In Berlin rauchen wieder die Köpfe. Die Ampel versucht weiterhin, ihre mühselig erreichte Haushaltseinigung zusammenzuhalten. Dass sie dabei fast eine Milliarde an Subventionen für Bauern wegstreichen wollte, hat zu dermaßen großem Unmut geführt, zu Wut und Gehupe und wütenden Traktordemonstrationen, dass die Ampel ihre Pläne noch mal überdenkt. Das ist nicht leicht, und es dauert, für die gestrichenen 440 Millionen Euro für den Agrardiesel und die 480 Millionen Euro an gestrichener Kfz-Steuerbefreiung Ersatz zu finden, wie gesagt, fast eine Milliarde insgesamt.

Das Bild relativiert sich aber doch etwas, wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung 1.000 oder sogar 2.000 mal so viel Geld für ein Rüstungsprojekt ausgeben könnte. Was vielleicht auch daran liegt, dass sie den wahren Umfang der Kosten für das „Future Combat Air System“ kleinredet und viel zu niedrig ansetzt. Eine neue Studie von Greenpeace, die dem Freitag exklusiv vorab vorlag, hat die Kosten für das Rüstungsprojekt „Future Combat Air System“ über den Lebenszyklus der darin enthaltenen Flugzeuge, Drohnen und Cloudsysteme mit samt der Unterhaltungskosten berechnet. Sie kommt auf einen Betrag, der nicht nur zehnmal höher als bisherige Schätzungen liegt, sondern sogar so groß ist, dass es schwierig ist, sich ihn überhaupt vorzustellen: Eine oder sogar zwei Billionen Euro könnte das Luftwaffensystem der Zukunft bis 2070 kosten.

Das FCAS ist Europas größtes Rüstungsprojekt. Es ist als „Systems of systems“ geplant, also als Integration und Steuerung von verschiedenen Komponenten, deren wichtigste das Next Generation Weapon Systems (NGWS) und der Next Generation Fighter (NGF) sind, das Nachfolgesystem für die französischen Kampfflugzeuge Rafale und die deutschen und spanischen Eurofighter. Dabei geht es um Kampfjets der sechsten Generation, die mit unbemannten Flugzeugen zusammenwirken sollen und irgendwann sogar überhaupt keine Piloten mehr erfordern sollen.

Im FCAS sollen Kampfflugzeuge und Transportflugzeuge mit autonomen Waffensystemen, also Kampfrobotern und Drohnen, kombiniert werden, es umfasst Cloud-Steuerungssysteme für Drohnen, die von Kampfflugzeugen aus starten können. Ausgeführt werden soll das Rüstungsprojekt von dem französischen Rüstungsunternehmen Dassault, dem europäischen Rüstungsriese Airbus, wobei hauptsächlich deutsche und spanische Produktionsstätten des Unternehmens involviert sind, und dem spanischen Unternehmen Indra.

2017 wurde das FCAS Projekt auf einem Treffen des deutsch-französischen Ministerrates angestoßen, 2018 schlossen Dassault Aviation und Airbus Defence and Space eine gemeinsame Vereinbarung über die Entwicklung eines FCAS. 2019 wurde von den französischen und deutschen Verteidigungsministerien der erste Auftrag vergeben, bis 2021 eine Konzeptstudie zu erstellen. Spanien und Belgien beschlossen, dem Projekt beizutreten, was zu einigen Schwierigkeiten in der Abstimmung und möglichen Vergabe von Aufträgen führte. Der erste Meilenstein in der Entwicklung des Projekts soll 2025 erreicht werden, wenn die Demonstratorphase 1B abgeschlossen werden soll, die auf die Konzeptionsphase folgte. Mit einem Abschluss des Projekts ist erst in 20 Jahren oder mehr zu rechnen, angepeilt ist 2045, aber Verzögerungen wären wenig überraschend.

