Nach dem Abschied von Anne Will hat nun die Journalistin Caren Miosga das Zepter übernommen und am Sonntag ihr neues Talk-Format „Caren Miosga“ vorgestellt. Die Sendung war etwas anders strukturiert als Wills Vorgängerprogramm. Sie begann mit einem Vieraugengespräch zwischen Miosga und CDU-Chef Friedrich Merz. Erst danach startete die eigentliche Diskussion. Geladen waren (neben Merz) der Soziologe Armin Nassehi und die Zeit-Journalistin Anne Hähnig, die Ressortchefin von „Zeit im Osten“.

Die Sendung hatte durchaus ihre Höhepunkte. Friedrich Merz zeigte sich von seiner menschenfreundlichen Seite und begann mit einem Lob für die vielen Demonstranten, die sich am Wochenende deutschlandweit zu Protesten gegen das Erstarken der AfD versammelt hatten. Die Demos am Wochenende seien ein „ermutigendes“ Zeichen gewesen, so Merz.

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Dennoch blieb dem CDU-Chef die Frage nicht erspart, ob er mit seinem Rechtsruck innerhalb der CDU nicht gemeinsam mit der AfD am Fundament der Demokratie rütteln und mit seiner asylkritischen Haltung rassistische Positionen fördern würde. Merz konterte, indem er einerseits die AfD als unwählbar diffamierte und zugleich auf die Brandmauer zwischen CDU und AfD verwies. Dennoch warb er offen um AfD-Wähler. Er sagte, dass man jene Menschen, die mit dem Gedanken spielten, die AfD zu wählen, nicht als Radikale beschimpfen dürfte. Diese Menschen sind „nicht alle Nazis“. Es gehe darum, frustrierte Wählergruppen zurückzugewinnen.

Die Strategien dafür liegen auf dem Tisch: Der CDU-Chef will die Christdemokraten zurück auf einen konservativen Kurs holen und sich von den Merkel-Jahren verabschieden. Wird dies gelingen? Der konservative Schwenk der CDU bleibt ein Experiment. Wahlforscher sind sich uneins, ob der Rechtsdruck der Christdemokraten das Volk nachhaltig überzeugen wird. Immerhin hat die CDU immer wieder Versprechen gemacht, die in Regierungsjahren auf Landes- oder Bundesebene nicht gehalten wurden. Ersten Optimismus hingegen lassen aktuelle Umfragen zu: Die SPD schmiert ab, während die CDU die beliebteste Kraft im Land ist (laut Umfragen liegt die CDU bei etwa 30 Prozent).

Ohne Frage: Mit Merz muss man rechnen. Miosga wollte immer wieder wissen, ob der CDU-Chef als Kanzlerkandidat bei der nächsten Bundestagswahl ins Rennen gehen würde, doch Merz wiegelte ab. Das werde im Sommer 2024 entschieden. Man muss kein Politik-Experte sein, um davon auszugehen, dass Merz alles daran setzen wird, seine Chancen zu ergreifen. Das sei, so hieß es bei Miosga, auch der Wille des verstorbenen Wolfgang Schäuble.

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Im Anschluss begann die Diskussion zwischen Miosga, Merz, dem Soziologen Armin Nassehi und „Zeit im Osten“-Leiterin Anne Hähnig. Im zweiten Teil der Sendung ging es um die Herausforderungen in Ostdeutschland und die in diesem Jahr stattfindenden Landtagswahlen, wo die AfD Geschichte schreiben könnte. Beim Zuschauen bekam man nicht unbedingt den Eindruck, dass die Gründe für den Erfolg der AfD wirklich durchdrungen worden sind.

