Die Zusammenarbeit der rechtslastigen Alternative für Deutschland (AfD) mit der russischen Führung ist seit Jahren ein Thema. Zuletzt geriet der AfD-Bundestagsabgeordnete und Obmann seiner Partei im Auswärtigen Ausschuss, Petr Bystron, in die Schlagzeilen. Laut dem tschechischen Geheimdienst soll er in Prag einen Geldkoffer von einem russischen Netzwerk entgegengenommen haben.

Andere AfD-Politiker bescheinigten den russischen Präsidentschaftswahlen im März, sie seien „offen, demokratisch und frei“ gewesen – die AfD-Politiker hatten als „Wahlbeobachter“ teilgenommen. Über ihr Urteil lässt sich zumindest sagen, dass sehr viele Russen anderer Ansicht sind.

Die ersten Meldungen über Russlandkontakte der gerade drei Jahre alten Rechts-Partei veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel im Frühjahr 2016. Es ging um die Jugendorganisationen der AfD und der russischen Regierungspartei Einiges Russland. Deren „Junge Garde“ ist eine wichtige Kaderschmiede für die russische Politik. Der Spiegel berief sich auf AfD-interne Quellen.

Umgehend dementierte der „Junge Garde“-Chef Denis Dawydow gegenüber dem Stadtjournal „Moskau.life“ nicht nur jede Kooperation, sondern überhaupt das Treffen mit Vertretern der Jungen Alternative. Die hatten gegenüber Journalisten mit der Zusammenkunft geprahlt.

Die AfD gab nicht auf. Im Frühjahr 2017 flog eine hochrangige Delegation unter Führung der Parteivorsitzenden Frauke Petry nach Moskau. Zu einem Treffen mit der ersten Reihe der russischen Politik kam es nicht. Nur der frisch im Amt befindliche Dumasprecher Wjatscheslaw Wolodin und der inzwischen verstorbene Rechtspopulist Wladimir Schirnowski trafen sich mit den Deutschen. In der deutschen Heimat machten die angeblich, so meldeten es verschiedene Medien, von der russischen Seite bezahlten Flüge der AfD-Delegation Schlagzeilen.

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Bekam AfD-Politiker Bystron Geld aus Moskau? Er spricht von „Diffamierungskampagne“

04.04.2024

In Moskauer regierungsnahen Kreisen wurden sogleich Bedenken laut, ob eine Kooperation mit der deutschen Rechtspartei überhaupt der richtige Weg sei. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Außenpolitikerin Veronika Kraschenninikowa, Vorstandsmitglied von Einiges Russland. Sie kritisierte vor allem die „antiislamische“ Ausrichtung der „ultrarechten“ AfD. Schließlich sei der Islam ein natürlicher Teil von Russland. „Wenn Russland wirklich mit solchen Parteien kooperierte, würde es sich selbst isolieren“, sagte sie 2018 in einem Interview mit dem Newsmagazin „Russland.direct“. Die Rechtspopulisten, hob sie hervor, wollten mit den Moskauer Kontakten nur ihr Image aufbessern.

Ähnlich dachte zur selben Zeit der führende Moskauer Deutschlandexperte Wladislaw Below von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Noch 2023 bezeichnete er in einem Interview den AfD-Politiker Björn Höcke als „Nazi wie sein Umfeld, das einen Teil der AfD darstellt“. Der Deutschlandkorrespondent der Zeitung Nesawisimaja Gaseta, Oleg Nikiforov, kommentierte: „Aus deutschem Nationalismus ist für Russland noch nie etwas Gutes entstanden, und in der AfD gibt es viele Nationalisten.“

Mit ihrer negativen Einschätzung der AfD waren die beiden in der Moskauer politischen Klasse nicht allein. Kraschenninikowa veranstaltete Ende 2018 eine Konferenz, die sich kritisch mit westlichen Rechtspopulisten beschäftigte. In Gegenwart von Konstantin Kosatschow, dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Föderationsrats, war dort auch die AfD-Dissidentin Franziska Schreiber zugeschaltet.

Während die genannten Akteure gegen eine Kooperation ihres Landes mit der AfD und anderen Rechtspopulisten in Europa argumentierten, gab es auch eine andere Fraktion. Sie trieb die Zusammenarbeit trotz aller Warnungen voran. Ein entsprechendes Strategiepapier soll spätestens 2018 in der Kremlverwaltung in Umlauf gewesen sein. Seit jener Zeit beschreiben die staatlich gelenkten Medien die AfD und ähnliche Parteien auch nicht mehr als rechtsradikal, sondern als konservativ und familienorientiert.

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12.04.2024

Die endgültige Wendung in Richtung einer offenen Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten vollzog sich in den darauffolgenden zwei Jahren. 2020 musste eine AfD-Delegation nicht mehr mit Vertretern aus der zweiten Reihe russischer Politiker vorliebnehmen, sondern wurde von Außenminister Sergej Lawrow persönlich empfangen. Gegenüber den Skeptikern konnten sich die Befürworter einer Zusammenarbeit vor allem aus Mangel an Alternativen, dann aber auch wegen des zunehmenden Rechtstrends in der eigenen Regierungspolitik durchsetzen.

