein Nervenfressen, sondern eine echte Wachstumsbremse. Zum Vergleich: Der Streit zwischen Weselsky und DB-Vorstand Seiler verursachte laut Ökonomen etwa täglich 100 Millionen Euro Schaden für die deutsche Wirtschaft, weil nichts fuhr. Der Schaden wird aber auch weiterhin angerichtet, wenn die Züge sich ständig verspäten.

Nicht nur die Wirtschaft lahmt, sondern auch die Produktivität. In einer alternden Gesellschaft ist genau das aber der Schlüssel zum Wohlstand. Der wichtigste Faktor: Bildung. Die deutsche Wirtschaft lebt von klugen Köpfen, nicht von bestimmten Rohstoffen. Trotzdem ist das deutsche Bildungssystem verkommen. Kitas fehlen, Schuldgebäude sind marode, Klassen überfüllt, Lehrerzimmer unterbesetzt – und Studienergebnisse wie Pisa immer schockierender.

Auch hier ist der internationale Vergleich bei Bildungsinvestitionen bitter. Deutschland liegt mit 4,6 Prozent der Wirtschaftsleistung unter dem OECD-Schnitt (5,1 Prozent) und weit hinter den nordischen Spitzenreitern wie Norwegen (6,8 Prozent), Island (6,3 Prozent) und Schweden, Dänemark und Finnland mit jeweils knapp unter sechs Prozent.

Immerhin: Das Startchancenprogramm der Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist vor kurzem gestartet. Eine Milliarde Euro wird in Brennpunktschulen investiert. Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Besser wäre ein 100-Milliarden-Sondervermögen wie für die Bundeswehr.

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Wirtschaftswachstum: Was sich Deutschland von anderen Ländern abgucken sollte

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06.04.2024

Seit vier Jahren ist die deutsche Wirtschaft in der Dauerkrise. Und auch im fünften Jahr nach Corona wird es nicht besser. Die führenden Wirtschaftsinstitute mussten ihre Prognose für 2024 korrigieren: von 1,3 Prozent Wachstum auf läppische 0,1 Prozent. Besser gesagt: von wenig Wachstum zu gar kein Wachstum. Statt aufwärts wie ein Faultier geht es nur seitwärts wie ein Krebs.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) schiebt die Schuld dafür gerne auf andere. Vorzugsweise auf den Kreml-Chef Wladimir Putin, der den Preisschock hier verursacht habe. Oder auf China, weil das Land weniger von deutschen Exporteuren kaufe. Zwar ist beides sachlich richtig, aber es reicht nicht mehr als Ausrede. Auch andere Länder sind davon betroffen – und wachsen trotzdem. In allen Ländervergleichen – ob von der OECD, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) oder der EU-Kommission – findet man Deutschland auf den letzten Plätzen unter den Industrienationen.

Wenn die Ampel schon keinen eigenen Plan hat, außer ein verzweifeltes Wachstumschancengesetz, das laut Institut der deutschen Wirtschaft gerade einmal 0,05 Prozent Wachstum bringen wird, warum dann nicht von anderen Ländern lernen? Hier vier Vorschläge.

Spanien ist der Wachstumsstar der Eurozone. Die Wirtschaft des Landes ist letztes Jahr um 2,5 Prozent gewachsen,........

© Berliner Zeitung


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