Merz konzentrierte sich vor allem auf die Migrationsfrage. Für den CDU-Chef sind die Migrationsprobleme das Schlüsselelement, um Wahlen zu gewinnen. Seine Antwort auf die Migrationskrise ist ein härterer Asyl-Kurs. Nassehi bezweifelte die Erfolgsaussichten dieser Strategie. Er sagte, dass die Menschen das Gefühl hätten, es gäbe einen generellen Kontrollverlust im Land – und das auf struktureller Ebene. Dieser Kontrollverlust müsse nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen. Die Regierung würde vielleicht einfach nur schlecht kommunizieren. Die Opposition wiederum würde „das Spiel der AfD mitspielen“, indem es das Narrativ von unregulierter Politik nachplappern würde. Die Menschen seien im Privaten „zufrieden“. Das große Ganze werde aber in Zweifel gezogen.

Ist dem wirklich so? Die Diskussion versteifte sich wieder einmal viel zu sehr in der Frage, wie man die Wählerschaft davon überzeugen könnte, dass im Prinzip alles schon in Ordnung sei. Es fehlte eine Stimme, die sich traute, die Interpretation eines „Weiter so!“ aus einer ganzen neuen Perspektive in Zweifel zu ziehen.

Die Wahrheit ist: Ein Großteil der potentiellen Wähler der AfD denkt nicht rechtsradikal. Zeit-Journalistin Anne Hähnig bestätigte dies und sagte, dass Dreiviertel der AfD-Sympathisanten extremes Gedankengut ablehnen würden. Zugleich trauen diese Menschen den traditionellen Parteien nicht mehr zu, Deutschland in eine bessere Zukunft zu führen.

Ich finde: Daraus müsste man Konsequenzen ziehen. Eine bürgerliche Partei kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie nach einem Wahlerfolg die Versprechen halten kann, die sie gemacht hat. Und das heißt vor allem: Deutschland in eine wirtschaftlich und politisch bessere Zukunft zu führen. Wenn dies gelingt, fallen Strukturprobleme weniger schwer ins Gewicht.

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Die Flüchtlingsfrage ist so ein Beispiel. Dabei sei mir folgende Annahme erlaubt: Würde die Schulpolitik, die Effizienz von Bürgerämtern, der Wohnungsbau vorankommen, gäbe es eine höhere Bereitschaft in der Bevölkerung, Migranten aufzunehmen. Da aber der Wohnungsbau nicht funktioniert, die Wirtschaft durch hohe Bürokratie und Regularien blockiert wird, Schulen voll sind, die Kosten für Energie steigen und die Integration von Flüchtlingen nicht gewährleistet werden kann, verlieren die Menschen das Vertrauen in die Politik. Zu sagen, diese Krisen seien politisch nicht lösbar und zu akzeptierende Realitäten, führt zu einer Unzufriedenheit, die die AfD stark macht.

In den USA kann man diesen Teufelskreis sehr gut beobachten. Joe Biden hat es geschafft, die Wahlen gegen Donald Trump zu gewinnen. Vier Jahre hatte er Zeit, den Menschen zu beweisen, dass seine Politik zu einem besseren Ist-Zustand führt. Der aktuelle Erfolg in den Umfragen von Trump wird in liberalen Medien nun damit erklärt, dass Trumps Unterstützer Realitätsverweigerer wären und dass es ihnen auch wirtschaftlich besser ginge als zu Zeiten von Trump. Die Arbeitslosenquote sei gering, die Börse feiert Rekorde, die Einkommen seien gestiegen.

Wer sich aber im Detail mit der Realität der mittleren und unteren Einkommensklassen beschäftigt, kommt zu einem anderen, weit komplexeren Ergebnis. Amerikanische Journalisten werden langsam darauf aufmerksam. In einem Gastkommentar der New York Times schrieb der Journalist Roger Lowenstein vor kurzem, dass die Menschen unter Trump, rein wirtschaftlich, sich nach vorne bewegt hätten. Er sagt: „Der Lebensstandard des typischen Haushalts hat sich in den drei Trump-Jahren vor der Pandemie verbessert. Unter Präsident Biden hatten die Amerikaner (bestenfalls) damit zu kämpfen, mit der Inflation Schritt zu halten.“

Das heißt: Die Wähler schauen nun auf vier Biden-Jahre zurück, die herausfordernd waren und nun für mittlere und untere Einkommen, vor allem wegen der Inflation, zu einer kritischen Einschätzung der Wirtschaftslage führen. Natürlich ist das, rational gesehen, kein Grund, Trump zu wählen. Aber man muss die Unzufriedenheit der Amerikaner verstehen, um sich Gedanken zu machen, wie eine bessere Politik aussehen könnte, damit Demagogen wie Trump überhaupt keinen Nährboden finden, um sich auszubreiten.

