Das von Berlins Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) geplante Schneller-Bauen-Gesetz stößt auf Protest. Sechs Berliner Naturschutz- und Umweltverbände sprechen in einer gemeinsamen Stellungnahme von „unnötigen und sinnfreien“ Einschnitten in den Natur- und Artenschutz. Viele davon würden „nicht dazu beitragen, dass Bauvorhaben in Berlin künftig schneller umgesetzt werden können“.

Statt mit einem Schneller-Bauen-Gesetz auf der grünen Wiese ohne Natur- und Artenschutz den Neubau voranzutreiben, sollte sich der Senator „vor allem um Themen wie den Umbau vorhandener Gebäude zu Wohnraum oder Aufstockung kümmern“, stellen die Verbände in einer am Dienstag verbreiteten Erklärung fest. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Naturfreunde Berlin.

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„Das Schneller-Bauen-Gesetz ist ein Kotau vor den Interessen der Baulobby“, sagt Uwe Hiksch, stellvertretender Landesvorsitzender der Naturfreunde Berlin. Mit einer klimagerechten Stadtentwicklung sei dieses Gesetz nicht vereinbar. „Der Gesetzentwurf wird zu einer weiteren massiven Versiegelung von Berlin beitragen und den klimagerechten Umbau Berlins verhindern“, bemängelt Hiksch.

Wie berichtet, will der Stadtentwicklungssenator den Wohnungsneubau beschleunigen, indem Verfahren gestrafft und der Landesebene mehr Kompetenzen übertragen werden. Vorgesehen ist etwa, die Baumschutzverordnung so zu ändern, dass Fällgenehmigungen zugunsten des Wohnungsbaus und der Errichtung von sozialer Infrastruktur, zum Beispiel für Schulen oder Kitas, leichter erteilt werden können. Nach Plänen des Stadtentwicklungssenators soll das Schneller-Bauen-Gesetz möglichst noch in diesem Jahr in Kraft treten.

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Vor einem Beschluss im Senat und im Abgeordnetenhaus wurden die Verbände aus dem Natur- und Umweltschutz sowie der Immobilien- und Baubranche angehört. Dass die Verbände ihre Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen abgeben mussten, stößt – ganz abgesehen vom Inhalt des Gesetzentwurfs – bei den Umwelt- und Naturschutzorganisationen auf Kritik. „Seit mehr als 40 Jahren sind wir auf dem Gebiet der Verbandsbeteiligung tätig, noch nie ist uns in diesen Jahren ein so bedeutsames Gesetzesvorhaben mit einer so kurzen Beteiligungsfrist zur Stellungnahme übersandt worden“, erklären sie.

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Die Umwelt- und Naturschutzverbände kritisieren, dass Ersatzmaßnahmen für Eingriffe in die Natur künftig nicht mehr innerhalb einer Frist von zwei Jahren ausgeglichen werden müssen wie bisher. Der Entwurf für das Schneller-Bauen-Gesetz sieht vielmehr gar keine Frist mehr vor. Abgesehen davon, dass Bauvorhaben damit nicht schneller fertiggestellt würden, erschwere das „die ohnehin schon komplizierten Kontrollmaßnahmen, weil die Ämter teilweise nicht über die personellen Kapazitäten verfügen“, warnen die Verbände. „Sanktionsmöglichkeiten werden damit erheblich erschwert, wenn nicht verhindert.“ Darüber hinaus sollten „konkret benannte Ausnahmen für Zerstörungen und Beeinträchtigungen von im Bundesgesetz genannten Biotopen geschaffen werden, um den Wohnungsbau zu fördern“.

