Dass Rauchen ungesund ist, töten kann und einen schneller altern lässt, weiß inzwischen auch dank der Hinweise auf den Zigarettenverpackungen jeder. Dennoch rauchen viele. Die Sucht ist einfach zu stark. Sie kann den Alltag einschränken, ist teuer und zudem riecht man durch den kalten Rauch auch noch unangenehm.

Man weiß es. Sogar Kinder wissen das. Und trotzdem gilt das Rauchen bei vielen Heranwachsenden wieder als cool: „Seit 2021 hat sich der Anteil der rauchenden 14- bis 17-Jährigen fast verdoppelt“, schreibt die Charité und hat deshalb das Rauchfrei-Programm „nachvorn“ entworfen.

Spezielle Schulworkshops sollen aufklären und Kinder dazu befähigen, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen, also Nein zu sagen. „Und genau das ist schwer“, weiß die Charité-Expertin Prof. Dr. Gertraud Stadler, die das Thema nicht mit erhobenem Zeigefinger angehen möchte, sondern mit Verständnis und: Humor.

Gertraud Stadler ist an der Charité zuständig für geschlechtersensible Präventionsforschung. Sie hat am Kinder-Rauchschutz-Programm mitgearbeitet. Es richtet sich an zehn- und elfjährige Fünftklässler.

Und es geht explizit nicht darum, sich teerschwarze Raucherlungen anzugucken, sondern durch Experimente und Rollenspiele die Vorteile herauszuarbeiten, die ein rauchfreies Leben hat. Seit November letzten Jahres finden die Workshops an Berliner Schulen statt.

27.02.2024

28.02.2024

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Die Zahlen würden zeigen, dass Prävention dringend nötig sei, sagt die Wissenschaftlerin. In einer Pressemitteilung schreibt die Charité: „Rund 16 Prozent der 14- bis 17-jährigen Jugendlichen rauchen laut den Ergebnissen der DEBRA-Studie von 2022. Im Jahr davor waren es noch 8,7 Prozent.“

Und weiter: „Noch stärker angestiegen ist der Konsum von E-Zigaretten beziehungsweise Vapes und anderen alternativen Rauchprodukten, wie der DAK-Präventionsradar zeigt: Im Jahr 2023 griffen demzufolge erstmals mehr Schülerinnen und Schüler regelmäßig zur E-Zigarette als zu herkömmlichen Zigaretten.“

In Berlin würde mehr geraucht als in anderen Großstädten, sagt Charité-Expertin Gertraud Stadler. „Vor allem in Bars und Clubs ist das noch vielfach akzeptiert. Man ist in der Stadt vielerorts von Zigarettenrauch umgeben, das gehört hier dazu, ist aber in anderen Regionen Deutschlands eher untypisch.“ So wachsen Berliner Kinder also damit auf, dass das Rauchen offenbar für viele zum Großsein dazu gehört.

Die große Frage sei letzten Endes, so die Fachfrau: Was motiviert Kinder dazu, überhaupt mit dem Rauchen zu beginnen? In der Regel ist es eine Mischung aus Vorbildfunktion der Erwachsenen, das vermeintliche Coolsein von älteren, rauchenden Mitschülerinnen und Mitschülern und dem Wunsch, dazu gehören zu wollen.

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In der Pubertät kann verstärkend hinzukommen, dass das Kind sich vielleicht von den mahnenden Eltern absetzen möchte; dass es also einen Weg des Aufbegehrens sucht.

„Und wenn Sie in dem Moment Ihrem Kind erklären, dass Rauchen ungesund ist, wird es vermutlich genau das Gegenteil von dem machen, was Sie wollen, weil es sich ja von Ihnen ablösen will“, warnt Gertraud Stadler.

Deshalb muss man mit der Prävention deutlich früher beginnen; das ist durch Studien belegt, ebenso wie das Vorgehen der Charité. Deren Rauchfrei-Konzept lautet: Nicht vor den negativen Folgen warnen, sondern die guten Seiten des Nichtrauchens betonen, die Vorteile aufzeigen.

„Das verstehen auch schon kleine Kinder“, weiß die Präventionsforscherin. „Wer nicht raucht, hat mehr Kraft, kann schneller rennen, kommt nicht so schnell außer Puste.“ Das darf man ruhig ab und zu anmerken. Vor allem, wenn Sie früher geraucht haben, können Sie diese Zeit mit Ihrem aktuellen Gesundheitszustand vergleichen.

