Lange galt dieses Land als „Leuchtturm der Demokratie“ in Afrika, obwohl der 2019 zuletzt gewählte Präsident Chérif Macky Sall in jenem Jahr ohne Begründung den Ministerpräsidenten samt Kabinett entließ. Er konnte so den Staat eine Weile allein führen. Von den östlichen Nachbarstaaten, die von Militärs regiert werden, hob sich Senegal dennoch vorteilhaft ab. Was auch daran lag, dass das Land von bewaffneten dschihadistischen Meutereien eher verschont blieb. Doch da Sall wachsende soziale Spannungen zu verantworten hatte, erhofften sich viele Senegalesen einen politischen Wechsel nach der Anfang April regulär endenden Amtszeit dieses Staatschefs. Freilich korrespondierte das mit Befürchtungen, der werde sich stattdessen für ein drittes Mandat rüsten. Vorspiel waren Repressionen gegen politische Konkurrenten und massive Polizeieinsätze gegen Demonstranten.

Und tatsächlich – wenige Stunden vor dem offiziellen Beginn des Wahlkampfs – wartete Sall mit der überraschenden Ankündigung auf, dass die auf den 25. Februar festgelegte Abstimmung auf den 15. Dezember verschoben werde. Man konnte darin unschwer den Versuch erkennen, weiter an der Macht zu bleiben. Analysten sprachen vom „ersten Staatsstreich gegen die Verfassung in Senegal“ seit der Unabhängigkeit von 1960. Nur hatte Sall seine Rechnung ohne die senegalesische Zivilgesellschaft gemacht. Obwohl sie bei Demonstrationen in den vorangegangenen Monaten schon Opfer von Polizeigewalt zu beklagen hatte, erzwang sie durch öffentlichen Protest, dass die beiden wichtigsten Oppositionspolitiker Ousmane Sonko und Bassirou Diomaye Faye am 15. März freigelassen wurden. Auch ist die Wahl nun auf den 24. März festgelegt. Sall gab bekannt, er wolle nicht wieder kandidieren und werde sein Amt gemäß der Verfassung abgeben.

Ousmane Sonko, der bereits 2019 gegen Sall kandidiert hat, wäre ein aussichtsreicher Bewerber, würde gegen ihn nicht die Justiz ermitteln. Die Anklage, nach der er die Angestellte eines Massagesalons in Dakar sexuell missbraucht haben soll, ist zwar fallengelassen worden, doch sind andere Verfahren weiterhin anhängig, sodass er nicht selbst kandidieren, sondern nur den Wahlkampf von Bassirou Diomaye Faye unterstützen kann. Dieser muss sich keinem Prozess mehr stellen und ist in jeder Hinsicht rehabilitiert. Sollte er gewählt werden und Sonkos Linie folgen, stünde Senegal ein politischer Strategiewechsel bevor, der dem Wandel in der regionalen Nachbarschaft wie in Mali, Niger, Burkina Faso oder Guinea ähnlich wäre.

Sonkos Partei Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit (PASTEF) präsentiert sich als „alternativer Pol des Bruchs mit dem existierenden neokolonialen System“. Mit den Jahren veröffentlichte Sonko immer wieder Dokumente, die ausbeuterische und umweltschädliche Handlungsweisen multinationaler Konzerne nachgewiesen haben. In einigen Fällen sah sich die Regierung Sall gezwungen, Verträge nachzuverhandeln. Sonko bezeichnet außerdem die mit dem Euro verknüpfte und in der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS genutzte Währung des CFA-Franc als weitgehend dysfunktional. Nach seiner Freilassung dazu befragt, sagte er, dass schnelle Korrekturen nicht möglich seien. Wenn man etwas verändern wolle, setze das voraus, grundlegende Strukturprobleme in der ECOWAS-Community mit immerhin zwölf Mitgliedsländern zu lösen. Die Bereitschaft dazu ist in der Staatengruppe sehr unterschiedlich ausgeprägt und stark von der Führungsmacht Nigeria abhängig. Zudem wurde bisher noch nicht endgültig entschieden, wie mit den im Januar verkündeten ECOWAS-Austritten Burkina Fasos, Nigers und Malis umgegangen wird.

Senegals scheidender Präsident Macky Sall hatte sich um chinesische Infrastrukturprojekte bemüht und versucht, gute Beziehungen mit Russland zu pflegen. Umso mehr befürchtet derzeit besonders Frankreich, dass sein bislang noch großer wirtschaftlicher und politischer Einfluss in Senegal schwindet, sollte es wirklich zum Strategiewechsel kommen, auch wenn der sich zunächst auf die Reparatur innenpolitischer Defizite konzentrieren dürfte. Auf seiner von begeisterten Anhängern begleiteten, kurzfristig anberaumten Wahlkampftournee verkündete Faye, dass die vernachlässigte und lange aufständische Südprovinz Casamance unter seiner Regierung zügig mit Hilfen bedacht werde. Sie könne mit einer deutlichen Aufwertung rechnen.

QOSHE - Afrika | Senegal: Was folgt nach Macky Salls Abtreten? - Sabine Kebir
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Afrika | Senegal: Was folgt nach Macky Salls Abtreten?

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24.03.2024

Lange galt dieses Land als „Leuchtturm der Demokratie“ in Afrika, obwohl der 2019 zuletzt gewählte Präsident Chérif Macky Sall in jenem Jahr ohne Begründung den Ministerpräsidenten samt Kabinett entließ. Er konnte so den Staat eine Weile allein führen. Von den östlichen Nachbarstaaten, die von Militärs regiert werden, hob sich Senegal dennoch vorteilhaft ab. Was auch daran lag, dass das Land von bewaffneten dschihadistischen Meutereien eher verschont blieb. Doch da Sall wachsende soziale Spannungen zu verantworten hatte, erhofften sich viele Senegalesen einen politischen Wechsel nach der Anfang April regulär endenden Amtszeit dieses Staatschefs. Freilich korrespondierte das mit Befürchtungen, der werde sich stattdessen für ein drittes Mandat rüsten. Vorspiel waren Repressionen gegen politische Konkurrenten und massive Polizeieinsätze gegen Demonstranten.

Und tatsächlich – wenige Stunden vor dem offiziellen Beginn des Wahlkampfs – wartete Sall mit der überraschenden Ankündigung auf, dass die auf den 25. Februar festgelegte Abstimmung auf den 15. Dezember verschoben werde.........

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