Wäre ich noch 18 Jahre alt, wäre der 1. April dieses Jahres für mich und meine Freunde kein gewöhnlicher Tag geblieben. Wir hätten vermutlich geplant, zum See zu fahren, irgendjemand hätte ein kleines Einmachglas mit grünen Blüten dabeigehabt, und der Rest des Tages wäre in weißem Rauch, debilem Kichern, Musik und dem beständigen Rascheln von Salzgebäck- und Fruchtgummitüten entschwunden. Es wäre herrlich gewesen, und obendrein würde uns den harmlosen Spaß noch nicht einmal jemand verbieten können – und das in Deutschland!

Ab dem 1. April 2024 soll nun das Cannabisgesetz (CanG) in Kraft treten. Das ist ein Meilenstein für die Drogenpolitik in Deutschland, jenem Land, in dem einst eine CSU-Bundesdrogenbeauftragte ironischerweise recht bekifft klang, als sie verlauten ließ, Cannabis sei „verboten, weil es illegal ist“. Nun wird Cannabis bald erlaubt sein, weil es legal ist. Unter anderem gilt: Ab dem 1. April 2024 dürfen Erwachsene 25 Gramm zum Eigenkonsum besitzen, drei Pflanzen anbauen und legal in der Öffentlichkeit konsumieren, solange ein Abstand zu Schulen und Sportstätten gewahrt wird.

Kiffer werden jubilieren, aber womöglich möchten nun auch Menschen Cannabis konsumieren, die das vorher noch nie getan haben. Medien haben da eine Verantwortung, hier deswegen ein paar gewissenhaft recherchierte, grüne Handreichungen:

Zunächst: Nicht jeder mag Cannabis. Viele Menschen schätzen die leicht rührselig machende Wirkung eines Glas Weins, den Dopaminschuss nach einem Stück Schokolade oder den Adrenalinrausch einer Achterbahnfahrt – aber Cannabis können sie nichts abgewinnen. Das ist verständlich, denn die Droge wirkt komplex und teils von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Sie kann entspannt, fröhlich, ein bisschen dumm, kreativ oder redselig machen; sie kann aber auch nervöse, ängstliche oder schlimmstenfalls psychotische Zustände hervorrufen. Insbesondere Menschen, die affin für psychische Erkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen sind, sollten mit der Droge vorsichtig umgehen.

Cannabis kann keine starken Halluzinationen hervorrufen wie etwa LSD, aber es bleibt eine psychoaktive Droge. Die Blüten der weiblichen Hanfpflanze enthalten eine Vielzahl an Wirkstoffen, von denen das Tetrahydrocannabinol (THC) zu den dominantesten gehört. Entscheidend für die Qualität des Rausches sind die Konsumform und der THC-Gehalt. Früher enthielten Cannabissorten einstellige Prozentwerte THC, heute sind 15 bis 20 Prozent nicht unüblich. Zwar kann man Cannabis nach allen Erkenntnissen – anders als etwa Alkohol – nicht lebensgefährlich überdosieren, ein zu starker Rausch kann sich dennoch sehr unangenehm anfühlen. Regelmäßige Konsument*innen bauen eine Toleranz auf, ohne diese wirken auch wenige Milligramm THC spürbar.

Der Markt unterscheidet zwischen Sativa- und Indica-Sorten. Es handelt sich dabei um Wuchstypen der Pflanze, denen eine unterschiedliche Wirkung nachgesagt wird. Indica-Gras soll eher entspannend wirken (Eselsbrücke: In-die-Couch), Sativa eher belebend. Wissenschaftlich ist das allerdings umstritten, zudem gibt es auf dem Cannabismarkt heute viele gekreuzte Hybride. Sorten wie Lemon Haze, White Whidow oder Cookies Kush unterscheiden sich etwas in ihrer Wirkung, stärker in Geruch und Geschmack.

Für die Intensität der Wirkung ist die Konsumform entscheidender: Die meisten Menschen kennen Cannabis im langen Blättchen, als Joint. Manchmal werden die zerkleinerten Blüten pur geraucht, was bei hohen THC-Gehalten für viele Menschen zu stark wirkt. Eine bessere Dosierung erlaubt die Mischung von Cannabis mit Tabak, allerdings bringt dies alle üblichen Begleiterscheinungen mit sich. Dazu nur so viel: Nikotin hat laut aktuellen Erkenntnissen ein wesentlich höheres Suchtpotenzial als Cannabis.

Unschädlicher ist der Konsum im sogenannten Vaporizer. In diesen Geräten wird das Pflanzenmaterial bei sehr hohen Temperaturen verdampft, was nicht nur effektiver und für Nichtraucher*innen angenehmer ist, sondern durch die ausbleibende Verbrennung viele krebserregende Stoffe gar nicht erst entstehen lässt. Aus diesem Grund werden Vaporizer auch häufig von Menschen genutzt, die aus medizinischen Gründen Cannabis konsumieren. Mittlerweile gibt es die Geräte im Hosentaschenformat, aber sie sind teuer.

Eine weitere Alternative ist das Konsumieren von Cannabis in Lebensmitteln. Kekse, Pralinen, Cracker, Kakao – fast überall lässt sich die Pflanze verarbeiten und anschließend schnabulieren. Aber: Die Wirkstoffe müssen erst freigesetzt werden, eh die Zutat mehr tut, als eigenartig zu schmecken; etwa, indem man die Blüten zunächst in heißem Öl sieden lässt.

