Wenn sich in 40 Spielen zahlreiche Vereine die Zähne an einem Gegner ausgebissen haben, es ihnen nicht gelungen, eine Mannschaft zu besiegen, dann ist es in erster Linie auch keine Schande, wenn man es selbst nicht hinbekommt. Nein, auch dem 1. FC Union Berlin ist es am Sonnabend bei feinstem Frühlingswetter nicht gelungen, der Mannschaft von Bayer 04 Leverkusen die erste Niederlage in dieser Saison beizubringen. Die Art und Weise aber, wie sich die Eisernen gegen den souveränen Bundesliga-Tabellenführer nur knapp mit 0:1 (0:1) haben geschlagen geben müssen, nötigt ihnen den höchsten Respekt ab und hätte sogar einen Punkt verdient gehabt.

Wenn der auf Meisterkurs liegende Tabellenführer, der in der Woche mal fast nebenbei mit einem klaren 4:0-Erfolg gegen Zweitligist Fortuna Düsseldorf in das DFB-Pokal-Finale eingezogen war, mit einer Serie von 40 Spielen ohne Niederlage in drei Wettbewerben angereist kommt, geht es für so ziemlich jeden Gegner erst einmal um defensive Stabilität. Bloß nicht überrannt werden, wie eben die Düsseldorfer. Bloß nicht wie eine Woche zuvor die Hoffenheimer über 90 Minuten in die eigene Hälfte eingeschnürt werden, bis die Leverkusener eben irgendwann fast zwangsweise treffen.

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Und so verwunderte es nicht, dass auch Nenad Bjelica, ohnehin ein Vertreter der defensiven Stabilität, in erster Linie auf die Abteilung Abwehr und weniger auf die Abteilung Attacke setzte. Personell veränderte er seine Startelf gegenüber dem 0:0 der Vorwoche in Frankfurt lediglich auf einer Position. Die Hereinnahme des in den Vorwochen gesperrten András Schäfer für Mikkel Kaufmann aber stand auch nominell für noch mehr defensive Kompaktheit.

Gegen die schon als die „Galaktischen“ bezeichneten Gäste liefen Schäfer und Co. in einem vom Trikotsponsor entworfenen Star-Trek-Sondertrikot auf. So richtig gut kam das bei den Ultras nicht an. „Abstiegskampf, mit beiden Beinen am Boden bleiben statt werbewirksam in Sphären treiben. Marketingschoten gehören verboten. Heimspiele im Heimtrikot“, war auf mehreren zusammenhängenden Bannern von den Anhängern in der Waldseite zu lesen.

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03.04.2024

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Und auch der Trainer hätte diese Trikots wohl nicht gebraucht, versprach sich jedenfalls keinen besonderen Effekt davon: „Egal mit welchem Trikot musst du perfekt spielen, um gegen einen solchen Gegner bestehen zu können“, so Bjelica. „Es ist eine schwere Aufgabe. Ich hoffe, dass wir auf dem Platz sehr wenig Respekt zeigen werden. Wir versuchen auf Konter zu gehen und hoffen auf eine bessere Effektivität als gegen Frankfurt“, sagte der Kroate kurz vor der Partie am Mikrofon von Sky.

Und in der Tat: Was sich aus der Aufstellung defensiv las, sah auf dem Platz durchaus anders aus. Die Eisernen standen keineswegs mit allen Spielern in der eigenen Hälfte und ließen die Offensivkraft des Gegners über sich ergehen, sondern liefen den Bundesligatabellenführer auch mal früh an, betrieben dabei einen hohen läuferischen Aufwand. Da waren dann phasenweise mal nur die drei Innenverteidiger hinter der Mittellinie zu sehen, während die anderen Unioner die Leverkusener früh unter Druck setzten, um Fehler zu provozieren.

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Wieviel spielerische Klasse aber in der Mannschaft von Trainer Xabi Alonso steckt, war in der 15. Minute zu sehen: Ein langer Ball auf Nathan Tella reichte, um die linke Abwehrseite der Unioner auszuhebeln, Tella selbst narrte Nationalspieler Robin Gosens, schickte diesen zu Boden und flanke punktgenau auf Borja Iglesias, der mit seinem etwas zu zentral platzierten Kopfball an Union-Keeper Frederik Rönnow scheiterte.

