Der Titel „Avatar“ gibt gleich die Richtung vor. Schon vor einigen Jahren hatte eine ganze Reihe von „Tatorten“ mit der Künstlichen Intelligenz und den Gefahren des Cybercrime gespielt – mitunter wurden sogar die entfesselten Computer selbst zu Tätern. So töteten schon ein Kaffee-Automat und ein selbst fahrendes Auto. Der aktuelle Fall aus Ludwigshafen aber kommt nicht futuristisch daher, spielt nicht in der nahen Zukunft, sondern in der Gegenwart.

Der Film zeigt zunächst eine Mutter (Bernadette Heerwagen), die mit ihrer Tochter Sina im Videochat spricht. Dann wird die Leiche eines Mannes am Ufer eines Flusses gefunden. Julia de Borg, die Mutter vom Videochat, ist am Tatort von einer Überwachungskamera erfasst worden. Sie hat den Laptop des Toten mitgenommen und versucht daheim in ihrem Atelier vergeblich, ihn zu knacken. Dann wirft sie ihn in den Rhein.

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Die Zuschauer wissen also viel früher als die Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter), wer hier die Täterin ist. Rätselhaft bleibt dagegen das Motiv, auch dann noch, als ein zweiter Mord passiert, wieder am Ufer eines Flusses. Merkwürdig ist auch, dass Julias 13-jährige Tochter Sina nie leibhaftig zu sehen ist. Nur ihre Mitschüler reden in Andeutungen davon, dass etwas Schlimmes mit ihr passiert sei. Marie (Leni Deschner) war mal ihre beste Freundin, Tom (Caspar Hoffmann) ihr erster Freund – dann wurden die beiden ein Paar.

Das eingespielte Autorenpaar Harald Göckeritz (der schon zehn Drehbücher für den „Tatort“ Ludwigshafen schrieb) und Miguel Alexandre (Regie) verfolgen mit ihrem Thriller das erklärte Ziel, vor einer Welt zu warnen, in der sich Menschen im virtuellen Raum verlieren, in der die Kommunikation schwer gestört ist und Beziehungen immer leichter manipuliert werden können – dieses Problem ist ja schon oft thematisiert worden. Erzählt wird dies vor allem aus der Perspektive von Julia, einer Programmiererin.

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Bernadette Heerwagen beeindruckt als Frau auf einem einsamen, immer verzweifelteren Rachefeldzug, der sie psychisch und physisch an ihre Grenzen bringt. Wie sehr ihre Welt aus den Fugen geraten ist, das zeigt die Kameraführung gern mit schrägen, gekippten Bildachsen. Auch der durchgängig hochtourige, stark emotionalisierende Soundtrack deutet an, wie hart die Frau am Limit ist. Schauspielerisch und filmisch kann dieser Ludwigshafener „Tatort“ überzeugen, dramaturgisch aber weniger. Denn, angefangen schon beim Titel „Avatar“, deckt der Krimi recht früh seine Karten auf. Frühere ARD-Dramen, etwa „Homevideo“ mit Jonas Nay oder „Das weiße Kaninchen“ mit Devid Striesow, haben sich schon weitaus eindringlicher mit Phänomenen wie dem Cybermobbing und dem Cybergrooming auseinandergesetzt.

Auch „Tatort: Avatar“ verabschiedet vertrautes Personal, diesmal aber ohne hollywoodreife Sterbeszene wie jüngst in Hamburg. Annalena Schmidt als Sekretärin Edith Keller und Peter Espeloer als Kriminaltechniker Peter Becker standen 25 Jahre lang in mehr als 60 Fällen mit Ulrike Folkerts vor der Kamera – ihre immer leicht schrulligen Figuren dürfen mit einem Feuerwerk in Rente gehen.

Tatort: Avatar. Sonntag, 7. Januar, 20.15 Uhr, ARD (+ Mediathek)

QOSHE - „Tatort: Avatar“ aus Ludwigshafen: Ein Feuerwerk für die Sekretärin - Torsten Wahl
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„Tatort: Avatar“ aus Ludwigshafen: Ein Feuerwerk für die Sekretärin

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07.01.2024

Der Titel „Avatar“ gibt gleich die Richtung vor. Schon vor einigen Jahren hatte eine ganze Reihe von „Tatorten“ mit der Künstlichen Intelligenz und den Gefahren des Cybercrime gespielt – mitunter wurden sogar die entfesselten Computer selbst zu Tätern. So töteten schon ein Kaffee-Automat und ein selbst fahrendes Auto. Der aktuelle Fall aus Ludwigshafen aber kommt nicht futuristisch daher, spielt nicht in der nahen Zukunft, sondern in der Gegenwart.

Der Film zeigt zunächst eine Mutter (Bernadette Heerwagen), die mit ihrer Tochter Sina im Videochat spricht. Dann wird die Leiche eines Mannes am Ufer eines Flusses gefunden. Julia de Borg, die Mutter vom Videochat, ist am Tatort von einer Überwachungskamera erfasst worden. Sie hat den Laptop des Toten mitgenommen und versucht daheim in ihrem Atelier vergeblich, ihn zu knacken. Dann wirft sie ihn in den........

© Berliner Zeitung


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