Alina Saha ist Online-Redakteurin des Freitag. Neben Umwelttthemen schreibt sie abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Tadzio Müller die Kolumne „Super Safe Space“.

Etwa seit Weihnachten lacht das Internet über das winzige Ego von Simone Biles’ Ehemann. In zahllosen Videos auf Tiktok fragen Nutzer:innen ihr Gegenüber: „Weißt du, wer Simone Biles ist?“ In den USA eine überflüssige Frage.

Natürlich kennt jede:r die Schwarze Sportgymnastin und vierfache Olympiasiegerin, die mit 26 Jahren in ihrer Sportart mehr Titel vorweisen kann als alle weiblichen Profis vor ihr.

Bekannt ist sie aber auch, weil sie sich öffentlich gegen sexistische Übergriffe im Sport stark macht, sich aus Wettkämpfen zurückzieht, wenn es ihr psychisch nicht gut geht und damit ein Zeichen für mentale Gesundheit setzt.Und weil sie auf die Frage, warum sie nicht lächelt, wenn man ihre Erfolge lobt, kontert: „Mit Lächeln gewinnt man keine Goldmedaillen.“

Die Videos auf Tiktok zielen auf etwas anderes. Nämlich auf die Folgefrage: „Weißt du auch, wer ihr Ehemann ist?“ Nein, niemand weiß es. Die Videos werden von Nutzer:innen verschiedenster Hintergründe, von Schwarzen Feministinnen bis zu heterosexuellen weißen Männern, eingestellt und sind Reaktionen auf ein Podcast-Interview mit eben jenem Ehemann von Simone Biles, den kaum jemand kennt.

Jonathan Owens heißt der Schwarze NFL-Football-Spieler, der es nun zu unfreiwilliger Berühmtheit gebracht hat. Unfreiwillig deshalb, weil es nicht um seine Leistungen im Football, sondern um seine Qualitäten oder Defizite als der Mann an Simone Biles’ Seite geht. Denn dafür ist er jetzt primär bekannt.

Hinter ihren Frauen stehen zu müssen, ist eine Behandlung, die Männer, insbesondere erfolgreiche, nicht gewohnt sind. Berühmte Sängerinnen und Schauspielerinnen kämpfen seit Jahren dagegen an, in Interviews über ihre Beziehungen zu mindestens genau so berühmten Männern zu sprechen, anstatt von ihrer Arbeit erzählen zu dürfen. Heterosexuelle Frauen hören in Beziehungen auf, Individuen zu sein. Sie sind dann für die Öffentlichkeit lediglich eine Hälfte eines Paares. Für Männer gilt das nicht. Normalerweise.

Wenn man allerdings mit einer so erfolgreichen Frau wie Simone Biles verheiratet ist, die insbesondere unter Schwarzen Feministinnen in den USA gefeiert wird, gilt diese Regel nicht. Dann muss auch ein Mann seine Beziehung im Sport-Podcast The Pivot kurz vor Weihnachten kommentieren.

Er hätte gar nicht gewusst, wer sie ist, bevor sie ihm den Hof gemacht habe, erzählt er im Interview. Außerdem halte er sich für den größeren „Fang“ und sie solle glücklich sein, dass er mit ihr zusammen ist, nicht anders herum.

Sie solle außerdem dankbar sein, ihn zu haben, weil er „der Mann“ sei und anders als sie (Gymnastik ist ja ein Mädchensport, echte Männer müssen das nicht ernst nehmen) einen richtig harten und männlichen Sport wie American Football ausübe. Mit jedem seiner Sätze fühlen sich die beiden Schwarzen Interviewer sichtlich unwohler.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich finde es bescheuert, Beziehungen nach beruflichen Erfolgen zu ordnen. Doch anstatt Vorbild für eine moderne Partnerschaft zu sein, in der Beziehung abseits von individuellen Erfolgen gelebt wird, ist Biles momentan damit beschäftigt, ihren Mann öffentlich zu verteidigen: „In Zukunft wird er nicht mehr als Simone Biles’ Ehemann bekannt sein, sondern ich als Jonathan Owens Frau.“

Wieder typisch: Die Frau repariert das angeknackste männliche Ego. Selbst wenn er sie vorher öffentlich schlecht gemacht hat.

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Kolumne | Simone Biles und Ehemann: TikTok amüsiert sich über gekränkte männliche Egos

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13.01.2024

Alina Saha ist Online-Redakteurin des Freitag. Neben Umwelttthemen schreibt sie abwechselnd mit Dorian Baganz, Özge İnan, Elsa Koester und Tadzio Müller die Kolumne „Super Safe Space“.

Etwa seit Weihnachten lacht das Internet über das winzige Ego von Simone Biles’ Ehemann. In zahllosen Videos auf Tiktok fragen Nutzer:innen ihr Gegenüber: „Weißt du, wer Simone Biles ist?“ In den USA eine überflüssige Frage.

Natürlich kennt jede:r die Schwarze Sportgymnastin und vierfache Olympiasiegerin, die mit 26 Jahren in ihrer Sportart mehr Titel vorweisen kann als alle weiblichen Profis vor ihr.

Bekannt ist sie aber auch, weil sie sich öffentlich gegen sexistische Übergriffe im Sport stark macht, sich aus Wettkämpfen zurückzieht, wenn es ihr psychisch nicht gut geht und damit ein Zeichen für mentale Gesundheit setzt.Und weil sie auf die Frage, warum sie........

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