Medienberichte schätzen die Entwicklungskosten des FCAS auf 80 bis 100 Milliarden Euro. Außen vor bleiben die erheblichen Unterhaltskosten, die den Großteil der Gesamtkosten ausmachen – schlicht, weil diese Zahlen von Politik und Industrie in Deutschland nicht vorgelegt beziehungsweise überhaupt nicht bestimmt werden.

Die Greenpeace Studie „Flug ins Ungewisse“ rechnet nun vor, wie hoch die Kosten des FCAS werden könnten. Der Autor der Studie, Marius Pletsch von der Informationsstelle Militarisierung e.V., stützt sich dabei auf Berechnungsmethoden des US-amerikanischen Government Accountability Office (GAO) und arbeitet Vergleichsdaten von anderen komplexen militärischen Rüstungsprojekten in ihre Studie ein, etwa die Kosten für die Entwicklung des Eurofighter.

Um die Gesamtkosten zu errechnen, gilt es, alle Phasen des Lebenszyklus eines Waffensystems zu erfassen: Forschung und Entwicklung; Beschaffung; Betrieb und Unterhalt; und Entsorgung.

Der Betriebsrat von Airbus geht von Gesamtkosten im Umfang von 300 Milliarden Euro aus (für Entwicklung und Beschaffung), das Handelsblatt taxiert die Gesamtkosten auf 500 Milliarden Euro bis 2050. Doch die Greenpeace-Studie schätzt, dass das FACS in einem „Kostenkorridor der Lebenszykluskosten“ zu liegen kommen wird, der zwischen 1,1 Billionen Euro und 2 Billionen Euro beträgt. Pletsch geht davon aus, dass das FCAS mindestens bis in die 2070er Jahre Kosten verursachen wird.

Der Haushaltsstreit der Ampel wirkt auf einmal sehr klein, wenn man bedenkt, dass sich Grüne, FDP und SPD um winzige Beträge streiten, die den Bauern bei der Bewahrung der Landschaft und dem Erzeugen von Lebensmitteln helfen, und zugleich das Tausendfache davon veranschlagen müssen, um ein Kampfflugzeug zu entwickeln, von dem man nur hoffen kann, dass es selten oder sogar gar nie zum Einsatz kommt.

QOSHE - Aufrüstung | Bis zu 2 Billionen Euro: Kosten für das Kampfflugzeug der Zukunft drohen zu explodieren - Pepe Egger
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Aufrüstung | Bis zu 2 Billionen Euro: Kosten für das Kampfflugzeug der Zukunft drohen zu explodieren

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21.12.2023

In Berlin rauchen wieder die Köpfe. Die Ampel versucht weiterhin, ihre mühselig erreichte Haushaltseinigung zusammenzuhalten. Dass sie dabei fast eine Milliarde an Subventionen für Bauern wegstreichen wollte, hat zu dermaßen großem Unmut geführt, zu Wut und Gehupe und wütenden Traktordemonstrationen, dass die Ampel ihre Pläne noch mal überdenkt. Das ist nicht leicht, und es dauert, für die gestrichenen 440 Millionen Euro für den Agrardiesel und die 480 Millionen Euro an gestrichener Kfz-Steuerbefreiung Ersatz zu finden, wie gesagt, fast eine Milliarde insgesamt.

Das Bild relativiert sich aber doch etwas, wenn man bedenkt, dass die Bundesregierung 1.000 oder sogar 2.000 mal so viel Geld für ein Rüstungsprojekt ausgeben könnte. Was vielleicht auch daran liegt, dass sie den wahren Umfang der Kosten für das „Future Combat Air System“ kleinredet und viel zu niedrig ansetzt. Eine neue Studie von Greenpeace, die dem Freitag exklusiv vorab vorlag, hat die Kosten für das Rüstungsprojekt „Future Combat Air System“ über den Lebenszyklus der darin enthaltenen Flugzeuge, Drohnen und Cloudsysteme mit samt der Unterhaltungskosten berechnet. Sie kommt auf einen Betrag, der nicht nur zehnmal höher als bisherige Schätzungen liegt,........

© der Freitag


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