Die weltweiten Militärausgaben sind im vergangenen Jahr auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Insgesamt wurden 2023 rund 2,4 Billionen Dollar (rund 2,25 Billionen Euro) für Rüstungsgüter ausgegeben. Das geht aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri) hervor. Im Vergleich zum Vorjahr entsprach dies einer Steigerung um 6,8 Prozent – der höchsten innerhalb eines Jahres.

Deutschland gab dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr 66,8 Milliarden Dollar für Rüstungsgüter aus, was einer Steigerung um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Damit lag Deutschland bei den weltweiten Militärausgaben im letzten Jahr auf Rang sieben. Wenn die Bundesregierung künftig das Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen wird, würde Deutschland sogar zum viertgrößten Rüstungsfinanzierer der Welt aufsteigen. Damit hätte es dann mit Abstand die höchsten Militärausgaben in West- und Mitteleuropa, hieß es.

Der Militärexperte Max Mutschler, Senior Researcher am Bonn International Centre for Conflict Studies, hält es wahrscheinlich, dass Deutschland das 2-Prozent-Ziel erfüllen wird. Dies werde aber voraussichtlich nur durch das 100-Milliarden-Sondervermögen erreicht werden, sagte Mutschler der Berliner Zeitung. Wenn dessen Mittel aufgebraucht seien, dürfte es schwierig werden.

Allerdings habe Deutschland weniger ein Finanzierungs-, sondern vielmehr ein Beschaffungsproblem, sagt Mutschler. Die Sipri-Zahlen verdeutlichen, dass Deutschland 2023 im Vergleich zu 2014 seine Militärausgaben um 48 Prozent deutlich gesteigert hat. Es bedeute, dass die europäischen Staaten zusammen wesentlich mehr Geld für Militär ausgegeben haben als Russland, erläutert der Militärexperte. „Aber ein gemeinsames Beschaffungswesen in Europa fehlt.“ So produzierten die USA einen Kampfpanzer, in Europa stellten hingegen mehrere Länder unterschiedliche Panzer-Typen her – inklusive Forschungs- und Entwicklungskosten.

•vor 45 Min.

gestern

•gestern

„Daraus ergibt sich ein Problem“, erklärt Mutschler. „Für die komplexen Waffensysteme gibt es in Deutschland keinen nationalen Markt. Bei einer schlecht koordinierten Rüstungsindustrie werden Waffenexporte aus ökonomischen Gründen nahezu unausweichlich. Dann wird von der Politik gefordert, Waffen an Saudi-Arabien oder Ägypten zu liefern – harte Diktaturen.“

Im ersten Jahr der Ampelregierung seien die Waffenexporte an sogenannte Drittstaaten relativ gering gewesen. „Doch derzeit nimmt man innerhalb der Bundesregierung eine Debatte wahr, die verunsichert“, sagt Mutschler. Autokratische Staaten wie Saudi-Arabien würden plötzlich als Sicherheits- und Wertepartner definiert. „Diese Länder sollen deutsche Waffen erhalten, weil sie den deutschen Sicherheitsinteressen im Nahen Osten dienen. Das finde ich hochproblematisch.“ Auch dass Israel, für dessen Sicherheit Deutschland zu Recht eine starke Verpflichtung empfinde, derzeit mit deutschen Waffen ausgestattet werde, die im Krieg in Gaza eingesetzt werden, halte er für den falschen Weg.

Israel hat sein Rüstungsbudget im Vergleich zum Vorjahr um 24 Prozent auf 27,5 Milliarden US-Dollar ausgeweitet, heißt es im Sipri-Bericht. Am meisten Geld gaben die USA, China, Russland, Indien und Saudi-Arabien für Rüstungsgüter aus. Die USA liegen mit 916 Milliarden US-Dollar weit vorn und zeichnen für 37 Prozent der Militärausgaben weltweit verantwortlich. China steigerte seine Militärausgaben um sechs Prozent auf 296 Milliarden US-Dollar.

Ukraine-Hilfen: US-Kongress gibt 61 Milliarden Dollar frei

20.04.2024

Baerbocks Nahost-Politik: Israelischer Journalist Gideon Levy hält sie für „Zeitverschwendung“

19.04.2024

Russlands Militärausgaben stiegen um 24 Prozent auf 109 Milliarden US-Dollar, die Ausgaben der Ukraine wuchsen um 51 Prozent auf 64,8 Milliarden US-Dollar. Zusätzlich erhielt Kiew Militärhilfen in Höhe von 35 Milliarden US-Dollar.

Angesichts des Krieges in der Ukraine, der „noch lange nicht zu Ende“ sei, sowie der aktuellen Situation im Nahen Osten und der zunehmenden Spannungen in Asien geht das Sipri-Institut davon aus, dass die Länder ihre Streitkräfte weiter aufrüsten werden. Dieser steigende Trend werde voraussichtlich noch mindestens ein paar Jahre anhalten.

QOSHE - Sipri-Studie: Deutschland wird Europas Rüstungsriese – und Diktaturen profitieren davon - Simon Zeise
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Sipri-Studie: Deutschland wird Europas Rüstungsriese – und Diktaturen profitieren davon

10 1
23.04.2024

Die weltweiten Militärausgaben sind im vergangenen Jahr auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Insgesamt wurden 2023 rund 2,4 Billionen Dollar (rund 2,25 Billionen Euro) für Rüstungsgüter ausgegeben. Das geht aus einem am Montag veröffentlichten Bericht des Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstituts (Sipri) hervor. Im Vergleich zum Vorjahr entsprach dies einer Steigerung um 6,8 Prozent – der höchsten innerhalb eines Jahres.

Deutschland gab dem Bericht zufolge im vergangenen Jahr 66,8 Milliarden Dollar für Rüstungsgüter aus, was einer Steigerung um neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Damit lag Deutschland bei den weltweiten Militärausgaben im letzten Jahr auf Rang sieben. Wenn die Bundesregierung künftig das Nato-Ziel von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen wird, würde Deutschland sogar zum viertgrößten Rüstungsfinanzierer der Welt aufsteigen. Damit hätte es dann mit Abstand die höchsten Militärausgaben in West- und Mitteleuropa, hieß es.

Der Militärexperte Max Mutschler, Senior Researcher am Bonn International........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play