Manja Schreiner hätte einfach weitermachen können. Als ihr die Universität Rostock nun den Doktortitel nach längerer Prüfung entzog, hätte die Verkehrssenatorin das sagen können, was in solchen Fällen die meisten Politiker sagen: Ich habe nie vorsätzlich getäuscht, ich fechte die Entscheidung an, solange ruht der Titel sowieso und dann sehen wir weiter.

Was hätte der Koalitionspartner entgegen sollen? Die SPD hatte mit Franziska Giffey einen ähnlich gelagerten Fall, wobei die Freie Universität damals unglücklich eine Rüge aussprach, die in dem Falle nicht vorgesehen ist. Giffey trat dann zwar als Bundesfamilienministerin zurück, aber als Berliner Spitzenkandidatin an. Sie zog es durch, Manja Schreiner hingegen zieht Konsequenzen.

Sie wolle mit ihrer Entscheidung „Schaden vom Senat abwenden“, sagt sie in ihrem Statement vor den Kameras. Das klingt zwar wie eine Phrase, ist aber vollkommen richtig. Hätte Schreiner am Amt festgehalten, hätte die unablässige, berechtigte Kritik der Opposition nicht nur die Arbeit im wichtigen Verkehrsressort, sondern auch die des gesamten Senats beeinträchtigt. Andauernd wäre Kai Wegner gefragt worden, wie er an einer Senatorin festhalten könne, die des akademischen Betrugs schuldig ist. Die frühere Kritik der CDU an Giffey hätte plötzlich wohlfeil geklungen. Daher war Schreiners Entscheidung die einzig richtige.

Manja Schreiner: Verkehrssenatorin verliert Doktortitel und tritt zurück

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Und doch treffen viele Minister solche Entscheidungen nicht, sei es auf Landes- oder Bundesebene. Sicher, es ist nicht immer eine plagiierte Doktorarbeit, meistens ist es grobes Versagen im Amt, das zum Rücktritt führen sollte – und es doch selten tut. Es ist ja nicht leicht, Minister oder Senator zu sein. Wer es wird, muss herausfinden, ob er oder sie dem Amt gewachsen ist. Nicht jeder ist das. Doch wer sich beispielsweise in einem zentralen Ressort wie dem Innenministerium solch grobe Fehler leistet wie Nancy Faeser, schadet dem eigenen Haus, der Ampel und dem Land.

Wer den Chef des BSI unter fadenscheinigen Gründen entfernt oder bei der Bekämpfung von Extremismus derart versagt, dass Islamisten auf deutschen Straßen offen das Kalifat fordern können, müsste eigentlich den Hut nehmen. Aber selbst wenn Faeser das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten in Hessen mit einem AfD-Rekord kombiniert, hält sie sich für weiterhin geeignet, Bundesministerin zu bleiben.

Solche Sperenzchen wurden früher zumindest manchmal von der Oberchefin unterbunden. Als Norbert Röttgen nach der verpatzten NRW-Wahl einfach so als Umweltminister nach Berlin zurückkehren wollte, entließ Angela Merkel ihn kurzerhand. Einer muss eben Verantwortung übernehmen.

Früher traten Politiker von ihren Ämtern zurück, weil sie dienstliche Meilen für private Flüge nutzten. Heute kann man Millionen Euro Steuergeld für eine Maut verschwenden und bleibt trotzdem Minister. Ob Fehler in der Doktorarbeit schlimmer sind, könnte man sich fragen.

Was ist bürgerlich? Bürgerlich ist es nicht, keine Fehler zu begehen. Wer kann das schon von sich behaupten? Bürgerlich ist es, die Verantwortung für etwas zu übernehmen. Gerade dann, wenn man sich ihr entziehen könnte und sich selbst für unschuldig hält. Manja Schreiner ist in diesem Sinne eine Bürgerin. Davon brauchen wir mehr.

QOSHE - Mehr Rücktritt wagen: Faeser und Co. könnten sich eine Scheibe von Manja Schreiner abschneiden - Moritz Eichhorn
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Mehr Rücktritt wagen: Faeser und Co. könnten sich eine Scheibe von Manja Schreiner abschneiden

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30.04.2024

Manja Schreiner hätte einfach weitermachen können. Als ihr die Universität Rostock nun den Doktortitel nach längerer Prüfung entzog, hätte die Verkehrssenatorin das sagen können, was in solchen Fällen die meisten Politiker sagen: Ich habe nie vorsätzlich getäuscht, ich fechte die Entscheidung an, solange ruht der Titel sowieso und dann sehen wir weiter.

Was hätte der Koalitionspartner entgegen sollen? Die SPD hatte mit Franziska Giffey einen ähnlich gelagerten Fall, wobei die Freie Universität damals unglücklich eine Rüge aussprach, die in dem Falle nicht vorgesehen ist. Giffey trat dann zwar als Bundesfamilienministerin zurück, aber als Berliner Spitzenkandidatin an. Sie zog es durch, Manja Schreiner hingegen zieht Konsequenzen.

Sie wolle mit ihrer Entscheidung „Schaden vom Senat abwenden“, sagt sie in ihrem Statement vor den........

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