„Mit Nazis redet man nicht“, fasst Thüringens SPD-Chef Georg Maier die Position seiner Partei zum TV-Duell zwischen Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD) zusammen. So weit, so bekannt. Doch jetzt ruft die Landes-SPD die Bürger nicht nur dazu auf, mit AfD-Politikern nicht zu kommunizieren. Bürger sollen nun auch nicht zusehen, wenn diese mit anderen sprechen. Man solle die Diskussion der Spitzenkandidaten im Welt-Nachrichtensender am Donnerstagabend ignorieren und stattdessen etwas anderes anschauen; die Sendung „Germany’s Next Topmodel“ mit Heidi Klum zum Beispiel, die donnerstags um 20.15 Uhr bei ProSieben läuft. Oder den Film „Wolf of Wall Street“ mit Leonardo DiCaprio.

Seit die AfD als eurokritische Partei gegründet wurde, beschlossen etliche Politiker der etablierten Parteien, einfach nicht mit ihr zu reden. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt hält diese Strategie für gescheitert. Im Interview mit dem Cicero-Magazin begründet er das damit, „dass diese Vogel-Strauß-Politik der letzten zehn Jahre im Umgang mit der AfD erkennbar nicht zum Erfolg geführt hat“. Er illustriert das mit den Umfragewerten der AfD: Derzeit steht sie in Thüringen bei rund 30 Prozent. Er suche die „sachliche, harte Auseinandersetzung“ mit der Partei, sagt er.

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Warum die Thüringer SPD Voigts Ansatz durch die Bank ablehnt? Ein Sprecher der Landesgeschäftsstelle der SPD wiederholt gegenüber der Berliner Zeitung die Parteiposition, „mit Nazis“ rede man nicht und man biete ihnen „keine Bühne“. Er führt aus, Mario Voigt wolle „als Gegenspieler zu Herrn Höcke wahrgenommen werden“. Dabei erscheine der SPD der „Preis für dieses wahltaktische Manöver, einem offen rechtsextremen Politiker Reichweite und Sendezeit zu geben“, als „zu hoch“.

Tatsächlich gilt Höcke als der prominenteste Wortführer des völkischen Flügels innerhalb der AfD. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft ihn und den Thüringer AfD-Landesverband als „gesichert extremistisch“ ein.

Von einem Boykottaufruf gegen die Fernsehsendung will die SPD Thüringen allerdings nicht sprechen: Man habe lediglich „alternative TV-Tipps gegeben“. Geschmäcker seien nun einmal verschieden, „und jeder ist frei in der Entscheidung, das TV-Programm nach seinem Gusto zu wählen“. Zur Frage, ob sich auch Spitzenpolitiker der Thüringer SPD das Duell nicht anschauen werden und sich mit Kommentaren zum Duell zurückhalten werden, äußerte er sich nicht.

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06.04.2024

07.04.2024

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Thüringer CDU will Fernsehduell mit Björn Höcke – SPD und Linke protestieren

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AfD in Brandenburg: Das Ende der Ära Andreas Kalbitz

heute

Die Thüringer CDU gibt sich zur SPD-Kampagne gegen Voigt und das Duell derweil gelassen. Ein Sprecher sagt der Berliner Zeitung, die CDU kenne die Beweggründe der SPD nicht. Es ginge hier um einen wichtigen „Dienst an der Demokratie“, sagt er, „und deshalb wäre es gut, wenn die SPD und andere uns nicht in den Rücken fallen.“

Das Argument, die SPD falle der CDU in den Rücken, will jene wiederum nicht gelten lassen. Stattdessen kontert sie mit einem Vorwurf: Statt inhaltlicher Abgrenzung hätten AfD und CDU „gemeinsame Mehrheiten“ im Landtag gesucht. Welche Vorgänge er damit genau meint, ließ der SPD-Sprecher offen.

Thüringens Innenminister und SPD-Spitzenkandidat Georg Maier hatte Voigt schon zuvor mit scharfen Worten angegriffen. Er habe Voigt von dem Duell abgeraten, so Maier, aber dessen „Drang nach Popularität“ habe „jeglichen Anstand über Bord gehen“ lassen.

Auch das lässt sich als Wahlkampfmanöver interpretieren. Derzeit stellt die SPD in einer Koalition mit Grünen und Linkspartei eine Minderheitsregierung in Thüringen. Die CDU steht in den Umfragen bei 20 Prozent, die SPD bei 7,5 Prozent. Beide Parteien stehen mitten im Wahlkampf, wollen mit dem Fernsehduell – oder der Kritik daran – punkten.

