Das Affenhaus im Zürcher Zoo ist diesmal der erste Tatort. Aber ist ein ermordeter Schimpanse ein Fall für die Ermittlerinnen von „Leib und Leben“? Für die Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) zählt ein totes Tier nur als „Sachbeschädigung“, die Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) aber ist stark mitgenommen vom Anblick des erstochenen Tembo, der gerade erst vom Kongo in die Schweiz gebracht worden war. Sie beginnt zu ermitteln. Schließlich hätten Schimpansen und Menschen zu 99 Prozent die gleiche DNA: „Menschenrechte für Menschenaffen!“ Sie findet die Wohnung des vermissten Tierpflegers verwüstet vor.

Die Zuschauer wissen schon, dass der Mann inzwischen tot in einem Müllcontainer liegt, erschossen von einem bulligen Typ mit Augenklappe, der wiederum zu Hause von seiner Frau kaltblütig mit der Pistole hingerichtet wird, die wiederum kurz darauf tot in der Badewanne ihrer Zwillingsschwester liegt. Das Merkwürdige an dieser Kette von Morden: Alle Täter, die gleich darauf zu Opfern wurden, hatten in ihren letzten Minuten fröhlich-irre vor sich hin gesungen. Derweil blicken die Gorillas im Zoo stoisch durch die Glasscheibe nach draußen – als wollten sie das animalische Treiben der Menschen kommentieren: Was seid ihr bloß für seltsame Tiere! Die Redewendung „sich zum Affen machen“ wirkt unpassender denn je.

Die „Tatort“-Krimis aus der Schweiz waren in den letzten Jahren eher nervend als spannend. Doch der siebte Fall mit Grandjean und Ott ist zur Abwechslung mal wirklich originell und komisch. Die Autoren Lorenz Langenegger und Stefan Brunner wurden jüngst auf dem Deutschen Fernsehkrimi-Festival in Wiesbaden für ihr Buch „Von Affen und Menschen“ mit dem Drehbuchpreis ausgezeichnet – unter den zehn nominierten Krimis waren immerhin fünf „Tatorte“.

Die beiden Ermittlerinnen im Range eines „Feldweibels“, einige Folgen lang als konkurrierende Zicken vorgeführt, arbeiten nicht mehr gegeneinander, sondern bekommen diesmal sogar sympathische Züge. Die sonst so kaltherzige Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) will ihren befreundeten Gastwirt (Igor Kovac) finanziell unterstützen und darf beim gierigen Durchwühlen einer Mülltonne ganz neue Züge zeigen. Die oft patzige Kollegin Ott kümmert sich um ihren drogenabhängigen Mitbewohner (Peter Jecklin).

12.04.2024

gestern

gestern

Die beiden übermüdeten Frauen taumeln dem irren Geschehen hinterher, ohne es zu begreifen. Die Rolle der Nervensäge übernimmt diesmal die Staatsanwältin Wegenast, die sich auf eine Beförderung zur Bundesrichterin freut und dafür bei einer Juwelierin schon mal die passenden Goldketten anprobiert – so als würde sie einen Thron besteigen wollen. Hier wird die versnobte Zürcher Gesellschaft mal wieder als Hort der Unmoral präsentiert.

„Crime Scene Berlin: Nightlife Killer“: Der Mörder im Darkroom

03.04.2024

Die Netflix-Serie „Crooks“ ist das bessere „4 Blocks“

27.03.2024

Der Krimi allerdings ist wirklich rasant – der Regisseur Michael Schaerer untermalt das menschliche Affentheater gern mit höhnisch wirkenden Urwaldlauten. Die turbulente Story bietet nicht nur eine halbwegs plausible Auflösung, sondern unterwegs viel Raum für komische Auftritte. So springt Sarah Victoria Frick in der Doppelrolle der beiden bösartigen Zwillingsschwestern geschickt zwischen den beiden Identitäten hin und her.

Michael von Burg spielt einen Betrogenen, der sich rächen will und als Entführer der Betrügerin in einen Fall hineinstolpert, ohne ihn zu durchschauen: Auch er hüpft schließlich mit irrem Grinsen von dannen. Der Schweizer Bodybuilder Christian Billinger taucht immer wieder als menschlicher Gorilla auf, der seinen breiten Brustkorb zeigt und mit seinen muskulösen Armen zupackt und zuschlägt, der dabei aber nie ein Wort von sich gibt, sondern nur blöde grinst. Die Gorillas im Zoo wirken weiser als er.

Tatort: Von Affen und Menschen. Sonntag, 14. April, 20.15 Uhr, ARD (+ Mediathek)

QOSHE - „Tatort: Von Affen und Menschen“: Wie versnobt und unmoralisch ist die Zürcher Gesellschaft? - Torsten Wahl
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

„Tatort: Von Affen und Menschen“: Wie versnobt und unmoralisch ist die Zürcher Gesellschaft?

12 4
14.04.2024

Das Affenhaus im Zürcher Zoo ist diesmal der erste Tatort. Aber ist ein ermordeter Schimpanse ein Fall für die Ermittlerinnen von „Leib und Leben“? Für die Staatsanwältin Anita Wegenast (Rachel Braunschweig) zählt ein totes Tier nur als „Sachbeschädigung“, die Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler) aber ist stark mitgenommen vom Anblick des erstochenen Tembo, der gerade erst vom Kongo in die Schweiz gebracht worden war. Sie beginnt zu ermitteln. Schließlich hätten Schimpansen und Menschen zu 99 Prozent die gleiche DNA: „Menschenrechte für Menschenaffen!“ Sie findet die Wohnung des vermissten Tierpflegers verwüstet vor.

Die Zuschauer wissen schon, dass der Mann inzwischen tot in einem Müllcontainer liegt, erschossen von einem bulligen Typ mit Augenklappe, der wiederum zu Hause von seiner Frau kaltblütig mit der Pistole hingerichtet wird, die wiederum kurz darauf tot in der Badewanne ihrer Zwillingsschwester liegt. Das Merkwürdige an dieser Kette von Morden: Alle Täter, die........

© Berliner Zeitung


Get it on Google Play