Es ist ein wiederkehrendes Schema: Immer wieder tauchen falsche Konten deutscher Politiker und Nachrichtenseiten auf der Plattform X auf, seit der amerikanische Tech-Milliardär Elon Musk den Kurznachrichtendienst vor rund zwei Jahren übernommen hatte. Über solche Fake-Konten werden Falschbotschaften verbreitet, mutmaßlich von interessierter Stelle lanciert.

Jetzt berichtete der Spiegel: Analysten des Auswärtigen Amts sollen diese Konten einer breit angelegten russischen Desinformationskampagne zugeordnet haben.

Das Auswärtige Amt ist Teil der AG Hybrid, einer Arbeitsgruppe innerhalb der Bundesregierung, die der Erkennung und Abwehr hybrider Bedrohungen dient – wie etwa ausländischer Desinformation. Die Arbeitsgruppe operiert unter Leitung des Bundesinnenministeriums. Dieses teilte jedoch auf Anfrage der Berliner Zeitung mit, die Bundesregierung nehme „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine „Attribuierung der Desinformationskampagne vor“.

Heißt: Den Bericht des Spiegels, wonach russische Firmen hinter besagter Desinformationskampagne stünden, will die Bundesregierung weder bestätigen noch dementieren. Eine Zuordnung zu einem bestimmten Täter nimmt die Bundesregierung zumindest auf offizieller Ebene nicht vor.

29.01.2024

29.01.2024

29.01.2024

gestern

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Laut Spiegel soll es sich bei den Hintermännern der Kampagne um die russischen Softwarefirmen Structura National Technologies und Social Design Agency handeln, die von der Europäischen Union sanktioniert werden. Als Quelle nennt der Spiegel eine „vertrauliche Analyse“, die der Redaktion „in Auszügen“ vorliege. Experten hätten im Auftrag des Referats 607 für Strategische Kommunikation im Auswärtigen Amt einen Monat lang mit einer speziellen Software X ausgewertet.

Sprecherinnen des Bundesinnenministeriums und des Auswärtigen Amts wurden bereits in der Bundespressekonferenz von Journalisten zum Spiegel-Bericht befragt. Sonja Kock, Sprecherin des Bundesinnenministeriums, antwortete auf die Frage, ob ihrem Ministerium beziehungsweise der AG Hybrid Erkenntnisse zur Desinformationswelle auf X vorlägen: „Das müsste ich prüfen und dann gegebenenfalls – so wir dazu was sagen können – nachreichen.“

Nach Prigoschins Tod: Neue Söldner-Armee für Putin im Donbass?

04.01.2024

Russlands Gaspipeline nach China: Ist der Bau von Kraft Sibiriens 2 gefährdet?

•vor 3 Std.

Auswärtiges-Amt-Sprecherin Kathrin Deschauer sagte während der Pressekonferenz lediglich, Medienberichterstattung kommentiere man nicht. Stattdessen erklärte sie, was die Bundesregierung in diesem Kontext unter Desinformation versteht: Desinformation werde „teils gezielt eingesetzt, um Gesellschaften zu destabilisieren“ – und zwar von Akteuren, „die unsere Werte nicht teilen“. Das sei weltweit zu beobachten. „Nicht authentische Plattformprofile“ seien nur ein Beispiel für derartige Formen von Desinformation. Aus Sicherheitsgründen könne man hier nicht ins Detail gehen.

Eine Anfrage der Berliner Zeitung, ob das Auswärtige Amt Ermittlungen wegen Geheimnisverrats in den eigenen Reihen eingeleitet habe, wollte das Ministerium nicht kommentieren. Das wäre aber in solchen Fällen für sich genommen kein unübliches Vorgehen: Nachdem erste behördliche Erkenntnisse zum Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines öffentlich wurden, soll Medienberichten zufolge vom Bundeskanzleramt eine interne Ermittlung im Bundesnachrichtendienst in Auftrag gegeben worden sein.

Das Thema der russischen Desinformationskampagnen ist auch sicherheitspolitisch brenzlig. Ein Beispiel ist die sogenannte Petersburger Trollfabrik, durch die jahrelang Desinformationen auf der ganzen Welt lanciert wurden – unter anderem zum Präsidentschaftswahlkampf 2016 in den USA. Recherchen von Journalisten hatten ergeben, dass der inzwischen tote Söldnerführer und Milliardär Jewgeni Prigoschin die Firma geleitet hatte. Im Frühjahr 2023, rund ein halbes Jahr vor seinem Tod, hatte er seine Führungsrolle bei diesem Unternehmen zugegeben.

Prigoschins Wagner-Gruppe war bis zu ihrem Marsch auf Moskau nicht nur ein Firmenimperium, sondern auch ein starker Machtfaktor innerhalb Russlands. Zu welchem größeren Netzwerk die sanktionierten Firmen Structura National Technologies und Social Design Agency gehören, war im Bericht des Spiegels nicht zu lesen.

QOSHE - Russische Desinformation? Bundesregierung will Bericht nicht kommentieren - Nathan Giwerzew
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Russische Desinformation? Bundesregierung will Bericht nicht kommentieren

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31.01.2024

Es ist ein wiederkehrendes Schema: Immer wieder tauchen falsche Konten deutscher Politiker und Nachrichtenseiten auf der Plattform X auf, seit der amerikanische Tech-Milliardär Elon Musk den Kurznachrichtendienst vor rund zwei Jahren übernommen hatte. Über solche Fake-Konten werden Falschbotschaften verbreitet, mutmaßlich von interessierter Stelle lanciert.

Jetzt berichtete der Spiegel: Analysten des Auswärtigen Amts sollen diese Konten einer breit angelegten russischen Desinformationskampagne zugeordnet haben.

Das Auswärtige Amt ist Teil der AG Hybrid, einer Arbeitsgruppe innerhalb der Bundesregierung, die der Erkennung und Abwehr hybrider Bedrohungen dient – wie etwa ausländischer Desinformation. Die Arbeitsgruppe operiert unter Leitung des Bundesinnenministeriums. Dieses teilte jedoch auf Anfrage der Berliner Zeitung mit, die Bundesregierung nehme „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine „Attribuierung der Desinformationskampagne vor“.

Heißt: Den Bericht des Spiegels, wonach russische Firmen hinter besagter Desinformationskampagne stünden,........

© Berliner Zeitung


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