„Ich bringe Ihnen heute Showkolade, Theater, Show und Talk und auch mal mich. Ist Ihnen das zum dumm, dann schalten Sie doch um!“ Mit diesem Song trat im September 1987 ein bärtiger Hüne vor den roten Vorhang und vor die Fernsehkameras: Gunther Emmerlich, 1,93 Meter groß, war als Bass an der Dresdner Semperoper seit 1972 engagiert und als gewitzter Gast in TV-Sendungen aufgefallen. Er gab mit 43 sein Debüt als Gastgeber einer großen Abendshow im DDR-Fernsehen, und er sorgte für Aufsehen und Aufhorchen ebenso.

Zwar war das Konzept von „Showkolade“ an sich gar nicht sonderlich originell: ein gepflegter Mix aus Gesang und Gespräch, stilistisch bunt von Oper, Tanz bis Pop, garniert mit Kabarett, etwa mit Wolfgang Stumph als „Beutelgermane“. Das Motto „Showkolade“ wurde optisch umgesetzt: Ballett-Tänzerin Nadja Puls, kostümiert als Schokoladenmädchen, kredenzte Emmerlich auf der Bühne ein Tässchen. Die Show gastierte in verschiedenen Theatern, präsentierte neben internationalen Stars auch regionale Künstler und wurde in der DDR sehr populär, konkurrierte hier sogar erfolgreich mit „Wetten, dass ..?“.

18.12.2023

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18.12.2023

•vor 7 Std.

18.12.2023

Das lag vor allem am besonderen Gastgeber. Emmerlich wurde 1988 zum DDR-Fernsehliebling gewählt. Der gebürtige Thüringer, der sich in seiner Jugend zunächst dem Bauwesen zugewandt hatte und erst mit Mitte zwanzig sein Gesangsstudium an der Weimarer Musikhochschule begann, war auch auf der Bühne ein echtes Multitalent. Er wechselte nicht nur zwischen Moderation und Auftritt, sondern ließ mit seinem verschmitzten Lächeln immer wieder kritische Spitzen aufblitzen. Dabei wurde die Show aufgezeichnet – und die schärferen Anspielungen wurden meist herausgeschnitten. Im Herbst 1989 dann fielen auch in der Show die Grenzen: Reinhard Mey durfte in Sachsen seinen Hit „Über den Wolken“ mit der grenzenlosen Freiheit singen.

„Plötzlich standen alle Türen offen“, blickte Emmerlich später zurück, und ihm gelang tatsächlich eine gesamtdeutsche Karriere. Gleich 1990 bekam er den „Bambi“. Doch die „Showkolade“ wirkte mit einem Schlag altbacken-bieder; und Emmerlichs Lästereien über die „roten Socken“ von der PDS wurden von vielen als Anbiederung empfunden. Das bildungsbürgerliche Potpourri der Show passte nicht mehr in die TV-Unterhaltung von ARD und ZDF und wurde 1990 eingestellt.

Auch andere Sendungen wie „Gunther und drüber“ oder eine Werbe-Show für die „Glücksspirale“ besaßen nicht mehr den früheren Esprit der „Showkolade“. Doch mit einer musikalischen Eingrenzung fand Gunther Emmerlich ein neues Feld: Der frühere Opernsänger, der auch Jazz, Blues und Swing im Repertoire hatte und im Oratorium „Axion Esti“ von Mikis Theodorakis einen Hauptpart gesungen hatte, wurde zu einem Paten der „volkstümlichen Musik“, die besonders das Programm des MDR prägte. So präsentierte er hier die Sendung „Zauberhafte Heimat“ von der ersten Ausgabe 1993 bis zur Einstellung 2016.

Gunther Emmerlich ist tot

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Vor allem aber blieb Gunther Emmerlich in seiner Wahlheimatstadt Dresden sehr präsent und populär. So moderierte er den Semperopernball und trat gern mit seiner Semper-House-Band auf. Er lebte mit seiner Familie in einer Villa im Viertel Weißer Hirsch; der gelernte Betonbauer hatte beim Ausbau selbst mit Hand angelegt. In den letzten Jahren fand der Mann mit der tiefen Stimme zunehmend Spaß am stillen Schreiben.

„Ich wollte mich mal ausreden lassen“ hieß das erste seiner vier Erinnerungsbücher, in dem er sich auch an seine schwere Kindheit erinnerte: Nach dem Tod seiner Eltern war er mit zwölf zu seiner großen Schwester gekommen. Am 19. Dezember 2023 ist Gunther Emmerlich im Alter von 79 Jahren überraschend an Herzversagen gestorben. Nur wenige Tage zuvor hatte er noch auf der Bühne gestanden. Am Mittwoch, dem 20. Dezember, läuft seine letzte Moderation im MDR. In der Sendung „Die schönsten Weihnachtslieder“ plaudert er mit Sängerin Andrea Kathrin Loewig – und mit Lästermaul Harald Schmidt.

QOSHE - Gunther Emmerlich, der große Dresdner Entertainer, ist gestorben: Der Bass der „Showkolade“ - Torsten Wahl
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Gunther Emmerlich, der große Dresdner Entertainer, ist gestorben: Der Bass der „Showkolade“

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20.12.2023

„Ich bringe Ihnen heute Showkolade, Theater, Show und Talk und auch mal mich. Ist Ihnen das zum dumm, dann schalten Sie doch um!“ Mit diesem Song trat im September 1987 ein bärtiger Hüne vor den roten Vorhang und vor die Fernsehkameras: Gunther Emmerlich, 1,93 Meter groß, war als Bass an der Dresdner Semperoper seit 1972 engagiert und als gewitzter Gast in TV-Sendungen aufgefallen. Er gab mit 43 sein Debüt als Gastgeber einer großen Abendshow im DDR-Fernsehen, und er sorgte für Aufsehen und Aufhorchen ebenso.

Zwar war das Konzept von „Showkolade“ an sich gar nicht sonderlich originell: ein gepflegter Mix aus Gesang und Gespräch, stilistisch bunt von Oper, Tanz bis Pop, garniert mit Kabarett, etwa mit Wolfgang Stumph als „Beutelgermane“. Das Motto „Showkolade“ wurde optisch umgesetzt: Ballett-Tänzerin Nadja Puls, kostümiert als Schokoladenmädchen, kredenzte Emmerlich auf der Bühne ein Tässchen. Die Show gastierte in verschiedenen Theatern, präsentierte neben internationalen Stars auch regionale Künstler und wurde in der DDR sehr........

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