Man kann aber auch übers Finanzielle argumentieren, und zwar ganz nebenbei, ohne dass das Kind den mahnenden Hintergedanken versteht. Wenn es also das nächste Mal beim Einkaufen etwas Süßes oder eine Zeitschrift will, könnten Sie ihm das kaufen und sagen: „Ich hab das Geld übrig, weil ich ja nicht rauche.“

Es ist eine Tatsache, dass Rauchen teuer ist. Wer mag, kann sich das mal ausrechnen und das Gesparte dann bewusst anderweitig investieren: in einen Urlaub, einen schönen Restaurantbesuch oder für einen Kinobesuch.

Da Kinder nahezu überall mit dem Rauchen konfrontiert sind, werden sie irgendwann vielleicht anfangen, mit Salzstangen oder Lutscherstäbchen das Rauchen nachzuahmen. Oder sie sehen rauchende Menschen und stellen Fragen.

Als nichtrauchender Elternteil ist man geneigt, sofort die Moralkeule rauszuholen und zu sagen: Wie schlimm! Mach das bloß nicht! Du könntest sterben! Allerdings sind das aus Kindersicht eher abstrakte Argumente. Verbote bringen selten etwas, zumal wenn sie nicht erklärt werden. Und der Tod ist etwas, was die meisten Kinder schlicht nicht begreifen. Ihre Warnung würde also weitgehend ins Leere laufen.

Besser: „Zeigen Sie Verständnis“, empfiehlt Gertraud Stadler. „Wenn Sie unterwegs jemanden rauchen sehen, könnten Sie sagen: Schau mal, die Sucht ist so stark, dass er gerade nicht anders kann. Der würde bestimmt jetzt auch lieber ein Eis essen wie wir.“

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Es ist sinnvoller, so die Forscherin, „Mitgefühl für all jene auszudrücken, die durch ihre Abhängigkeit eine Einschränkung erfahren.“ Das können Kinder viel eher nachvollziehen als bloße Warnungen.

Wenn Ihr Kind Fragen zum Rauchen hat, hören Sie zunächst zu und versuchen dann zu verstehen, worum es geht. Nehmen Sie sich Zeit, die Antwort gemeinsam zu erarbeiten, beispielsweise durch ein Buch oder auch das Internet.

„Sie könnten auch überlegen, ob es sich lohnt, mit jemandem zu sprechen, der raucht“, rät Gertraud Stadler. Vielleicht haben Sie jemanden im Freundes- oder Familienkreis, der Ihrem Kind erklären kann, wie es sich anfühlt, auf die Zigarette angewiesen zu sein.

Kinder wollen – genau wie wir Erwachsene – gerne dazugehören, Teil einer Gruppe sein, nicht ausgeschlossen werden. In dem Moment aber, wo ein Teil der Gleichaltrigen raucht und man selbst nicht, steht man entweder nur daneben oder ist gar nicht dabei.

Wenn Kinder in solch einer Situation selbstbewusst sind und autonome Entscheidungen treffen können, beginnen sie sehr wahrscheinlich nicht mit dem Rauchen“, sagt Gertraud Stadler. „Sie haben gelernt, dass Nein sagen in Ordnung ist.“

Das kann man üben, indem man sein Kind dazu ermuntert, eigene Entscheidungen zu treffen, sich vielleicht auch mal selbst mit Argumenten überzeugen lässt, ein Nein des Kindes akzeptiert – natürlich alles im gewissen Rahmen.

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Dazu gehört es ebenso, dass Sie nicht jeden Streit, den Ihr Kind mit einem anderen hat, schlichten. Es sollte lernen, für sich selbst eine Lösung zu finden. Dazu braucht es Zeit und Raum ohne Sie.

„Auch ein Kindergartenkind kann und sollte lernen, wie es mit Stress umgeht, ohne dass Mama und Papa das regulieren“, so die Professorin. „Es geht darum zu verstehen, wie man miteinander kommuniziert und verhandelt. Das ist der Grundbaustein fürs Selbstbewusstsein in der Pubertät und somit auch zu einem rauchfreien Leben.“

Und deshalb empfiehlt Gertraud Stadler auch, „die Ressourcen des Kindes frühzeitig zu stärken“. Das heißt: Was mache ich, wenn ich traurig bin? Wie gehe ich mit Zurückweisung um? „Wenn nämlich alle rauchen und das Kind nicht dazugehört, erfährt es eine Kränkung, die es aushalten muss. Das muss gelernt sein“, so die Expertin. „Rauchfrei zu bleiben, erfordert Mut. Das üben wir im Klassenzimmer.“

Das oberste Prinzip, wenn man selbst raucht, sollte sein, die Kinder vor dem Qualm zu schützen. Also immer draußen und wenn möglich, mit großem Abstand zum Kind zu rauchen. „Das ist wirklich wichtig für die Gesundheit des Kindes“, sagt Charité-Wissenschaftlerin Gertraud Stadler.

