Berlins Stadtautobahn wird jahrelang zur Großbaustelle – und das betrifft auch das Dreieck Funkturm in Charlottenburg. Jetzt wird auf dem Weg zum geplanten Neubau des Knotenpunkts die nächste Etappe in Angriff genommen. An diesem Dienstag beginnt die Erörterung, bei dem Einwände gegen das Projekt nicht öffentlich beraten werden.

Doch kurz zuvor wird demonstriert. Erboste Anwohner fordern das Fernstraßen-Bundesamt auf, die Planung abzulehnen. „Was die Deges und die Autobahn GmbH vorhaben, verschlimmert die aktuelle Situation“, warnt das Kiezbündnis Klausenerplatz.

Im Schatten des Funkturms, vor der Kulisse des ICC, wird sich eines der größten Berliner Straßenbauprojekte der nächsten Zeit abspielen. Acht Jahre lang wird das Dreieck Funkturm, in dem die Avus (A115) in den Stadtring (A100) mündet, um- und neu gebaut: Das ist der Plan. Als das Autobahndreieck in den 1960er-Jahren geplant wurde, ging man noch von rund 20.000 Kraftfahrzeugen pro Tag aus. Doch derzeit wird der Knotenpunkt täglich im Schnitt von 230.000 Fahrzeugen passiert, Prognosen gehen von 250.000 aus.

Die gewachsene Verkehrsbelastung hat Spuren hinterlassen. Auf einigen Brücken musste die Last bereits beschränkt werden, was Lastwagen auf Umwege zwingt. Bei 24 der 25 Spannbetonbrücken besteht kurz- oder mittelfristiger Handlungsbedarf. Auch 29 weitere Bauwerke, darunter Lärmschutz- und Stützwände, sind in die Jahre gekommen. Das Dreieck gilt als nicht mehr sanierungsfähig. Darum plant die Projektgesellschaft Deges, unterstützt von der Autobahn GmbH, den Um- und Neubau. Für das zuletzt auf 410 Millionen Euro veranschlagte Projekt läuft nun das Planfeststellungsverfahren.

Doch bevor an diesem Dienstag das Bundesamt den ersten Erörterungstermin im Hotel Moa in Moabit eröffnet, wollen Anwohner gegen die Pläne demonstrieren. „Ab 8 Uhr verleihen wir unseren Forderungen mit einer Kundgebung Ausdruck“, teilte das Kiezbündnis Klausenerplatz mit.

•gestern

21.04.2024

21.04.2024

„Wir stellen natürlich nicht infrage, dass die in den 1950er-Jahren geplante Stadtautobahn A100 dringend eine Grundsanierung beziehungsweise einen Neubau braucht“, erklärte Bündnisvorstand Martin Burth der Berliner Zeitung. Doch die überfällige Sanierung des Autobahndreiecks Funkturm und weiterer Abschnitte der A100 Richtung Norden wären eine gute Gelegenheit, die alten Bausünden zu heilen und die Autobahn in diesem Bereich stadtverträglicher zu gestalten, forderten die Anwohner.

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Wenn nun acht Jahre lang gebaut und viel Geld investiert wird, müsse der Anspruch höher sein, als Planungen vergangener Jahrzehnte erneut in klimaschädlichen Beton zu gießen, sagte Burth. So werde das Grundproblem, dass der Stadtring regelkonform auf mindestens vier Fahrstreifen pro Richtung ausgebaut werden müsste, überhaupt nicht gelöst. Die Planungen sähen auch nicht vor, die A100 im Bereich des Geländeeinschnitts nördlich vom ICC zu deckeln, um Anwohner vor Lärm zu schützen. Dabei gebe es eine Machbarkeitsstudie der Deges – die aber bisher nicht veröffentlicht wurde. Die Schließung des Autobahngrabens wäre ein „massiver städtebaulicher Gewinn“, so Burth.

Die Bürger befürchten, dass die jetzigen Pläne dazu führen werden, Autoverkehr in die Wohngebiete zu verdrängen. Nach ihrer Darstellung sollen alle Ein- und Ausfahrten im Bereich des Dreiecks geschlossen werden. Das könnte dazu führen, dass sich die Belastung in Richtung Anschlussstelle Kaiserdamm verlagert und die Viertel an der Autobahn in Zukunft noch stärker von Schleichverkehr betroffen werden. Geplant sei auch die Verlegung der Avus, die nicht mehr nördlich, sondern südlich des Motels in die Autobahn A100 münden soll. Die Deges weist darauf hin, dass die heutigen Ein- und Ausfahrten durch die neue Anschlussstelle Messedamm ersetzt werden sollen.