Natürlich wollte man in Moskau Einfluss auf innenpolitische Entscheidungen in Deutschland nehmen. Allerdings waren die Kontakte zu den etablierten deutschen Parteien, die sich lange vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine Anfang 2022 zunehmend russlandkritisch positionierten, kaum Erfolg versprechend. Auch aus dem Grund setzte man auf die rechte Opposition.

Es ist eine Opposition, mit der der Kreml bei allen erwähnten Unterschieden eine Reihe von Zielen teilt: ein skeptisches und inzwischen feindseliges Verhältnis zur Europäischen Union, eine sehr kritische Distanz zu den USA und ein ultrakonservatives Familien- und Geschlechterbild. Als sich der AfD in Moskau schließlich die Türen öffneten, stand die schon wartend davor. Über russlanddeutsche Mittelsmänner hatte sie sich zudem mit der rechten Szene in Russland vernetzt.

Die Kooperation mit der deutschen Rechten ist jedoch keine unumstößliche Doktrin. Würde ein solches Dogma existieren, wie etwa bei der Haltung zur russischen Invasion in der Ukraine, verlören Abweichler im politischen Establishment ihre Posten und wären vor Schlimmerem nicht sicher.

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24.03.2024

Veronika Kraschenninikowa ist jedoch immer noch in Amt und Würden. Dabei hat sie ihre Meinung nicht angepasst, auch nicht in der Öffentlichkeit. Den amerikanischen Putin-Interviewer Tucker Carlson bezeichnete sie im Expertenportal Publico als „Medienförderer für westliche Rechtsextreme“. Sich „heute auf den konservativen Westen zu verlassen“, sei eine falsche Illusion. Auch Wladislaw Below ist trotz anhaltend kritischer öffentlicher Äußerungen zur AfD weiterhin stellvertretender Leiter des Europainstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften.

Das alles zeigt, dass der Kreml einerseits ein gutes Verhältnis zur europäischen Rechten pflegt, die bestens zu Putins ultrakonservativer, autoritärer Regierungsideologie der „Russischen Welt“ passt. Andererseits ist die AfD für Moskau kein fest zementierter oder gar ebenbürtiger Partner. Das gern erzeugte Bild, wonach die AfD der finanziellen Verlockung seitens des Kreml erlegen ist, trifft nicht zu. Die wahre Natur der Kooperation ist genau umgekehrt; die engen Russlandkontakte der AfD verdanken sich nachhaltiger Anbiederung. Aus Moskauer Sicht hat die Partei bis heute nicht den Stellenwert, der ihr zugesprochen wird.

Eher ist die AfD ein derzeit nützlicher Einflussagent in Deutschland, der bei prorussischen Positionen vorauseilenden Gehorsam zeigt. Eine Versorgung solcher nützlichen Helfer mit Koffern voll russischem Geld ist im gegebenen weltpolitischen Klima durchaus vorstellbar.

QOSHE - Russische Sicht auf die AfD: Nützlicher Einflussagent in Deutschland, aber nicht auf Augenhöhe - Roland Bathon
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Russische Sicht auf die AfD: Nützlicher Einflussagent in Deutschland, aber nicht auf Augenhöhe

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16.04.2024

Die Zusammenarbeit der rechtslastigen Alternative für Deutschland (AfD) mit der russischen Führung ist seit Jahren ein Thema. Zuletzt geriet der AfD-Bundestagsabgeordnete und Obmann seiner Partei im Auswärtigen Ausschuss, Petr Bystron, in die Schlagzeilen. Laut dem tschechischen Geheimdienst soll er in Prag einen Geldkoffer von einem russischen Netzwerk entgegengenommen haben.

Andere AfD-Politiker bescheinigten den russischen Präsidentschaftswahlen im März, sie seien „offen, demokratisch und frei“ gewesen – die AfD-Politiker hatten als „Wahlbeobachter“ teilgenommen. Über ihr Urteil lässt sich zumindest sagen, dass sehr viele Russen anderer Ansicht sind.

Die ersten Meldungen über Russlandkontakte der gerade drei Jahre alten Rechts-Partei veröffentlichte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel im Frühjahr 2016. Es ging um die Jugendorganisationen der AfD und der russischen Regierungspartei Einiges Russland. Deren „Junge Garde“ ist eine wichtige Kaderschmiede für die russische Politik. Der Spiegel berief sich auf AfD-interne Quellen.

Umgehend dementierte der „Junge Garde“-Chef Denis Dawydow gegenüber dem Stadtjournal „Moskau.life“ nicht nur jede Kooperation, sondern überhaupt das Treffen mit Vertretern der Jungen Alternative. Die hatten gegenüber Journalisten mit der Zusammenkunft geprahlt.

Die AfD gab nicht auf. Im Frühjahr 2017 flog eine hochrangige Delegation unter Führung der Parteivorsitzenden Frauke Petry nach Moskau. Zu einem Treffen mit der ersten Reihe der russischen Politik kam es nicht. Nur der frisch im Amt befindliche Dumasprecher Wjatscheslaw Wolodin und der inzwischen verstorbene Rechtspopulist Wladimir Schirnowski trafen sich mit den Deutschen. In der deutschen Heimat machten die angeblich, so meldeten es verschiedene Medien, von der russischen Seite bezahlten Flüge der........

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