Nancy Faeser hat jüngst in Berlin eine kleine Pressekonferenz gegeben – es ging um das Angebot der hessischen CDU zu Koalitionsverhandlungen mit Faesers SPD. Eine der Fragen lautete, wie dieses kommende schwarz-rote Bündnis „einzuordnen sei“, auch mit Blick auf die nächste Bundestagswahl.

Die Antwort der Bundesinnenministerin, die als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl im Oktober mit gut 15 Prozent krachend gescheitert war, stellte eine Beleidigung für die Intelligenz der Zuhörenden dar: „Man muss es als das einordnen, was es ist. Es ist ein Angebot, Koalitionsverhandlungen zu führen in einem Bundesland.“ Das ist, als würde man einen Fußballexperten bitten, das 2:0-Ergebnis eines Spiels einzuordnen, und er würde antworten: „Man muss es als das einordnen, was es ist. Es ist ein 2:0 in einem Fußballspiel.“

Boris Rhein von der CDU, mit rund 36 Prozent Wahlsieger und auch künftig Ministerpräsident, hat sich ähnlich geäußert. Beide wissen natürlich, dass sie sich lächerlich machen mit den Worthülsen, die bestreiten, was auf der Hand liegt: die gewünschte Signalwirkung über ein Bundesland hinaus. Aber es lacht sie ja fast niemand aus.

Dazu allerdings ist die Sache auch zu ernst. Zur Erinnerung: Im April begab sich die Berliner SPD in eine Koalition mit der CDU, obwohl sie – anders als Faeser – sogar eine rot-grün-rote Alternative gehabt hätte. Franziska Giffey, damals Regierende Bürgermeisterin, war immerhin so ehrlich, das Ganze als „politische Richtungsentscheidung“ zu bezeichnen.

Jetzt also wieder Schwarz-Rot, und das lässt eine klare Tendenz erkennen: Deutschland steht endgültig vor der Rückkehr zum Merkelismus.

Wie das? War nicht der aktuelle Vorsitzende Friedrich Merz der absolute Antipode der ewigen Kanzlerin? Tatsächlich hätte Angela Merkel wohl nicht so rüpelhaft dahergeredet – vor allem gegen Geflüchtete –, wie es in der CDU/CSU inzwischen üblich ist (wobei niemand vergessen sollte, dass auch sie schon 2016 „Rückführungen, Rückführungen und nochmals Rückführungen“ gefordert hat). Das Hauptmerkmal des Merkelismus aber feiert Wiederauferstehung: die Geschichte vom „Weiter-so“, erzählt unter dem Titel „Stabilität“.

Die Geschichte geht etwa so: Statt grüner „Bevormundung“ mehr Geld fürs Eigenheim und für die Autobahn, und bald schon wird das Land, ungestört von „irregulärer Migration“, mit Fleiß an der Drehbank und Fleisch in der Mittagspause am nächsten Wirtschaftswunder arbeiten. Nun gut, wir fahren elektrisch, in Südamerika soll es viel Lithium geben. Aber die drohende Klimakatastrophe beim Namen zu nennen, das überlassen wir mal den Grünen, die wir schon jetzt als radikale Verbotspartei markiert haben.

Das ist ein zusätzlicher Treppenwitz der ganzen Geschichte: Die Diffamierung müsste den Grünen eine Ehre sein, wenn die Behauptungen der Union von der Wirklichkeit gedeckt wären. Aber die Rückschläge treffen sie in einer Phase, in der sie das, was ihnen unterstellt wird, leider gar nicht mehr sind: radikal. Ihre Enttäuschung über das Ende der schwarz-grünen Koalition in Hessen haben sie vor allem mit einem Argument begründet: Sie seien der CDU in den Sondierungsgesprächen doch fast so weit entgegengekommen wie die SPD. „Wir können auch Opposition“, hat nun ihr hessischer Fraktionschef Mathias Wagner gesagt. Das wird auch nötig sein gegen den neuen Trend zu Stillstands-Koalitionen – aber bitte zur Abwechslung mal wieder mit politischen Alternativen.

QOSHE - Meinung | CDU und SPD verhandeln in Hessen über Koalition: Deutschland kehrt zum Merkelismus zurück - Stephan Hebel
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Meinung | CDU und SPD verhandeln in Hessen über Koalition: Deutschland kehrt zum Merkelismus zurück

3 0
14.11.2023

Nancy Faeser hat jüngst in Berlin eine kleine Pressekonferenz gegeben – es ging um das Angebot der hessischen CDU zu Koalitionsverhandlungen mit Faesers SPD. Eine der Fragen lautete, wie dieses kommende schwarz-rote Bündnis „einzuordnen sei“, auch mit Blick auf die nächste Bundestagswahl.

Die Antwort der Bundesinnenministerin, die als SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl im Oktober mit gut 15 Prozent krachend gescheitert war, stellte eine Beleidigung für die Intelligenz der Zuhörenden dar: „Man muss es als das einordnen, was es ist. Es ist ein Angebot, Koalitionsverhandlungen zu führen in einem Bundesland.“ Das ist, als würde man einen Fußballexperten bitten, das 2:0-Ergebnis eines Spiels einzuordnen, und er würde antworten: „Man muss es als das einordnen, was es ist. Es ist ein 2:0 in einem Fußballspiel.“

Boris Rhein von der CDU, mit rund 36........

© der Freitag


Get it on Google Play