Ein Spitzengespräch der deutschen Wirtschaftsverbände mit Bundeskanzler Olaf Scholz ist am Freitag in München enttäuschend verlaufen. Die Wirtschaftsvertreter beklagten laut Aussagen aus Teilnehmerkreisen nach dem Treffen, dass Scholz nicht auf einen detaillierten Zehn-Punkte-Katalog eingegangen war, den die Verbände vorgelegt hatten. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte nach dem Gespräch, man habe vom Kanzler wenig Neues erfahren. „Das kannten wir alles schon.“ Es brauche angesichts der schlechten Zahlen für die deutsche Wirtschaft einen „echten Kraftakt“, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen.

Russwurm sagte: „Die Unternehmen wünschen sich von der Bundesregierung eine klare Wachstumsagenda, und zwar eine, die über eine Legislaturperiode hinaus trägt.“ Er verwies darauf, dass die deutsche Wirtschaft den Anschluss zu verlieren drohe: „Wir sind in allen volkswirtschaftlichen Statistiken jetzt auf den letzten Plätzen.“ Handwerkspräsident Jörg Dittrich sagte: „Die Stimmung in den Betrieben ist schlecht.“

Scholz hatte den Teilnehmern des Gesprächs laut dpa keine Hoffnungen auf weitergehende Steuer- und Abgabensenkungen gemacht. Scholz beschränkte sich auf allgemeine Aussagen, wie jene, dass „Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit zentral für die Bundesregierung und deren Handeln“ seien. Er pries das geplante Wachstumschancengesetz an, welches „sehr relevante, wachstumsfördernde Maßnahmen“ enthalte. Weitergehende finanzielle Zusagen an die deutsche Wirtschaft, die seit langem umfassendere Entlastungen und Reformen fordert, gab er ausdrücklich nicht. Er erklärte den Wirtschaftsführern vielmehr: „Subventionswünsche erreichen einen täglich, von morgens bis abends.“

Scholz verwies auf ein geplantes Bürokratieentlastungsgesetz, aber auch auf ein „Beschleunigungspaket“ für Planungen und Genehmigungen. Auch den Arbeitskräftemangel als wichtigstes Wachstumshemmnis gehe man an. Finanziellen Spielraum für umfassendere zusätzliche Steuersenkungen sieht er nicht. Entsprechende Wünsche gebe es viele, man habe in der letzten Zeit auch viele umgesetzt, sagte Scholz. Neue Schulden wolle er nicht machen, dies werde schließlich auch von den Wirtschaftsverbänden abgelehnt. Deshalb müsse alles zusammenpassen, sagte Scholz mit Blick auf zusätzliche Militärausgaben und die milliardenschwere Unterstützung der Ukraine. Hier plant die Bundesregierung keine Einschnitte.

Für die deutsche Wirtschaft geht es aber vor allem um „hausgemachte Probleme“, wie die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung schreiben: „Nicht nur der russische Angriffskrieg auf die Ukraine oder geopolitische Verwerfungen belasten Wertschöpfungs- und Lieferketten." Notwendige Strukturreformen seien in den zurückliegenden Jahren unterblieben. „Hier gilt es anzusetzen. Denn die Transformation der deutschen Wirtschaft, die wesentlich von Digitalisierung und Dekarbonisierung getrieben ist, kann nur von starken und wettbewerbsfähigen Unternehmen gestemmt werden.“

02.03.2024

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Scholz verlegte sich dagegen auf die Betrachtung der Probleme unter Marketinggesichtspunkten. Er warnte davor, „den Standort Deutschland schlechtzureden“, so die dpa: «Natürlich hilft es nicht, wenn ganz viele Lobbyisten und Politikunternehmer die Stimmung im Land verschlechtern, weil dann behalten die Leute ihr Geld auf dem Sparbuch und investieren nicht. Also müssen wir dafür sorgen, dass wir unsere Herausforderungen nicht übersehen, dass wir die Lage nicht schönreden, aber dass wir die Grundlage dafür schaffen, dass Zuversicht herrscht, was unternehmerische Investitionen möglich macht.“

In ihrem Papier fordern der BDI, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und der Zentralverband des Deutschen Handwerks unter anderem: international konkurrenzfähige Strompreise, eine grundlegende Steuerreform mit niedrigeren Unternehmensteuern, schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, weniger Bürokratie, Investitionen in die Infrastruktur, eine ausreichende Fachkräftesicherung sowie Strukturreformen in allen Bereichen der Sozialversicherung, um Unternehmen zusätzlich finanziell zu entlasten.

Zudem warnen die Spitzenverbände davor, langfristig ein Mindestrentenniveau von 48 Prozent festzuschreiben, weil dies die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung weiter verschärfen werde. Innerhalb einer großen Steuerreform fordern die vier Spitzenverbände die Einführung einer dauerhaften Investitionsprämie, verbesserte Abschreibungsbedingungen, die Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung und eine Senkung von Strom- und Energiesteuern auf das europäische Mindestmaß für alle Unternehmen und Betriebe. Ziel müsse eine Senkung der Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland auf maximal 25 Prozent sein, heißt es in dem gemeinsamen Papier. Hierzu müsse unter anderem der Solidaritätszuschlag aus Sicht der Unternehmen vollständig abgeschafft werden. (mit dpa)

QOSHE - Wirtschaft von Olaf Scholz enttäuscht: „Stimmung in den Betrieben ist schlecht“ - Michael Maier
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Wirtschaft von Olaf Scholz enttäuscht: „Stimmung in den Betrieben ist schlecht“

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04.03.2024

Ein Spitzengespräch der deutschen Wirtschaftsverbände mit Bundeskanzler Olaf Scholz ist am Freitag in München enttäuschend verlaufen. Die Wirtschaftsvertreter beklagten laut Aussagen aus Teilnehmerkreisen nach dem Treffen, dass Scholz nicht auf einen detaillierten Zehn-Punkte-Katalog eingegangen war, den die Verbände vorgelegt hatten. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte nach dem Gespräch, man habe vom Kanzler wenig Neues erfahren. „Das kannten wir alles schon.“ Es brauche angesichts der schlechten Zahlen für die deutsche Wirtschaft einen „echten Kraftakt“, um die Konjunktur wieder in Schwung zu bringen.

Russwurm sagte: „Die Unternehmen wünschen sich von der Bundesregierung eine klare Wachstumsagenda, und zwar eine, die über eine Legislaturperiode hinaus trägt.“ Er verwies darauf, dass die deutsche Wirtschaft den Anschluss zu verlieren drohe: „Wir sind in allen volkswirtschaftlichen Statistiken jetzt auf den letzten Plätzen.“ Handwerkspräsident Jörg Dittrich sagte: „Die Stimmung in den Betrieben ist schlecht.“

Scholz hatte den Teilnehmern des Gesprächs laut dpa keine Hoffnungen auf weitergehende Steuer- und Abgabensenkungen gemacht. Scholz beschränkte sich auf allgemeine........

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