Flaniert man durch die Belgrader Innenstadt, sind die „Fuck Nato“-Graffiti an den Hausfassaden nicht zu übersehen. Doch die Touristen und Geschäftsleute aus den USA und Großbritannien finden anscheinend Gefallen an den Malereien – einige von ihnen machen Selfies und lachen. In den Außenbezirken der serbischen Hauptstadt sind die Graffiti noch derber. Stolze, patriotische Amerikaner sollten die sogenannten Block-Viertel in der Belgrader Neustadt meiden. Die Folgen des Jugoslawienkrieges sind auch über 20 Jahre später noch sicht- und spürbar.

Doch wie die Financial Times nun schreibt, wendet sich Serbien dem Westen zu. Die britische Tageszeitung vermeldet einen großen Waffendeal zwischen Belgrad und dem politischen Paris; zwölf Rafale-Kampfjets sollen für über drei Milliarden Euro nach Serbien gehen. Es sei der „größte Waffenvertrag in Serbiens moderner Geschichte“, so die FT. Es sei ein Zeichen, dass sich das Balkanland von Russland, seinem historischen Verbündeten, abwendet.

Das Problem: Wer jetzt in Berlin, Brüssel und Co. denkt, wir hätten einen neuen Balkan-Verbündeten auf Leben und Tod, der irrt. Denn die serbische Waffenindustrie ist und bleibt weiterhin eng mit Russland verknüpft. Es sind nämlich hauptsächlich MiG-29-Kampfjets sowjetischer Bauart und Überbleibsel aus Jugoslawien-Zeiten, die der serbischen Luftwaffe in Zeiten des immer wieder aufflammenden Konflikts um den Kosovo zur Verfügung stehen. Belgrad will sich schlichtweg breiter aufstellen, denn die MiG-Kampfflugzeuge werden zeitnah ihre Halbwertszeit überschritten haben.

Außerdem will das Balkanland – übrigens auch in vielen anderen Bereichen, vom Tourismus bis zur Digitalisierung – einfach nur „Business“ mit allen machen. Mit den Chinesen, den Amerikanern, den Russen und eben auch den Westeuropäern. Ideologie spiele im geostrategischen Bewusstsein Serbiens nämlich nur eine untergeordnete Rolle.

•gestern

15.04.2024

•gestern

Zwischen Ost und West: Die Serben sind nicht prorussisch – sie sind pragmatisch

07.04.2024

Proteste in Serbien nach Wahlen: Maidan-Versuch in Belgrad?

25.12.2023

Oder spielt eine größere geopolitische Strategie doch eine Rolle beim französisch-serbischen Deal? Ein Beamter aus dem serbischen Verteidigungsministerium sagte gegenüber der FT, „Paris hatte jahrelang kein besonderes Interesse an diesem Teil Europas“. Aber das habe sich geändert, heißt es in dem Bericht. Denn in der Tat konzentrierte sich die Pariser Außenpolitik in der Vergangenheit eher für andere Weltregionen als den Westbalkan. Ist der Waffendeal mit Serbien für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vielleicht einfach nur ein Teil einer größeren Russland-Strategie?

Der französische Präsident avanciert nämlich spätestens seit Jahresbeginn zu einem der lautstärksten Putin-Gegner auf dem europäischen Kontinent. Man könnte fast meinen, der 46-Jährige, der lange einen ausbalancierten Ton zum Kreml prägte, schaut sich zunehmend die Rhetorik der Balten ab: Erinnert sei der Vorstoß Macrons zu möglichen Nato-Bodentruppen in der Ukraine, kreative Ansätze, um Munition aus allerlei Ländern nach Kiew zu schicken oder eine verstärktes geostrategisches Interesse Frankreichs an Staaten wie Moldau, Armenien oder Usbekistan.

Macrons Truppen-Vorschlag: Dritter Weltkrieg oder alles nur ein Bluff?

05.04.2024

Proteste in Serbien nach Wahlen: Maidan-Versuch in Belgrad?

25.12.2023

Die Vorstellung, Serbien lasse sich nun mit zwölf Kampfflugzeugen kaufen, ist naiv. Schlussendlich wird es der politischen und ökonomischen Elite in Belgrad um ihre eigenen Interessen gehen. Und die definiert sich zunehmend durch das Prinzip der „Blockfreiheit“: Ein längerfristiges Engagement mit der EU, aber auch das Bedürfnis mit Russland und China einen engen politischen Kontakt zu pflegen.

QOSHE - Waffendeal zwischen Serbien und Frankreich: Es ist kein Schritt weg von Russland - Nicolas Butylin
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Waffendeal zwischen Serbien und Frankreich: Es ist kein Schritt weg von Russland

10 1
17.04.2024

Flaniert man durch die Belgrader Innenstadt, sind die „Fuck Nato“-Graffiti an den Hausfassaden nicht zu übersehen. Doch die Touristen und Geschäftsleute aus den USA und Großbritannien finden anscheinend Gefallen an den Malereien – einige von ihnen machen Selfies und lachen. In den Außenbezirken der serbischen Hauptstadt sind die Graffiti noch derber. Stolze, patriotische Amerikaner sollten die sogenannten Block-Viertel in der Belgrader Neustadt meiden. Die Folgen des Jugoslawienkrieges sind auch über 20 Jahre später noch sicht- und spürbar.

Doch wie die Financial Times nun schreibt, wendet sich Serbien dem Westen zu. Die britische Tageszeitung vermeldet einen großen Waffendeal zwischen Belgrad und dem politischen Paris; zwölf Rafale-Kampfjets sollen für über drei Milliarden Euro nach Serbien gehen. Es sei der „größte Waffenvertrag in Serbiens moderner Geschichte“, so die FT. Es sei ein Zeichen, dass sich das Balkanland von Russland,........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play