Nie werde ich vergessen, wie sich ein guter Freund auf einer Fahrt in den gemeinsamen Urlaub an der falschen von zwei mit Brownies gefüllten Dosen genüsslich verging – was etwas später den Rest des Tages für immer aus seiner Erinnerung löschte. Die Wirkung von gegessenem Cannabis setzt stark verzögert ein und ist effektiver. Also: gering dosieren, mindestens 90 Minuten warten, dann entscheiden. Lieber nicht: Die Wartezeit mit einem Drink überbrücken. Mischkonsum von Cannabis mit anderen Drogen wie Alkohol hat schon so manchen netten Abend über der Kloschüssel enden lassen.

Apropos entscheiden: Jede Tätigkeit, die Konzentration oder ein intaktes Urteilsvermögen voraussetzt, gilt es unter THC-Einfluss besser zu unterlassen. Auch nach dem Rausch kann etwa die Teilnahme am Straßenverkehr kritisch sein: Cannabis wirkt zwar allerhöchstens wenige Stunden, ist aber bis zu drei Tage im Blut und mehrere Monate im Urin oder in den Haaren nachweisbar. Welcher THC-Grenzwert künftig für das Führen von Kraftfahrzeugen angemessen ist, das soll laut CannG „auf wissenschaftlicher Basis“ untersucht werden. Aktuell liegt er bei einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum.

Wie jede psychoaktive Droge beeinflusst Cannabis so ziemlich alle Aspekte des psychischen Systems. Einige Menschen nehmen Geräusche, Farben, Gerüche und Geschmäcker intensiver oder verändert wahr, auf viele wirkt es schmerzlindernd und appetitanregend. Andere glauben, dass Cannabis sie kreativer mache. Ich empfehle die Hemingway nachgesagte Formel „write drunk, edit sober“: Meistens stellt sich der geniale Einfall bei nüchterner Wiedervorlage als nicht ganz so genial raus (manchmal aber schon). Oft verstärkt Cannabis schlicht die Stimmung, daher sollte man damit am besten etwas tun, was einen auch nüchtern glücklich machen würde – einen Film schauen, Musik hören, ein gutes Gespräch führen.

Zum richtigen Anbauen von Hanfpflanzen – auch das ist ab 1. April erlaubt – gibt es nicht ohne Grund viel Material. Was es hierzu zu sagen gäbe, würde den Rahmen deutlich sprengen und wäre, noch für ein paar Monate, zudem eine Anleitung zur Straftat. Nur so viel: Hanf wächst ohne viel Zutun, auch in unserer Klimazone, aber wer viel und guten Ertrag will, betreibt schnell eine kleine Wissenschaft.

Zu guter Letzt: Cannabis ist und bleibt eine Droge, ob legal oder nicht. Die vergleichsweise harmlose Pflanze kann süchtig machen und ist in der Lage, Leben langfristig zu beschädigen. Was aus dieser Information folgt, bleibt zum Glück demnächst jedem selbst überlassen.

QOSHE - Cannabis-Konsum | Krasse Farben, Geräusche und Gekicher: Anleitung zum legalen Kiffen - Konstantin Nowotny
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Cannabis-Konsum | Krasse Farben, Geräusche und Gekicher: Anleitung zum legalen Kiffen

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29.02.2024

Wäre ich noch 18 Jahre alt, wäre der 1. April dieses Jahres für mich und meine Freunde kein gewöhnlicher Tag geblieben. Wir hätten vermutlich geplant, zum See zu fahren, irgendjemand hätte ein kleines Einmachglas mit grünen Blüten dabeigehabt, und der Rest des Tages wäre in weißem Rauch, debilem Kichern, Musik und dem beständigen Rascheln von Salzgebäck- und Fruchtgummitüten entschwunden. Es wäre herrlich gewesen, und obendrein würde uns den harmlosen Spaß noch nicht einmal jemand verbieten können – und das in Deutschland!

Ab dem 1. April 2024 soll nun das Cannabisgesetz (CanG) in Kraft treten. Das ist ein Meilenstein für die Drogenpolitik in Deutschland, jenem Land, in dem einst eine CSU-Bundesdrogenbeauftragte ironischerweise recht bekifft klang, als sie verlauten ließ, Cannabis sei „verboten, weil es illegal ist“. Nun wird Cannabis bald erlaubt sein, weil es legal ist. Unter anderem gilt: Ab dem 1. April 2024 dürfen Erwachsene 25 Gramm zum Eigenkonsum besitzen, drei Pflanzen anbauen und legal in der Öffentlichkeit konsumieren, solange ein Abstand zu Schulen und Sportstätten gewahrt wird.

Kiffer werden jubilieren, aber womöglich möchten nun auch Menschen Cannabis konsumieren, die das vorher noch nie getan haben. Medien haben da eine Verantwortung, hier deswegen ein paar gewissenhaft recherchierte, grüne Handreichungen:

Zunächst: Nicht jeder mag Cannabis. Viele Menschen schätzen die leicht rührselig machende Wirkung eines Glas Weins, den Dopaminschuss nach einem Stück Schokolade oder den Adrenalinrausch einer Achterbahnfahrt – aber Cannabis können sie nichts abgewinnen. Das ist verständlich, denn die Droge wirkt komplex und teils von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Sie kann entspannt, fröhlich, ein bisschen dumm, kreativ oder redselig machen; sie kann........

© der Freitag


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