„Sie haben Brustkrebs.“ Diese Worte treffen Linda wie ein Schlag. Der behandelnde Arzt erklärt ihr, dass es sich um einen hochaggressiven, schnell teilenden Krebs handelt und eine rasche Operation und Chemotherapie unumgänglich sind. Das Problem: Sie ist schwanger! Die Frage, ob sie sterben muss, ist also nicht die einzige, die ihr sofort durch den Kopf geht, sondern auch die, ob ihr ungeborenes Kind leben wird.

Mit diesem Schicksal steht sie nicht alleine da. Eine von dreitausend Frauen in Deutschland erkrankt während der Schwangerschaft an Brustkrebs. Ich habe Linda getroffen, die selbst als Kinderkrankenschwester arbeitet, und sie hat mir von ihrem Schicksal erzählt. Eine Geschichte über die Sorge, was die Chemotherapie für das Baby in ihrem Bauch bedeuten wird, über die Angst, ob sie noch eine Zukunft hat oder alles verloren ist, über den Willen zu kämpfen, über die Hoffnung auf Heilung und tatsächlich über das Glück.

Im Jahr 2020, also mitten in der Pandemie, wird sie ins Krankenhaus bestellt, um die Ergebnisse der dort durchgeführten Biopsie zu besprechen. Aus dem Knoten, den Linda in ihrer Brust ertastet hatte, war eine Gewebeprobe entnommen worden, nachdem damals eine Ultraschalluntersuchung und eine anschließende Mammographie nicht zur Entwarnung geführt hatten.

Eigentlich hätte sie den Termin allein wahrnehmen müssen. Dass sie an diesem Tag dennoch auf die so dringend benötigte Unterstützung ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes zählen konnte, hat sie ihrem Arzt zu verdanken, der dies trotz der zu dieser Zeit geltenden Kontakteinschränkungen und Sicherheitsvorkehrungen möglich gemacht hat.

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Dann geht alles ganz schnell. Der Tumor wird in einem ersten Schritt operativ entfernt - 17 Chemotherapien folgen. Und das alles mit dem Kind unter ihrem Herzen und dem Zwiespalt, was der richtige Weg ist, um den Krebs zu bekämpfen, und der Angst, gleichzeitig dem Baby zu schaden. Ich bin überrascht, denn ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass eine Chemotherapie während der Schwangerschaft durchführbar ist: Nach den ersten drei Schwangerschaftsmonaten, so die Spezialisten, ist das Risiko gering, und Linda hat Glück, dass ihr diese Möglichkeit offen steht und sie für sich, ihr Ungeborenes und eine gemeinsame Zukunft mit ihrer Familie kämpfen kann.

Heute, an dem Tag, an dem ich mit ihr spreche, ist Linda krebsfrei und ihr Kind ist gesund zur Welt gekommen. Leider hat nicht jeder dieses Glück. Auch Linda hat auf ihrem Weg Menschen mit einem ähnlichen Schicksal kennen gelernt, so wie ihre Freundin Alex. Sie gehört zu denen, die in ihrem Herzen weiterleben werden, denn Alex ist tot. Sie hat den Kampf gegen den Krebs verloren. Das ist einer der Momente, in denen sich mir die Kehle zuschnürt, weil ich weiß, wie diese Krankheit enden kann, was das für die Hinterbliebenen bedeutet. Das ist meine traurige Realität auf der Intensivstation.

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Brustkrebs ist mit 30 Prozent die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland. Das bedeutet, dass jede achte Frau im Laufe ihres Lebens daran erkrankt. An zweiter Stelle folgt der Darmkrebs. Bei den Männern führt Prostatakrebs mit knapp 25 Prozent die Statistik an, und auch bei ihnen findet sich Darmkrebs unter den Top drei. Übrigens: Auch Männer können an Brustkrebs erkranken, denn auch sie haben Drüsengewebe - wenn auch mit einer deutlich geringeren Häufigkeit von etwa einem Prozent.

Die gute Nachricht ist, dass es unter anderem für diese Krebsarten Früherkennungsuntersuchungen gibt, die von den Krankenkassen bezahlt werden. Auch wenn die genannten Krebsarten zu den häufigsten in Deutschland gehören, hat die Medizin große Fortschritte gemacht, so dass sie heute – unter der Voraussetzung, dass der Tumor in einem frühen Stadium entdeckt wird – mit einer hohen Heilungsrate behandelt werden können.

Ich möchte daher jeden ermutigen, regelmäßig die Angebote zur Vorsorge in Anspruch zu nehmen, auf sich selbst zu achten und bei Auffälligkeiten, die man an sich selbst feststellt, den Gang zum Arzt nicht auf die lange Bank zu schieben. Auch wenn eine Heilung nicht immer möglich ist, so gewinnt man doch das Kostbarste, was wir auf dieser Welt haben: Zeit.

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Ricardo Lange: Der Fall einer Schwangeren mit Brustkrebs und die Lehren daraus

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27.04.2024

„Sie haben Brustkrebs.“ Diese Worte treffen Linda wie ein Schlag. Der behandelnde Arzt erklärt ihr, dass es sich um einen hochaggressiven, schnell teilenden Krebs handelt und eine rasche Operation und Chemotherapie unumgänglich sind. Das Problem: Sie ist schwanger! Die Frage, ob sie sterben muss, ist also nicht die einzige, die ihr sofort durch den Kopf geht, sondern auch die, ob ihr ungeborenes Kind leben wird.

Mit diesem Schicksal steht sie nicht alleine da. Eine von dreitausend Frauen in Deutschland erkrankt während der Schwangerschaft an Brustkrebs. Ich habe Linda getroffen, die selbst als Kinderkrankenschwester arbeitet, und sie hat mir von ihrem Schicksal erzählt. Eine Geschichte über die Sorge, was die Chemotherapie für das Baby in ihrem Bauch bedeuten wird, über die Angst, ob sie noch eine Zukunft hat oder alles verloren ist, über den Willen zu kämpfen, über die Hoffnung auf Heilung und tatsächlich über das Glück.

Im Jahr 2020, also mitten in der Pandemie, wird sie ins Krankenhaus bestellt, um die Ergebnisse der dort durchgeführten Biopsie zu besprechen. Aus dem........

© Berliner Zeitung


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