Die Situation in Deutschland ist nicht unähnlich. Die Ampel-Regierung hat es nicht geschafft, dass es den Deutschen insgesamt besser geht als vor Amtsbeginn der Ampel-Regierung. Auch die Hoffnung auf eine Verbesserung der Zukunft schwindet. Natürlich ist die erhöhte Inflation, galoppierende Preise und die Schwächung des wirtschaftlichen Standorts Deutschland nicht allein auf die Fehler der Ampel-Regierung zurückzuführen. Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise haben die Politik in eine Sackgasse geführt. Was aber Scholz und den Regierenden vorzuwerfen ist, ist die Tatsache, dass sie es verpasst haben, Politik so zu gestalten, dass einerseits Härten abgefedert und Weichen für eine bessere Zukunft gestellt werden. (Mir ist die Schwere dieser Aufgabe durchaus bewusst.)

Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Ukraine-Krieg geht bald ins dritte Jahr. Die Sorge wächst, dass Donald Trump Präsident werden könnte und die US-Unterstützung für die Ukraine versiegt. Wo ist Scholz als Moderator des Konflikts? Keiner weiß, was für einen Plan er hat für Europa, für die Ukraine, für die EU. Diese Planlosigkeit zieht sich durch alle Bereiche. Und was ist das Ergebnis? Ein Erstarken der AfD. Hier müsste jede vernünftige Diskussion ansetzen. Ansonsten wird nur Wahlkampf „gegen die AfD“ geführt. Dabei muss es darum gehen, Wahlkämpfe zu führen für eine bessere Zukunft – und für Versprechen, die auch eingehalten werden.

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Talk von Caren Miosga: Auch Friedrich Merz versteht den Erfolg der AfD nicht

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22.01.2024

Nach dem Abschied von Anne Will hat nun die Journalistin Caren Miosga das Zepter übernommen und am Sonntag ihr neues Talk-Format „Caren Miosga“ vorgestellt. Die Sendung war etwas anders strukturiert als Wills Vorgängerprogramm. Sie begann mit einem Vieraugengespräch zwischen Miosga und CDU-Chef Friedrich Merz. Erst danach startete die eigentliche Diskussion. Geladen waren (neben Merz) der Soziologe Armin Nassehi und die Zeit-Journalistin Anne Hähnig, die Ressortchefin von „Zeit im Osten“.

Die Sendung hatte durchaus ihre Höhepunkte. Friedrich Merz zeigte sich von seiner menschenfreundlichen Seite und begann mit einem Lob für die vielen Demonstranten, die sich am Wochenende deutschlandweit zu Protesten gegen das Erstarken der AfD versammelt hatten. Die Demos am Wochenende seien ein „ermutigendes“ Zeichen gewesen, so Merz.

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Die Strategien dafür liegen auf dem Tisch: Der CDU-Chef will die Christdemokraten zurück auf einen konservativen Kurs holen und sich von den Merkel-Jahren verabschieden. Wird dies gelingen? Der konservative Schwenk der CDU bleibt ein Experiment. Wahlforscher sind sich uneins, ob der Rechtsdruck der Christdemokraten das Volk nachhaltig überzeugen wird. Immerhin hat die CDU immer wieder Versprechen gemacht, die in Regierungsjahren auf Landes- oder Bundesebene nicht gehalten wurden. Ersten Optimismus hingegen lassen aktuelle Umfragen zu: Die SPD schmiert ab, während die CDU die beliebteste Kraft im Land........

© Berliner Zeitung


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