„Wir haben seit Jahren bei Senat und Deges dafür geworben, zumindest je eine Auf- und Abfahrt zur Halenseestraße am Funkturm zu erhalten sowie die Anschlussstelle Kaiserdamm von der Knobelsdorffbrücke zum Kaiserdamm zu verlagern und damit Wohnstraßen zu entlasten“, so das Bündnis. Auch aus der Siedlung Eichkamp und Neu-Westend kommt Kritik an den Planungen, über die von diesem Dienstag an nicht öffentlich gesprochen wird. Der Siedlerverein Eichkamp und die Initiative Westend waren dabei, als dem Bezirksamt über 1300 Einwendungen übergeben wurden.

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Hieß es zunächst, dass die Arbeiten am Autobahndreieck Funkturm „nicht vor 2023“ beginnen, war „nicht vor 2024“ der vorerst letzte Stand. Inzwischen hat die Deges den Zeitplan erneut korrigiert. „Nach jetzigem Stand gehen wir von einem Beginn der Hauptbaumaßnahmen nicht vor 2025 aus, vorbehaltlich des Verlaufs beziehungsweise des Abschlusses der Planfeststellungsverfahren und der Erlangung vollziehbaren Baurechts“, teilte Lutz Günther, Sprecher der Projektgesellschaft, wie berichtet mit.

Das Kiezbündnis Klausenerplatz erwartet, dass auch diese Prognose bald wieder Makulatur ist. „Diverse Einwender:innen haben rechtlichen Beistand geholt und erwägen, je nach Verlauf der Verhandlungen und dem daraus entstehenden Planfeststellungsbeschluss gegebenenfalls den Rechtsweg zu beschreiten“, berichtete Burth. „Damit würde sich die Baufreiheit und der Baubeginn auf unbestimmte Zeit verzögern.“ Vorbild sei der Ausbau der A7 in Hamburg, wo in mehreren Verfahren und bei erheblicher finanzieller und politischer Beteiligung der Stadt drei Tunnelstücke erreicht wurden, von denen der längste 2,23 Kilometer lang wird, sagte der Sprecher.

Ob sich der Neubau des Autobahndreiecks Funkturm wie geplant mit anderen Projekten in diesem Teil von Berlin synchronisieren lässt, ruft bei den Bürgern ebenfalls Zweifel hervor. Der Neubau der Rudolf-Wissell-Brücke, zu dem der Umbau des Dreiecks Charlottenburg gehört, sowie der Neubau der Westendbrücke am ICC befänden sich in unterschiedlichen Stadien, gab Burth zu bedenken. „Für die Westendbrücke ist nicht mal die Auslegung der Unterlagen angekündigt worden“, berichtete er. Das 270 Millionen Euro teure Brückenprojekt werde „nicht vor 2025“ beginnen, teilte die Deges mit.

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Zu Beginn des Planfeststellungsverfahrens für das Dreieck Funkturm hatte die Projektgesellschaft „Fakten zur Planung und Richtigstellungen von Falschbehauptungen“ veröffentlicht. Danach sei es falsch zu behaupten, dass der Verkehr in den Wohngebieten, vor allem in der Knobelsdorffstraße an der Anschlussstelle Kaiserdamm, zunehmen werde. „Es wird kein Verkehr auf Straßen verlagert, die durch Wohngebiete führen“, so die Deges. Der Umbau des Autobahndreiecks soll dessen Leistungsfähigkeit sichern. „Dadurch wird garantiert, dass der Durchgangsverkehr die Autobahn nutzt und gerade nicht auf das Netz der Stadtstraßen ausweicht.“

QOSHE - Dreieck Funkturm: Warum Anwohner gegen das Großprojekt demonstrieren - Peter Neumann
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Dreieck Funkturm: Warum Anwohner gegen das Großprojekt demonstrieren

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23.04.2024

Berlins Stadtautobahn wird jahrelang zur Großbaustelle – und das betrifft auch das Dreieck Funkturm in Charlottenburg. Jetzt wird auf dem Weg zum geplanten Neubau des Knotenpunkts die nächste Etappe in Angriff genommen. An diesem Dienstag beginnt die Erörterung, bei dem Einwände gegen das Projekt nicht öffentlich beraten werden.

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Die gewachsene Verkehrsbelastung hat Spuren hinterlassen. Auf einigen Brücken musste die Last bereits beschränkt werden, was Lastwagen auf Umwege zwingt. Bei 24 der 25 Spannbetonbrücken besteht kurz- oder mittelfristiger Handlungsbedarf. Auch 29 weitere Bauwerke, darunter Lärmschutz- und Stützwände, sind in die Jahre gekommen. Das Dreieck gilt als nicht mehr sanierungsfähig. Darum plant die Projektgesellschaft Deges, unterstützt von der Autobahn GmbH, den Um- und Neubau. Für das zuletzt auf 410 Millionen Euro veranschlagte Projekt läuft nun das Planfeststellungsverfahren.

Doch bevor an diesem Dienstag das Bundesamt den ersten Erörterungstermin im Hotel Moa in Moabit eröffnet, wollen Anwohner........

© Berliner Zeitung


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