Der Streit zwischen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und dem Zentralrat der Juden eskaliert: In seiner Sitzung am Dienstag hat das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland einstimmig beschlossen, auf Empfehlung des Gerichts beim Zentralrat der Jüdischen Gemeinde „zunächst für ein Jahr die Stimmberechtigung in den Organen des Zentralrats zu entziehen“.

Das Gericht hatten diesen Schritt empfohlen, weil die Jüdische Gemeinde trotz einer Eilentscheidung des Gerichts Wahlen zu Repräsentantenversammlung abgehalten hatte. Mitglieder der Berliner Gemeinde hatten gegen die neue Wahlordnung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin geklagt und jeweils in Eilverfahren recht bekommen. Die Wahlordnung hatte unter anderem Altersbeschränkung eingeführt, von denen einige Kandidaten betroffen waren. Die Gemeinde hat die Entscheidungen ignoriert und die Wahl auf der Grundlage der vom Gericht als nichtig geurteilten Wahlordnung durchgeführt.

Die Jüdische Gemeinde vertritt die Auffassung, dass das Gericht nicht zuständig sei, weil es in der Gemeinde ein eigenes Schiedsgericht gäbe. Die Fronten zwischen Zentralrat und Gemeinde sind verhärtet, es gibt faktisch keine Kommunikation mehr. Ein Sprecher des Zentralrats sagte der Berliner Zeitung, der Zentralrat hoffe trotz der schwierigen Umstände auf eine „sachliche Entwicklung“. Das Stimmrecht kann für ein weiteres Jahr entzogen werden, danach ist auch ein Entzug der Mitgliedschaft im Zentralrat möglich. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Gideon Joffe, sagte der Berliner Zeitung, es sei „verantwortungslos, dass der ZR den Konflikt nach außen trägt in einer Zeit, in der die Juden in Deutschland Geschlossenheit und Solidarität zeigen sollten“. Joffe sieht die Gefahr einer Spaltung der Juden in Deutschland: „Noch ist es nicht so weit, aber es besteht die Gefahr, dass neben dem Zentralrat neue Strukturen entstehen könnten.“

In einer weiteren wichtigen Frage will der Zentralrat ebenfalls ohne die Jüdische Gemeinde vorgehen: Die Rabbiner-Ausbildung soll künftig in einer Stiftung stattfinden, an der die Gemeinde keinen Anteil haben wird. Nach den Skandalen um das Abraham-Geiger-Kolleg in Potsdam war die Ausbildung vorübergehend in die Obhut der Gemeinde gewandert. Nun hat der Zentralrat die Gründung einer Stiftung beim brandenburgischen Innenministerium beantragt und sich dafür die Unterstützung der bisherigen staatlichen Zuwendungsgeber gesichert.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland, das Bundesministerium des Innern und für Heimat, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und die Kultusministerkonferenz bekennen sich dazu, „dass es weiterhin und dauerhaft eine liberale wie konservative Rabbinats- und Kantoratsausbildung in Deutschland geben soll“. Diese werde nach wie vor eng mit der Universität Potsdam kooperieren. Die Allgemeine Rabbinerkonferenz bestätigt dem Zentralrat, dass die Jüdische Gemeinde zu Berlin nur die wirtschaftliche Trägerin des Abraham-Geiger-Kollegs ist und als solche einer Rabbinatsausbildungsstätte kein Ordinationsrecht verleihen kann. Das Abraham-Geiger-Kolleg in seiner jetzigen Struktur mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin verfüge – im Gegensatz zur neuen Stiftung – über kein tragbares Ordinationsrecht. Joffe will diese Entwicklung nicht akzeptieren. Er sagte: „Das sind die Allmachtsfantasien alter weißer Männer. Aber zum Glück leben wir in einem Rechtsstaat. Wir werden uns juristisch mit Händen und Füßen gegen diese feindliche Übernahme wehren.“

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•vor 6 Std.

25.02.2024

Bis die neue Stiftung ihre Arbeit aufnimmt, werden der Zentralrat der Juden, das Bundesministerium des Innern und für Heimat, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg und die Kultusministerkonferenz das Abraham-Geiger-Kolleg weiterhin fördern.

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Zentralrat der Juden und Jüdische Gemeinde zu Berlin: Streit eskaliert

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27.02.2024

Der Streit zwischen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und dem Zentralrat der Juden eskaliert: In seiner Sitzung am Dienstag hat das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland einstimmig beschlossen, auf Empfehlung des Gerichts beim Zentralrat der Jüdischen Gemeinde „zunächst für ein Jahr die Stimmberechtigung in den Organen des Zentralrats zu entziehen“.

Das Gericht hatten diesen Schritt empfohlen, weil die Jüdische Gemeinde trotz einer Eilentscheidung des Gerichts Wahlen zu Repräsentantenversammlung abgehalten hatte. Mitglieder der Berliner Gemeinde hatten gegen die neue Wahlordnung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin geklagt und jeweils in Eilverfahren recht bekommen. Die Wahlordnung hatte unter anderem Altersbeschränkung eingeführt, von denen einige Kandidaten betroffen waren. Die Gemeinde hat die Entscheidungen ignoriert und die Wahl auf der Grundlage der vom Gericht als nichtig geurteilten Wahlordnung durchgeführt.

Die Jüdische........

© Berliner Zeitung


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