Die Umwelt- und Naturschutzorganisationen kritisieren zudem die Verkürzung von Fristen. So solle den anerkannten Naturschutzverbänden für fachliche Stellungnahmen zu geplanten Ausnahmen vom sogenannten Störungsverbot besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten nur noch zwei Wochen Zeit gegeben werden. „Bei Abstimmungsprozessen mit zwölf Verbänden unter dem Dach der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) ist das ein kritisches Vorhaben“, merken die Verbände an. „Wenn aufgrund von Zeitmangel nicht alle relevanten Fakten zusammengetragen werden können, führt das unter Umständen nachträglich zu Verzögerungen im Bauablauf.“

„Die geplanten Einschränkungen des Natur- und Umweltschutzes, insbesondere die Verkürzung der Beteiligungsfrist für die Naturschutzverbände“, seien „der falsche Weg, dadurch wird es keine einzige Wohnung mehr oder schneller in Berlin geben“, sagt BLN-Geschäftsführer Manfred Schubert. Und BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser warnt: „Die Vorgänge werden so beschleunigt und verkürzt, dass eigentlich niemand mehr richtig nachvollziehen kann, was da passiert, welche Biotope und Arten vernichtet werden.“

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Gewisse Änderungen werden von den Umwelt- und Naturschutzverbänden aber auch begrüßt. Dazu gehört die vorgesehene Prüfung von Artenschutzmaßnahmen vor Erteilung einer Baugenehmigung. „Ein weiser Schritt“ könne zudem „die Verpflichtung des Bauherrn sein, ab 50 Wohneinheiten sowie bei Schulen und Kitas Bauantragskonferenzen durchzuführen“, stellen die Verbände fest. An diesen Konferenzen müssten aber neben den Behörden auch die betroffene Öffentlichkeit sowie anerkannte Naturschutzverbände beteiligt werden.

Lob kommt indes vom Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW). Der Entwurf zum Schneller-Bauen-Gesetz sei ein „wichtiger erster Schritt zur Entspannung des Berliner Wohnungsmarkts“, heißt es in einer Stellungnahme des BFW-Landesverbandes Berlin/Brandenburg.

Dass der Bedarf für ein solches Gesetz groß ist, zeigt eine Studie, für die im Auftrag des BFW die Bearbeitungszeiten von Bebauungsplanverfahren in Berlin untersucht wurden. „Danach wiesen die im Jahr 2023 fertiggestellten Bebauungspläne im Schnitt eine Bearbeitungsdauer von 109 Monaten auf“, so der BFW. Allein der Planungsprozess dauere „somit durchschnittlich mehr als neun Jahre“. Auch die anschließenden Genehmigungsverfahren vor den Berliner Baubehörden verliefen oft schleppend. Bevor es zum ersten Spatenstich komme, vergehe „viel zu viel Zeit“. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung äußerte sich nicht.

QOSHE - Umweltverbände zum Schneller-Bauen-Gesetz: „Kotau vor den Interessen der Baulobby“ - Ulrich Paul
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Umweltverbände zum Schneller-Bauen-Gesetz: „Kotau vor den Interessen der Baulobby“

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24.04.2024

Das von Berlins Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) geplante Schneller-Bauen-Gesetz stößt auf Protest. Sechs Berliner Naturschutz- und Umweltverbände sprechen in einer gemeinsamen Stellungnahme von „unnötigen und sinnfreien“ Einschnitten in den Natur- und Artenschutz. Viele davon würden „nicht dazu beitragen, dass Bauvorhaben in Berlin künftig schneller umgesetzt werden können“.

Statt mit einem Schneller-Bauen-Gesetz auf der grünen Wiese ohne Natur- und Artenschutz den Neubau voranzutreiben, sollte sich der Senator „vor allem um Themen wie den Umbau vorhandener Gebäude zu Wohnraum oder Aufstockung kümmern“, stellen die Verbände in einer am Dienstag verbreiteten Erklärung fest. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem die Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Naturfreunde Berlin.

Umweltschützer: Gaeblers Schneller-Bauen-Gesetz „Kriegserklärung“ an den Naturschutz

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„Das Schneller-Bauen-Gesetz ist ein Kotau vor den Interessen der Baulobby“, sagt Uwe Hiksch, stellvertretender Landesvorsitzender der Naturfreunde Berlin. Mit einer klimagerechten Stadtentwicklung sei dieses Gesetz nicht vereinbar. „Der Gesetzentwurf wird zu einer weiteren massiven Versiegelung von Berlin beitragen und den klimagerechten Umbau Berlins verhindern“, bemängelt Hiksch.

Wie berichtet, will der........

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