Kürzlich in der Gewölbesauna im Berliner Prenzlauer Berg: „Wie, du bist ein echter Kunde, der mit barem Geld bezahlt? Du kommst nicht vom Urban Sports Club?“ Der Besitzer konnte gar nicht glauben, dass da einer vor ihm stand, der Eintritt bezahlen wollte, anstatt nur sein Handy vor einen QR-Code zu halten. Bouldern, Sauna, Krafttraining, Massagen: Die App ist irre beliebt. Doch es gibt auch Kritik an dem Konzept. CEO Moritz Kreppel reagiert hier auf die Vorwürfe.

der Freitag: Herr Kreppel, wie oft gehen Sie die Woche pumpen?

Moritz Kreppel: Ha, guter Einstieg. Ich versuche, einmal pro Woche zum Krafttraining zu gehen, zweimal zum Ausdauersport und dann noch einmal zum Yoga. Aber ich bin da nicht anders als die meisten unserer Mitglieder: In der Realität nehme ich mir häufig mehr vor, als ich dann schaffe.

Es gibt vier verschiedene Mitgliedschaften beim Urban Sports Club: S, M, L und XL. Wer mehr zahlt, kriegt mehr. Welche Mitgliedschaft haben Sie?

Ich habe die L-Mitgliedschaft. Wie alle unsere Mitarbeitenden.

Wie kam es zum Erfolg der App?

Wir sind 2013 mit dem Ziel gestartet, Menschen dazu zu inspirieren, aktiver und gesünder zu leben. Das ist es auch immer noch, was uns antreibt. Fast jede Person, mit der ich rede, sagt: Ach, ich wäre ja gerne aktiver, aber es ist so kompliziert! Diesen Nerv haben wir getroffen, indem wir die Langeweile rausgenommen und die Barrieren abgebaut haben: Du kannst an einem Tag ins Fitnessstudio gehen, am nächsten in die Sauna, im Sommer in den Pool – oder du machst bei einer Laufgruppe mit.

Vorher waren Sie Mitarbeiter bei der grünen Europa-Abgeordneten Helga Trüpel. Wie landet man von da in einem Sport-Start-up?

Es gab noch eine Zwischenstation: Nach Brüssel habe ich drei Jahre in Frankfurt bei der Boston Consulting Group gearbeitet. In der Zeit habe ich meinen Mitgründer Benjamin Roth kennengelernt. Der hatte damals schon ein Start-up, über das man sich zum Fußballspielen verabreden konnte.

Auch eine App?

Nee, das war 2009. Da hat man noch mit Websites gearbeitet. Wir sind dann parallel nach Berlin gezogen und haben gesagt: Lass doch hier was gründen. Am Anfang sind wir mit ausgedruckten Powerpoint-Präsentationen von Studio zu Studio gelaufen und haben gefragt: Was haltet ihr von dem Konzept? Würdet ihr da mitmachen? 2013 sind wir dann mit 25 Studios live gegangen.

Wenig erfolgreich …

Ja. 25 Studios waren nicht ausreichend. Man kennt das doch von sich: Man will einen Club in der Nähe vom Büro, um auch mal in der Mittagspause Sport machen zu können. Dann einen um die Ecke von zu Hause. Das konnten wir mit 25 Anbietern, verteilt über ganz Berlin, noch nicht bieten.

2013 gab es auch noch keine App, oder?

Nein, man hat eine Plastikkarte im Studio vorgezeigt und sich dann in eine Liste eingetragen. Am Monatsende haben die Studios uns die Listen per Mail zugeschickt – oder per Fax. Abhängig davon, wie viele Mitglieder von uns bei ihnen trainiert hatten, haben wir sie bezahlt. 2016 kam dann die App.

Seit wann macht Ihr Unternehmen Gewinn?

Wir sind tatsächlich seit Kurzem profitabel, jedoch noch nicht mit riesigen Summen. Kurz vor Weihnachten konnten wir eine Finanzierungsrunde abschließen, um noch mehr in den Firmenkunden-Bereich investieren zu können. Hat der Freitag da vielleicht Interesse? Sorry, ich bin hier der oberste Salesman ... (lacht).