Mehr Chancen, mehr Torschüsse, mehr Eckbälle, deutlich mehr Pässe, mehr Ballbesitz - die nicht nur heutzutage wichtigsten Kennzahlen im Fußball sahen mit zunehmender Spieldauer die Gäste immer dominanter auftreten. Das 0:0 nach gut 30 Minuten war da schon schmeichelhaft, der erste Eckball der Unioner in der 35. Minute wurde da schon fast wie ein Torerfolg bejubelt, der nach der Ausführung dieser Standardsituation knapp am Tor vorbeizischende Kopfball von Gosens wurde sogar noch lautstärker vom Publikum honoriert. Auch Yorbe Vertessen hatte nur wenige Minuten später eine gute Schusschance.

Beide Unioner sollten die zweite Hälfte nicht mehr erleben. Vertessen blieb in der zweiten Minute der Nachspielzeit verletzt auf dem Boden liegen, blieb zur Pause in der Kabine und Gosens, der nicht nur in der bereits beschriebenen Szene Probleme mit Leverkusens Tella hatte, musste nach einer Gelb-Roten Karte vorzeitig vom Platz. Und als sei das noch nicht genug, lenkte Christopher Trimmel in dieser Nachspielzeit mit seinem Ellenbogen einen Schuss an den Pfosten. Glück für die Eisernen, dass es dafür keinen Platzverweis gab, der daraus resultierende Elfmeter aber war unstrittig und wurde von Florian Wirtz sicher verwandelt (45.+8).

Ein Spieler weniger, 0:1 in Rückstand: Viel schlechter hätten die Voraussetzungen nach dieser verkorksten Nachspielzeit für den Start in die zweite Hälfte nicht sein können. Für die wurde Kaufmann für den verletzten Vertessen eingewechselt, auf den Platzverweis für Gosens reagierte Bjelica mit einem Systemwechsel auf eine Vierer-Abwehrkette, in der Diogo Leite es auf der linken Seite mit dem flinken und technisch versierten Tella zu tun bekam. Die Eisernen rührten damit keineswegs Beton an, hatten nach ein paar Standardsituationen sogar ein paar Tormöglichkeiten.

In der Konstellation mit neun gegen zehn Feldspielern aber machten die Leverkusener mit zunehmender Spieldauer das, was sie bereits mehrfach in dieser Saison so eindrucksvoll gezeigt hatten: Sie legten sich ihren Gegner zurecht, spielten geduldig auf das zweite Tor des Tages. Um dieser Offensivpower gewachsen zu sein, brachte Bjelica in Josip Juranovic, Alex Kral und Aissa Laidouni drei frische Kräfte für die letzte halbe Stunde, Trimmel, Rani Khedira sowie Schäfer waren viel gelaufen und verließen das Feld. Die Unioner konnten somit die Stabilität in den Reihen halten und den Leverkusenern den Spaß am Spiel nehmen. Nur eins konnten sie an diesem Nachmittag nicht: Einen Punkt holen.

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1. FC Union Berlin: Diese Leistung gegen Leverkusen hätte einen Punkt verdient

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07.04.2024

Wenn sich in 40 Spielen zahlreiche Vereine die Zähne an einem Gegner ausgebissen haben, es ihnen nicht gelungen, eine Mannschaft zu besiegen, dann ist es in erster Linie auch keine Schande, wenn man es selbst nicht hinbekommt. Nein, auch dem 1. FC Union Berlin ist es am Sonnabend bei feinstem Frühlingswetter nicht gelungen, der Mannschaft von Bayer 04 Leverkusen die erste Niederlage in dieser Saison beizubringen. Die Art und Weise aber, wie sich die Eisernen gegen den souveränen Bundesliga-Tabellenführer nur knapp mit 0:1 (0:1) haben geschlagen geben müssen, nötigt ihnen den höchsten Respekt ab und hätte sogar einen Punkt verdient gehabt.

Wenn der auf Meisterkurs liegende Tabellenführer, der in der Woche mal fast nebenbei mit einem klaren 4:0-Erfolg gegen Zweitligist Fortuna Düsseldorf in das DFB-Pokal-Finale eingezogen war, mit einer Serie von 40 Spielen ohne Niederlage in drei Wettbewerben angereist kommt, geht es für so ziemlich jeden Gegner erst einmal um defensive Stabilität. Bloß nicht überrannt werden, wie eben die Düsseldorfer. Bloß nicht wie eine Woche zuvor die Hoffenheimer über 90 Minuten in die eigene Hälfte eingeschnürt werden, bis die Leverkusener eben irgendwann fast zwangsweise treffen.

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