Ausgangspunkt des TV-Duells war eine Kontroverse zwischen Voigt und Höcke auf dem Kurznachrichtendienst X. Dort hatte AfD-Politiker Höcke Mitte Januar dem CDU-Landesvorsitzenden mit einer Unterlassungsklage gedroht, sollte dieser seine Aussage aus einem Interview mit der Welt nicht zurückziehen, Höcke wolle „Europa sterben lassen“. Dabei bezog sich Voigt auf eine Äußerung Höckes, wonach die EU sterben müsse, „damit das wahre Europa leben kann“. Darüber hinaus nannte er „Herrn Höcke und seine angebliche Alternative“ ein „Risiko für unseren Wohlstand“.

Auf Höckes Klage-Androhung antwortete Voigt, er wäre jederzeit bereit, die „wohlstandsgefährdende Anti-Europapolitik“ der AfD auseinanderzunehmen. Höcke antwortete mit einem Gegenvorschlag: „Wie wäre es mit einer Diskussion – Format bestimmen Sie – zum Europabegriff?“ Die Spitzenkandidaten einigten sich daraufhin auf ein Streitgespräch beim Welt-Nachrichtensender.

Lieber Kollege @mariovoigt,
da wir beide Politiker und keine Juristen sind, lassen Sie uns das Problem anders lösen.
Wie wäre es mit einer Diskussion – Format bestimmen Sie – zum Europabegriff? Oder kneifen Sie und Ihre Fraktion wie schon zur MP-Wahl im März 2020, als Sie… https://t.co/IFpf5aNYJD

Zuletzt sorgte Höcke für Furore, als er die Nutzer des Kurznachrichtendienstes X zu einer Gerichtsanhörung am 18. April in Halle (Saale) eingeladen hatte. Die dortige Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen ihn erhoben, weil sie ihm vorwirft, während eines Wahlkampfauftritts erneut die laut Strafgesetzbuch verbotene SA-Losung „Alles für Deutschland!“ verwendet zu haben. Die sogenannte Sturmabteilung war die paramilitärische Kampforganisation der NSDAP.

Höcke inszenierte sich dabei als Opfer einer vermeintlich übergriffigen Justiz. Er schrieb auf Englisch, in Deutschland werde die Redefreiheit unterdrückt. Dann wollte X-Chef Elon Musk von Höcke wissen, warum die Verwendung dieser Parole illegal sei. Höcke antwortete pauschal, sie sei deshalb verboten, weil „jeder Patriot in Deutschland als Nazi diffamiert“ werde. Keine andere Demokratie außer Deutschland habe derartige Gesetze in seinem Strafgesetzbuch. Ihr Zweck sei, die Deutschen daran zu hindern, „sich selbst wiederzufinden“, behauptete er. Auf die historische Herkunft des Slogans ging Höcke nicht ein.

QOSHE - TV-Duell Höcke gegen Voigt: SPD ruft zu Boykott auf – will aber nicht sagen, ob sie selbst schaut - Nathan Giwerzew
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TV-Duell Höcke gegen Voigt: SPD ruft zu Boykott auf – will aber nicht sagen, ob sie selbst schaut

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09.04.2024

„Mit Nazis redet man nicht“, fasst Thüringens SPD-Chef Georg Maier die Position seiner Partei zum TV-Duell zwischen Mario Voigt (CDU) und Björn Höcke (AfD) zusammen. So weit, so bekannt. Doch jetzt ruft die Landes-SPD die Bürger nicht nur dazu auf, mit AfD-Politikern nicht zu kommunizieren. Bürger sollen nun auch nicht zusehen, wenn diese mit anderen sprechen. Man solle die Diskussion der Spitzenkandidaten im Welt-Nachrichtensender am Donnerstagabend ignorieren und stattdessen etwas anderes anschauen; die Sendung „Germany’s Next Topmodel“ mit Heidi Klum zum Beispiel, die donnerstags um 20.15 Uhr bei ProSieben läuft. Oder den Film „Wolf of Wall Street“ mit Leonardo DiCaprio.

Seit die AfD als eurokritische Partei gegründet wurde, beschlossen etliche Politiker der etablierten Parteien, einfach nicht mit ihr zu reden. Thüringens CDU-Chef Mario Voigt hält diese Strategie für gescheitert. Im Interview mit dem Cicero-Magazin begründet er das damit, „dass diese Vogel-Strauß-Politik der letzten zehn Jahre im Umgang mit der AfD erkennbar nicht zum Erfolg geführt hat“. Er illustriert das mit den Umfragewerten der AfD: Derzeit steht sie in Thüringen bei rund 30 Prozent. Er suche die „sachliche, harte Auseinandersetzung“ mit der Partei, sagt er.

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Warum die Thüringer SPD Voigts Ansatz durch die Bank ablehnt? Ein Sprecher der Landesgeschäftsstelle der SPD wiederholt gegenüber der Berliner Zeitung die Parteiposition, „mit Nazis“ rede man nicht und man........

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