Weiß nicht, ich bin ja kein Salesman. Man wirft Ihnen ja auch Ausbeutung vor. Ich habe ein Interview mit einer Yogastudio-Betreiberin gelesen, die sagt: Ich bekomme von Urban Sports gerade mal die Hälfte dessen überwiesen, was ich für einen Kurs nehmen würde. Von Dumpingpreisen war die Rede.

Das Interview ist während Corona erschienen und bezog sich auf Online-Kurse, für die wir dauerhaft nicht dieselben Auszahlungen wie für Kurse im Studio zahlen konnten. Auch wir mussten sparen und leider auch viele Leute entlassen.

Trotzdem muss man den Studios ja nicht nur die Hälfte überweisen, oder?

Der Prozentsatz, den wir zahlen, ist von Studio zu Studio individuell. Den genauen Betrag kann ich Ihnen also nicht nennen. Aber was gerne vergessen wird: Wir übernehmen viele Dienstleistungen, die sich die Anbieter sparen können, wenn sie bei uns mitmachen.

Zum Beispiel?

Den Customer Service und das Marketing. Wer bei uns dabei ist, braucht nirgendwo mehr teure Werbung zu schalten: Die Kunden kommen über die App. Wir springen auch bei Zahlungsausfällen ein. Wenn also jemand sagt, unsere Marge liegt bei 50 Prozent, ist das falsch. Man muss die ganzen Kosten, die ein Anbieter unseretwegen nicht hat, berücksichtigen.

Die Yogastudio-Betreiberin hat sich auch über eine Verschwiegenheitsklausel in ihrem Vertrag beschwert: Sie dürfe ihre Kritik nicht öffentlich äußern.

Das stimmt nicht. Die Preise, die wir bezahlen, sind vertraulich – wie es in den meisten Branchen ist. Aber das ist auch das Einzige, worauf sich die Verschwiegenheitsklausel in unseren Verträgen bezieht. Über alles andere wird öffentlich diskutiert.

Verstehe. Das Problem scheint mir aber zu sein: Sie haben viel Marktmacht. In einer großen Stadt wie Berlin kann ein Fitnessstudio-Betreiber nicht mehr darauf verzichten, bei Urban Sports mitzumachen: Sie haben über 100.000 Mitglieder, und die gehen sonst eben woandershin.

Wir haben ja kein Monopol. Es gibt auch einige andere Apps für Fitness, Wellness, für Bouldern und so weiter.

Was nichts an Ihrem Erfolg ändert: Wer Teil des Urban Sports Club ist, dem wird die Bude eingerannt.

Was stört Sie daran?

Ihretwegen ist jedes Fitnessstudio in einer Großstadt wie Berlin ständig überfüllt.

Das kann ich jetzt nicht ganz nachvollziehen. Sie finden, es ist ein Problem, dass die Studios zu voll sind? Sorry, aber das ist ja genau das, wofür wir arbeiten. Übergewicht und Inaktivität sind Zivilisationskrankheiten. Wir wollen, dass es voller wird an den Sportstätten. Wir brauchen halt mehr Studios. Darum geht es. Vor Covid gab es in Deutschland zwölf Millionen Fitnessstudio-Mitglieder. Dann ging es runter auf neun, jetzt sind wir so bei elf. Prozentual betrachtet ist das weniger im Vergleich zu anderen Ländern wie Skandinavien oder England … Warum nur zwölf Millionen und nicht 24 Millionen?

Haben Sie mal mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach geredet? Der ist ja auch für unsere Fitness verantwortlich.

Noch nicht.

Worum würden Sie ihn bitten?

Was ganz klar kommen muss in Deutschland: dass Krankenkassen die Mitgliedschaft in Fitnessstudios bezuschussen. Wenn du nachweist, dass du regelmäßig Sport machst, müssen deine Beiträge gesenkt werden. In den USA gibt es so ein Modell bereits.

Ehrlich gesagt klingt das für mich nach Überwachung.

Damit muss man auf jeden Fall super aufpassen. Gleichzeitig: Wenn man das datenschutzrechtlich sauber hinbekommt, was, glaube ich, möglich ist, dann ist das ein Mehrwert sondergleichen für die Gesellschaft. Dann würden plötzlich Leute trainieren gehen, die das vorher nicht gemacht haben.

An welchen Veränderungen arbeiten Sie zurzeit?

