Der Titel hält, was er verspricht: „Ich baue Gras an“ heißt die Reportage aus dem Hause Funk, dem Jugendangebot von ARD und ZDF. Produziert wurde die fragliche Reportage von Puls, der Jugendsparte des Bayerischen Rundfunks, also einer ARD-Anstalt.

Was genau geschieht im Funk-Video, das sich auf Youtube ansehen lässt? Puls-Reporter Kevin Ebert testet Haschisch-Heimanbau im Selbst-Experiment. Dazu fährt er zunächst nach Österreich, um sich den Samen legal zu besorgen. Die Wahl fällt bei einem Angebot von rund 200 verschiedenen Sorten auf Cannabis-Pflanzen mit dem klangvollen Namen Pineapple Express.

Der Samen selbst kostet nur zehn Euro. Trotzdem belaufen sich die Ausgaben des Puls-Reporters schnell auf 400 Euro: Anbau-Zelt, Lampe, Abluft-Anlage, allerlei Equipment ist offenbar vonnöten für den Selbst-Anbau von Cannabis.

Im Mittelteil der knapp viertelstündigen Video-Reportage wird der Cannabis-Konsum kontextualisiert: Wie groß ist das Risiko für junge Menschen (also die Kern-Zielgruppe von Funk), süchtig zu werden und womöglich gar Psychosen zu entwickeln? Prof. Dr. Oliver Pogarell vom LMU Klinikum München kommt als Experte zu Wort. Ergebnis: Rund 10 Prozent der Gras-Raucher entwickeln eine Sucht.

Konkret wird das von der 23-jährigen Sarah erzählt, die zwischenzeitlich bis zu fünf Joints am Tage rauchte, wie sie in der Reportage erzählt. Dann kommt die für sie schlimme Diagnose: Sucht nach Cannabinoiden. In einer sogenannten Content Note unter dem Video warnt auch der Youtube-Kanal von Puls Reportage: „Dieses Video dient der Aufklärung. Der Konsum von Drogen jeglicher Art birgt immer ein gewisses Risiko und wir raten euch davon ab, Gezeigtes nachzumachen.“ Tatsächlich wäre es für Unter-18-Jährige (auch Teil der Funk-Zielgruppe) ja sogar verboten.

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Trotzdem scheint die Grundstimmung der Rahmenhandlung in der Reportage tendenziell heiter, wenn der Reporter Kevin Ebert mit seiner Kollegin Helene von der News-WG den Pineapple Express „gärtnert“: Er raucht einfach gerne ab und zu Gras, erzählt er – und sieht bei sich kein Risiko, noch eine Sucht zu entwickeln.

Der CSU ist dieses Video zuwider. Sowieso hat sich der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder immer wieder als prominenter Gegner der von der Ampel-Regierung mit Wirkung zum 1. April 2024 vollzogenen Cannabis-Legalisierung hervorgetan. Nun legt CSU-Generalsekretär Martin Huber nach: „Es ist unfassbar: Funk sendet eine Anleitung zum Drogen-Anbau in die Kinderzimmer.“ Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle bilden und informieren, „nicht Jugendliche zu Kiffern machen“. Eltern und Jugendliche müssten sich darauf verlassen können, dass öffentlich-rechtliche Formate nicht jugendgefährdend seien. „Der Beitrag auf Youtube muss gelöscht werden. Der ÖRR muss sich wieder auf seinen Auftrag konzentrieren: Bildung und Informationen.“

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22.04.2024

Beim Bayerischen Rundfunk (BR) sieht man das Video mit anderen Augen: „Das Video ist selbstverständlich keine Anleitung zum Drogen-Anbau im Kinderzimmer“, erklärte eine Sprecherin gegenüber der Bild-Zeitung. Für eine Löschung sehe man beim BR „keinerlei Veranlassung“. Das untermauert der BR mit diesen Argumenten: Dass Erwachsene in Deutschland legal Cannabis anbauen, besitzen und konsumieren können, sei ein Paradigmenwechsel. „Gerade unsere Zielgruppe (16 – 25 Jahre) hat dazu sehr viele Fragen, die der Film informativ, sachlich und ausgewogen beantwortet, dabei auch mit der Falschinformation aufräumt, Cannabis sei eine Einstiegsdroge. Zugleich klärt er über gesundheitliche Risiken gerade für junge Menschen und über die Gesetzeslage mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz auf.“ . In dem Beitrag werde zudem klar, dass der Anbau erst ab 18 Jahren erlaubt sei.

Ob die CSU sich mit dieser Erklärung zufriedenstellen lässt? Theoretisch könnten die Christsozialen über die Aufsichtsgremien des Bayerischen Rundfunks eine Löschung weiterhin forcieren – auf die Gefahr hin, dass das Video dann noch mehr Neugierige an anderen Stellen im Netz findet. Ruhe bei dem Thema ist wohl erst mal nicht in Sicht. Denn: Das knapp viertelstündige Video, das bislang auf Youtube steht, ist erst Teil 1 der Reportage. Schon bald soll der zweite Teil folgen. Ob der Pineapple Express dann schon im Zimmer des Reporters wuchert?

QOSHE - Zoff um ARD-Kiffer-Reportage: „Anleitung zum Drogen-Anbau im Kinderzimmer“? - Stefan Hochgesand
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Zoff um ARD-Kiffer-Reportage: „Anleitung zum Drogen-Anbau im Kinderzimmer“?

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27.04.2024

Der Titel hält, was er verspricht: „Ich baue Gras an“ heißt die Reportage aus dem Hause Funk, dem Jugendangebot von ARD und ZDF. Produziert wurde die fragliche Reportage von Puls, der Jugendsparte des Bayerischen Rundfunks, also einer ARD-Anstalt.

Was genau geschieht im Funk-Video, das sich auf Youtube ansehen lässt? Puls-Reporter Kevin Ebert testet Haschisch-Heimanbau im Selbst-Experiment. Dazu fährt er zunächst nach Österreich, um sich den Samen legal zu besorgen. Die Wahl fällt bei einem Angebot von rund 200 verschiedenen Sorten auf Cannabis-Pflanzen mit dem klangvollen Namen Pineapple Express.

Der Samen selbst kostet nur zehn Euro. Trotzdem belaufen sich die Ausgaben des Puls-Reporters schnell auf 400 Euro: Anbau-Zelt, Lampe, Abluft-Anlage, allerlei Equipment ist offenbar vonnöten für den Selbst-Anbau von Cannabis.

Im Mittelteil der knapp viertelstündigen Video-Reportage wird der Cannabis-Konsum kontextualisiert: Wie groß ist das Risiko für junge Menschen (also die Kern-Zielgruppe von Funk), süchtig zu werden und womöglich gar Psychosen zu entwickeln? Prof. Dr. Oliver Pogarell vom LMU Klinikum........

© Berliner Zeitung


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