Je länger es die Weltklimakonferenz gibt, desto schlechter geht es dem Klima. Das muss keine Kausalität sein, aber komisch ist es doch. Zum 28. Mal treffen sich derzeit Regierungsvertreter, Nichtregierungsorganisationen und Klimaschützer, um Klimaschutz voranzutreiben, während gleichzeitig der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid aus fossilen Energieträgern schon wieder den Rekord des vergangenen Jahres bricht – und damit der höchste aller Zeiten ist. Auch in Deutschland laufen die Gas- und Kohlekraftwerke auf Volllast, ein Ende ist nicht absehbar. Man wird das Gefühl nicht los: Je mehr über Klimaschutz konferiert wird, desto weniger wird das Klima tatsächlich geschützt.

Tatsächlich scheinen die alljährlichen Massenevents mit Zigtausenden angemeldeten Teilnehmern – diesmal sind es 90.000 (NEUNZIGTAUSEND!) – und Flügen aus der ganzen Welt nicht mehr vornehmlich stattzufinden, um das Ziel, die Reduktion von Treibhausgasen, voranzutreiben. Sie sind zu einer Mischung aus Prestigeveranstaltung, Bühne und Klassentreffen geworden.

Nehmen wir die befremdlichen Aussagen des Präsidenten des diesjährigen Weltklimagipfels Sultan Ahmed al Jaber aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der hatte in einer Videodiskussion Ende November ein Ende der Nutzung von Öl und Erdgas abgelehnt. Es gebe „keine wissenschaftlichen Erkenntnisse“, die darauf hindeuteten, dass ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen notwendig sei, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Und er fügte hinzu, ein Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen würde keine nachhaltige Entwicklung ermöglichen, „es sei denn, man will die Welt in Höhlen“, also in die Steinzeit zurückführen.

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vor 3 Std.

Klimakonferenz: Olaf Scholz mahnt globalen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas an

02.12.2023

gestern

04.12.2023

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Wenn es einen einzigen Punkt gibt, über den sich wirklich alle, die Klimaschutz verlangen – von den Vereinten Nationen über die Bundesregierung und die Unterzeichner des Paris-Abkommens bis hin zur Letzten Generation –, einig sind, dann ist es dieser: Wir müssen aus Öl und Gas aussteigen. Wenn der Chef der diesjährigen Klimakonferenz, der nebenbei auch Vorstandschef der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC ist, diese Auffassung aber gar nicht teilt, wieso richtet er dann überhaupt die COP aus?

Ganz einfach, weil die COP zu einem Prestige-Event geworden ist, das die Augen der Weltöffentlichkeit auf den Austragungsort richtet, den Status des Gastgebers aufwertet und selbstverständlich Gelegenheit bietet, alles Mögliche zu diskutieren, das gar nichts mit Klimaschutz zu tun hat. Wieso wollen Länder, die keinerlei Wintersporttradition haben, die Olympischen Winterspiele ausrichten? Weil es ihnen nicht um den Sport, sondern um Prestige geht. Man kommt in allen Medien der Welt vor und scheint sehr wichtig zu sein.

Apropos über alles Mögliche reden: Das Hauptthema in Dubai ist nach übereinstimmenden Aussagen vieler Teilnehmer dieser Tage gar nicht der Klimaschutz, es ist Gaza. Zu Beginn rief der Präsident der letzten Konferenz, Ägyptens Außenminister Sameh Shoukry, zu einer Schweigeminute für getötete Palästinenser auf – die Israelis vergaß er. Jeden Tag erscheint eine Zeitung von Klimaschutzaktivisten auf der COP28, die auf der Titelseite einen Waffenstillstand fordert. Wer dachte, Greta wäre allein mit ihrem Schwenk vom Klimaschutz zum Antizionismus, hat sich getäuscht. So läuft es bei ganz vielen Klimaschützern. Die Klimaapokalypse kann warten, Gaza hat Priorität.

Trotz Klimakonferenz in Dubai: Deutschlands Kohle- und Gaskraftwerke fahren auf Volllast

04.12.2023

Und wer behauptet, es würden ja auch große Summen für den Klimaschutz in Dubai versprochen, sollte sich die Verhältnisse vor Augen führen. Präsident al Jaber teilte mit, Regierungen, Unternehmen, Investoren und Philanthropen hätten schon 57 Milliarden Dollar für Aktivitäten „entlang der Klimaagenda“ als Verpflichtungen und Versprechungen angekündigt, 30 Milliarden davon kämen aus den Emiraten. Doch die Abu Dhabi National Oil Corporation, deren Chef al Jaber ja auch ist, wird bis 2027 allein in die Produktionskapazitäten zur Öl- und Gasgewinnung 150 Milliarden Dollar investieren – obwohl auch die Emirate bis 2050 eigentlich klimaneutral sein wollen.

Bald werden die wahren Kosten für den Umbau der Weltwirtschaft Bürger in demokratischen Industriestaaten erreichen. Von dort kam bisher der größte Druck zur Klimaneutralität. Es wäre besser, wenn die COP nur noch über Zoom stattfindet.

QOSHE - Die Klimakonferenz ist zu einem Event verkommen, das mehr CO₂ produziert, als es verhindert - Moritz Eichhorn
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Die Klimakonferenz ist zu einem Event verkommen, das mehr CO₂ produziert, als es verhindert

10 0
06.12.2023

Je länger es die Weltklimakonferenz gibt, desto schlechter geht es dem Klima. Das muss keine Kausalität sein, aber komisch ist es doch. Zum 28. Mal treffen sich derzeit Regierungsvertreter, Nichtregierungsorganisationen und Klimaschützer, um Klimaschutz voranzutreiben, während gleichzeitig der weltweite Ausstoß von Kohlendioxid aus fossilen Energieträgern schon wieder den Rekord des vergangenen Jahres bricht – und damit der höchste aller Zeiten ist. Auch in Deutschland laufen die Gas- und Kohlekraftwerke auf Volllast, ein Ende ist nicht absehbar. Man wird das Gefühl nicht los: Je mehr über Klimaschutz konferiert wird, desto weniger wird das Klima tatsächlich geschützt.

Tatsächlich scheinen die alljährlichen Massenevents mit Zigtausenden angemeldeten Teilnehmern – diesmal sind es 90.000 (NEUNZIGTAUSEND!) – und Flügen aus der ganzen Welt nicht mehr vornehmlich stattzufinden, um das Ziel, die Reduktion von Treibhausgasen, voranzutreiben. Sie sind zu einer Mischung aus Prestigeveranstaltung, Bühne und Klassentreffen geworden.

Nehmen wir die befremdlichen Aussagen des Präsidenten des diesjährigen Weltklimagipfels Sultan Ahmed al........

© Berliner Zeitung


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