Nordkoreas Führer Kim Jong- un hat vor dem Parlament in Pjöngjang einer Fusion mit der Republik im Süden eine ultimative Absage erteilt. Er hält künftig auch jede Annäherung für ausgeschlossen. Das ist nachvollziehbar. Zu sehr haben Jahrzehnte der Feindseligkeit – von wenigen Episoden der Fühlungnahme während der „Sonnenscheinpolitik“ im Jahr 2000 abgesehen – die beiden koreanischen Gesellschaften auseinanderdriften lassen. Kann zusammenwachsen, was nicht zusammengehört?

Deutschlands Einheit war in dieser Hinsicht so eindeutig nicht. Die auf der koreanischen Halbinsel gängige Spielart des Ost-West-Konflikts besteht in einem starken Süd-Nord-Gefälle. Eine Parität von Partnern, sollten sich Pjöngjang und Seoul je als solche betrachten, verheißt das nicht.

Die Streichel- und Schmeicheleinheiten des US-Präsidenten Donald Trump haben den Systemgegensatz bei den Gipfeltreffen mit Kim Jong-un – 2018 in Singapur und 2019 in Hanoi – gekonnt überspielt. Nur ließ sich weder weglächeln noch wegtätscheln, dass Nordkoreas Staatschef einen Deal serviert bekam, der nicht eben seriös wirkte. Trumps Angebot, tausche deine jetzige Nuklear- gegen künftige Wirtschaftsmacht, lief auf Selbstentblößung hinaus. Der Lockruf blieb die Ansage schuldig: Selbstverständlich werden dann die Sanktionen kassiert. Und falls ihr wirklich abrüstet, übernehmen die USA wirksame Sicherheitsgarantien für Nordkoreas Existenz als Staat.

Joe Biden kam auf Trumps Nordkorea-Offerten nie zurück. Die systemische Rivalität mit China erwies sich als zu anspruchsvoll. Sie dürfte für Kim Jong-un nun ein Anstoß gewesen sein, sich klarer als bisher zu verorten und bei den alten Verbündeten China sowie Russland mehr Rückhalt zu finden.

Was er dabei womöglich opfert, ist nicht wenig. Die Dschutsche-Ideologie seines Großvaters, des Staatsgründers Kim Il-sung, propagierte die Souveränität des Nationalstaates bis hin zu Autarkie. Dafür sollte kein Preis zu hoch sein, und sei es eine weitgehende Autonomie von den Schutzmächtigen in Peking. Ohne diese Doktrin, die stets half, sich von Südkorea abzugrenzen, gäbe es kein Atomprogramm. An seinen Raketen festzuhalten, fällt Kim Jong-un umso leichter, je konfrontativer die Verhältnisse zwischen Korea und Korea ausfallen.

QOSHE - Analyse | Nordkorea: Staatschef Kim Jong-un sagt eine Vereinigung mit dem Süden ab - Lutz Herden
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Analyse | Nordkorea: Staatschef Kim Jong-un sagt eine Vereinigung mit dem Süden ab

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25.01.2024

Nordkoreas Führer Kim Jong- un hat vor dem Parlament in Pjöngjang einer Fusion mit der Republik im Süden eine ultimative Absage erteilt. Er hält künftig auch jede Annäherung für ausgeschlossen. Das ist nachvollziehbar. Zu sehr haben Jahrzehnte der Feindseligkeit – von wenigen Episoden der Fühlungnahme während der „Sonnenscheinpolitik“ im Jahr 2000 abgesehen – die beiden koreanischen Gesellschaften auseinanderdriften lassen. Kann zusammenwachsen, was nicht zusammengehört?

Deutschlands Einheit war in dieser Hinsicht so eindeutig nicht. Die auf der........

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