Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat eine neue Talkshow, allerdings soll sie, darauf hat die Gastgeberin, Caren Miosga, vorab bestanden, „Gesprächssendung“ genannt werden. Kein Krawall, das ist die Devise, die sie in diversen Interviews ausgegeben hat. Und das ist, so viel kann man über die Premierensendung sagen, geglückt. Die erste Ausgabe von „Caren Miosga“ am Sonntagabend war so krawallfrei, wie ein Fernsehtalk zu politischen Themen wohl nur sein kann. Kein Gezicke und Ins-Wort-Gefalle zwischen Vertreterinnen und Vertretern konkurrierender Parteien, wie es nicht nur in „hart aber fair“ lange zum Standard gehörte. Kein inszeniertes Beharren auf Skandalisierbarem, wie es Markus Lanz immer wieder einmal praktiziert.

Man sah: ein Gespräch mit einem Hauptgast, dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, das kuschelig zu nennen etwas gemein wäre; aber auseinandergenommen wurde er von Miosga nun wahrlich nicht. Zwischendurch kam vorübergehend fast der Eindruck auf, der Talk „Beckmann“ sei mit neuer Moderatorin zurückgekehrt, auch wegen der Studio-Möblierung mit einem Tisch, der ein recht zugewandtes Gespräch ermöglicht. Später kamen zwei weitere Gäste hinzu, die „Zeit“-Journalistin Anne Hähnig und der Soziologie-Professor Armin Nassehi. Es war keine Diskussion, die man ohne Weiteres in Schnipsel zerlegen kann, um damit auf Social-Media-Plattformen Reichweite zu provozieren.

Nun ist die angestrebte Krawallfreiheit allerdings noch kein Alleinstellungsmerkmal. Auch Anne Will, Miosgas Vorgängerin auf dem Sonntagabend-Gesprächsplatz der ARD, hat in den vergangenen Jahren die Produktion von Sparringskämpfen zunehmend hintenan gestellt. Es hat sich in den vergangenen Jahren auf den Talkplätzen in dieser Hinsicht generell etwas getan. Kategorien wie „Krawallbude“, „Ersatzparlament“ und „Kasperletheater“, die mit Talks verbunden wurden und werden, stammen alle aus etwas älteren Zeiten und haben leichte Abnutzungserscheinungen. Die heutigen Formate beschreiben sie nicht mehr gut, zumindest nicht pauschal. Die entscheidende Frage ist eher, was eine Sendung zum politischen Diskurs beiträgt; ob ein Gespräch erhellend ist.

Miosgas Eingangseinzelgespräch mit Friedrich Merz erhellte jedenfalls erst einmal nichts. Er verweigerte mindestens vier Mal eine Antwort auf die mit jedem Mal uninteressantere Frage, ob er Kanzlerkandidat der Union werde. Er sprach für seine Verhältnisse wohlwollend über Angela Merkel, aber auch nicht zu wohlwollend. Er bezeichnete die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus und die AfD als „äußerst ermutigend“. Er sagte einmal das Wort „Kernfusion“, ließ dann aber bemerkenswert schnell davon ab, sie als Lösung aller Energieprobleme zu verkaufen. Und er hatte offensichtlich auch sonst nicht vor, eine Schlagzeile zu produzieren. Er behauptete nicht, wie kürzlich, Asylbewerber würden sich in Deutschland die Zähne machen lassen, und schimpfte auch nicht wieder über „kleine Paschas“. Er machte nicht einmal die Regierung alleinverantwortlich für das Umfragehoch der AfD. Man erfuhr vor allem, dass er bei offenem Fenster schläft. Und für die Produktion solcher Erkenntnisse sind höchstens die bunten Freitags-Smalltalks in den Dritten Programmen der ARD zuständig.

Dennoch war das Potenzial des Formats erkennbar. Die Konzentration auf den Umgang der CDU mit der AfD und der Linken im zweiten Teil des Talks tat der Sendung gut. Ebenso die Konfrontation des CDU-Vorsitzenden mit seinen Zuspitzungen in der Asyl- und Migrationsdebatte. Denn Miosga wollte auf etwas anderes hinaus als auf eine bloße Wiederholung; es ging nicht darum, die Empörung darüber noch einmal neu zu entfachen. Es ging vielmehr darum, zu zeigen, warum und wie genau solche Äußerungen zu diesem Thema der AfD in die Hände spielen würden.

Armin Nassehi führte aus, dass zu den zentralen Erzählungsbausteinen der AfD neben der „nationalstaatlichen Abschottung“ (Hähnig) die „Inkompetenzunterstellung“ gehöre. Die AfD behaupte, wichtige Fragen könnten von den anderen Parteien nicht gelöst werden, und man diskutiere das dann an „Themen, die leicht affizierbar sind“. Man ging mit seiner gut entwickelten These ins Bett, Migration sei nicht wirklich das politische Hauptthema, werde aber derzeit so behandelt. Dass Merz nicht widersprach, war auch nicht uninteressant.

Was bleibt von der ersten Ausgabe „Caren Miosga“ ist der Eindruck, dass man hier und da gewiss noch an Schrauben drehen kann. Es gab Kinkerlitzchen mit einer Requisite und zu viele kleine Themen im Merz-Gespräch, von denen keines wirklich zufriedenstellend zu Ende besprochen wurde. Aber die nüchterne Form des Streits, zu der die Sendung am Ende fand: Die hatte was.

Caren Miosga: Merz richtet die CDU neu aus – Wird Deutschlands Zukunft konservativ? Das Erste, 21.01.2024

QOSHE - Meinung | „Caren Miosga“-Debüt im Ersten: Ein gutes Gespräch mit Friedrich Merz - Klaus Raab
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Meinung | „Caren Miosga“-Debüt im Ersten: Ein gutes Gespräch mit Friedrich Merz

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22.01.2024

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen hat eine neue Talkshow, allerdings soll sie, darauf hat die Gastgeberin, Caren Miosga, vorab bestanden, „Gesprächssendung“ genannt werden. Kein Krawall, das ist die Devise, die sie in diversen Interviews ausgegeben hat. Und das ist, so viel kann man über die Premierensendung sagen, geglückt. Die erste Ausgabe von „Caren Miosga“ am Sonntagabend war so krawallfrei, wie ein Fernsehtalk zu politischen Themen wohl nur sein kann. Kein Gezicke und Ins-Wort-Gefalle zwischen Vertreterinnen und Vertretern konkurrierender Parteien, wie es nicht nur in „hart aber fair“ lange zum Standard gehörte. Kein inszeniertes Beharren auf Skandalisierbarem, wie es Markus Lanz immer wieder einmal praktiziert.

Man sah: ein Gespräch mit einem Hauptgast, dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, das kuschelig zu nennen etwas gemein wäre; aber auseinandergenommen wurde er von Miosga nun wahrlich nicht. Zwischendurch kam vorübergehend fast der Eindruck auf, der Talk „Beckmann“ sei mit neuer Moderatorin zurückgekehrt, auch wegen der Studio-Möblierung mit einem Tisch, der ein recht zugewandtes Gespräch ermöglicht. Später kamen zwei weitere Gäste hinzu, die „Zeit“-Journalistin........

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