Zwei Sachen werden dieses Jahr auf jeden Fall kommen. Erstens: Ernährungscoachings. Entweder in Form eines Shakes, den man für einen Aufpreis nach dem Training bekommt, oder indem der Personal Trainer einem individuell einen Ernährungsplan zusammenstellt. Das haben viele Studios im Moment schon drin in ihrem Angebot, aber eben noch nicht für Urban-Sports-Club-Mitglieder. Zweitens: Wir wollen den Schlaf der Menschen verbessern.

Wie das?

Meditationsangebote wie Klangkurse gab es von Anfang an bei uns. Solche mentalen Sachen werden immer mehr genutzt. Wenn wir es schaffen, da weiterzukommen, ist das ein weiterer nachhaltiger Einfluss auf unsere Gesellschaft. Sie sehen, wir denken Gesundheit holistisch: sportlich, mental, ernährungsbiologisch.

Gerade war Neujahr. Gut für Sie?

Mal sehen, wie viele Neumitglieder wir im Januar bekommen – aber normalerweise ist das verteilter. Viele kommen auch im Sommer, wegen der Schwimmbäder.

Moritz Kreppel (42 Jahre alt) ist Mitbegründer der Multisport-App Urban Sports Club und deren Geschäftsführer. Das 2012 gegründete Unternehmen umfasst zurzeit über 10.000 Sportstätten in neun europäischen Ländern

QOSHE - Im Gespräch | Urban-Sports: „Inaktivität macht krank. Wir bringen die Leute zum Sport!“ - Dorian Baganz
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Im Gespräch | Urban-Sports: „Inaktivität macht krank. Wir bringen die Leute zum Sport!“

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02.01.2024

Kürzlich in der Gewölbesauna im Berliner Prenzlauer Berg: „Wie, du bist ein echter Kunde, der mit barem Geld bezahlt? Du kommst nicht vom Urban Sports Club?“ Der Besitzer konnte gar nicht glauben, dass da einer vor ihm stand, der Eintritt bezahlen wollte, anstatt nur sein Handy vor einen QR-Code zu halten. Bouldern, Sauna, Krafttraining, Massagen: Die App ist irre beliebt. Doch es gibt auch Kritik an dem Konzept. CEO Moritz Kreppel reagiert hier auf die Vorwürfe.

der Freitag: Herr Kreppel, wie oft gehen Sie die Woche pumpen?

Moritz Kreppel: Ha, guter Einstieg. Ich versuche, einmal pro Woche zum Krafttraining zu gehen, zweimal zum Ausdauersport und dann noch einmal zum Yoga. Aber ich bin da nicht anders als die meisten unserer Mitglieder: In der Realität nehme ich mir häufig mehr vor, als ich dann schaffe.

Es gibt vier verschiedene Mitgliedschaften beim Urban Sports Club: S, M, L und XL. Wer mehr zahlt, kriegt mehr. Welche Mitgliedschaft haben Sie?

Ich habe die L-Mitgliedschaft. Wie alle unsere Mitarbeitenden.

Wie kam es zum Erfolg der App?

Wir sind 2013 mit dem Ziel gestartet, Menschen dazu zu inspirieren, aktiver und gesünder zu leben. Das ist es auch immer noch, was uns antreibt. Fast jede Person, mit der ich rede, sagt: Ach, ich wäre ja gerne aktiver, aber es ist so kompliziert! Diesen Nerv haben wir getroffen, indem wir die Langeweile rausgenommen und die Barrieren abgebaut haben: Du kannst an einem Tag ins Fitnessstudio gehen, am nächsten in die Sauna, im Sommer in den Pool – oder du machst bei einer Laufgruppe mit.

Vorher waren Sie Mitarbeiter bei der grünen Europa-Abgeordneten Helga Trüpel. Wie landet man von da in einem Sport-Start-up?

Es gab noch eine Zwischenstation: Nach Brüssel habe ich drei Jahre in Frankfurt bei der Boston Consulting Group gearbeitet. In der Zeit habe ich meinen Mitgründer Benjamin Roth kennengelernt. Der hatte damals schon ein Start-up, über das man sich zum Fußballspielen verabreden konnte.

Auch eine App?

Nee, das war 2009. Da hat man noch mit Websites gearbeitet.........

© der Freitag


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