Und indem man vor die Tür gehe, sei das für die Kinder das Signal, dass das Rauchen nicht ganz so selbstverständlich zum Alltag dazugehört wie Essen und Zähneputzen. „Darüber hinaus sollte man erwähnen, dass man das Kind vor dem schädlichen Rauch schützen möchte“, empfiehlt die Expertin.

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Generell sei es gut, das Thema offen zu besprechen und vor allem zu betonen, wie häufig man schon vergeblich versucht hat, aufzuhören, man sich das Aufhören aber wünschen würde. Keine gute Idee sei es, heimlich zu rauchen, findet Gertraud Stadler: „Raucher haben einen eingeschränkten Geruchssinn und nehmen es nicht wahr, wenn sie nach Zigarettenrauch riechen. Andere hingegen schon.“

Insofern: Ihre Kinder merken, dass Sie nach Zigaretten riechen. Je älter sie werden, desto eher können sie das einordnen und ahnen die Lüge. Das kann Ihr Vertrauensverhältnis stören. Indem Sie ehrlich sind und zu Ihrer Sucht stehen, eröffnen Sie Ihrem Kind die Möglichkeit, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Auch das kann schützen.

QOSHE - Berliner Charité-Expertin: So schützen Sie Ihr Kind davor, mit dem Rauchen anzufangen - Nicole Schulze
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Berliner Charité-Expertin: So schützen Sie Ihr Kind davor, mit dem Rauchen anzufangen

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01.03.2024

Dass Rauchen ungesund ist, töten kann und einen schneller altern lässt, weiß inzwischen auch dank der Hinweise auf den Zigarettenverpackungen jeder. Dennoch rauchen viele. Die Sucht ist einfach zu stark. Sie kann den Alltag einschränken, ist teuer und zudem riecht man durch den kalten Rauch auch noch unangenehm.

Man weiß es. Sogar Kinder wissen das. Und trotzdem gilt das Rauchen bei vielen Heranwachsenden wieder als cool: „Seit 2021 hat sich der Anteil der rauchenden 14- bis 17-Jährigen fast verdoppelt“, schreibt die Charité und hat deshalb das Rauchfrei-Programm „nachvorn“ entworfen.

Spezielle Schulworkshops sollen aufklären und Kinder dazu befähigen, gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen, also Nein zu sagen. „Und genau das ist schwer“, weiß die Charité-Expertin Prof. Dr. Gertraud Stadler, die das Thema nicht mit erhobenem Zeigefinger angehen möchte, sondern mit Verständnis und: Humor.

Gertraud Stadler ist an der Charité zuständig für geschlechtersensible Präventionsforschung. Sie hat am Kinder-Rauchschutz-Programm mitgearbeitet. Es richtet sich an zehn- und elfjährige Fünftklässler.

Und es geht explizit nicht darum, sich teerschwarze Raucherlungen anzugucken, sondern durch Experimente und Rollenspiele die Vorteile herauszuarbeiten, die ein rauchfreies Leben hat. Seit November letzten Jahres finden die Workshops an Berliner Schulen statt.

27.02.2024

28.02.2024

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Die Zahlen würden zeigen, dass Prävention dringend nötig sei, sagt die Wissenschaftlerin. In einer Pressemitteilung schreibt die Charité: „Rund 16 Prozent der 14- bis 17-jährigen Jugendlichen rauchen laut den Ergebnissen der DEBRA-Studie von 2022. Im Jahr davor waren es noch 8,7 Prozent.“

Und weiter: „Noch stärker angestiegen ist der Konsum von E-Zigaretten beziehungsweise Vapes und anderen alternativen Rauchprodukten, wie der DAK-Präventionsradar zeigt: Im Jahr 2023 griffen demzufolge erstmals mehr Schülerinnen und Schüler regelmäßig zur E-Zigarette als zu herkömmlichen Zigaretten.“

In Berlin würde mehr geraucht als in anderen Großstädten, sagt Charité-Expertin Gertraud Stadler. „Vor allem in Bars und Clubs ist das noch vielfach akzeptiert. Man ist in der Stadt vielerorts von Zigarettenrauch umgeben, das gehört hier dazu, ist aber in anderen Regionen........

© Berliner Zeitung


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