Bundesrat schlägt heute-show: Wer die Sitzung der Länderkammer zum Cannabis-Gesetz am Freitag verfolgte, konnte leicht auf die spätabendliche Satire-Dröhnung verzichten. Dass die Teil-Legalisierung von Cannabis das Abendland dem Untergang entgegenführe, hatte die eine Seite bereits monatelang vor der Verabschiedung des Gesetzes beschworen. Im Bundesrat ließ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das in seiner Aussage gipfeln, das Kiffen stürze das Land gar in die „Katastrophe“.

Offenbar können weder Klimakrise noch Kriege noch Terror die Vertreter der Union in derartige Panik versetzen wie die Vorstellung, zu Hause um die Ecke unfreiwillig süßliche Ausdünstungen einer Droge inhalieren zu müssen. Kretschmer war es, der mit seinem Vorschlag, das Gesetz im Vermittlungsausschuss am langen Arm verhungern zu lassen, verhinderte, dass dort tatsächlich sachliche Mängel ausgebügelt werden.

Sachsens CDU/Grüne/SPD-Regierung stimmte uneinheitlich ab und machte ihr Votum damit bewusst ungültig. Auch Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) tat es seinem Amtsvorgänger Manfred Stolpe nach und brach die Bundesratsregel, sich dort im Fall von Dissens mit dem Koalitionspartner zu enthalten. Es rumort im Bündnis aus SPD, CDU und Grünen, Letztere sehen künftige Koalitionsverhandlungen schwer belastet.

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In einem halben Jahr wählt Brandenburg den Landtag neu, die prohibitionistische Positionierung des Sozialdemokraten Woidke zum Cannabis-Gesetz („Ich halte es für schädlich für unser Land Brandenburg“) mag sich aus dem Ringen um weniger liberal gestimmte Wähler erklären. Selbiges scheint Regierenden im Osten wie im Süden vielversprechend – neben Brandenburg und Sachsen war Bayern, Baden-Württemberg und dem Saarland an Widerstand gegen die Legalisierung gelegen. Die Gesetzesverabschiedung mit Ach und Krach ist jedenfalls kein guter Start für die Legalisierung.

Dass auch SPD-geführte Länder, denen die Durchführung obliegt, die Folgen für Justiz und Polizei fürchten, ist eine Sache. Doch die als Drama beschriebene Durchforstung laufender Verfahren nach dem Betäubungsmittelgesetz ist endlich. Dass sich auf riesigen Rapsfeldern bald Hanfpflanzen im Wind wiegen werden, steht auch nicht zu erwarten.

Eher schon, dass die exekutive Realität nach der legislativen Legalisierung den Föderalismus neu aufleben lässt. Doch diesmal nicht wie in der Corona-Zeit, als die Eigenwilligkeit der Länder für einen Wildwuchs an Maßnahmen, aber eben über die Zeit auch für Eindämmung des strikten Vorgehens des Bundes sorgte. Sondern umgekehrt: Ließen die Landesregierungen ihre Polizei und Justiz das neue Gesetz so repressiv wie möglich auslegen, würden sie damit eine Liberalisierung des Bundes bremsen. Dass sie die Behörden auf diese Weise eben nicht von Bürokratie entlasten, hätten sie sich dann aber schon selbst zuzuschreiben.

Um den jetzt wieder aufflammenden Glaubenskrieg in Sachen Drogen zu verstehen, lohnt es sich, das letzte einschlägige Buch Günter Amendts, No drugs – no future über Drogen im Zeitalter der Globalisierung, noch einmal zu lesen. Es macht darauf aufmerksam, dass Drogen, neben Genuss- und Heilmittel, auch Zahlungsmittel in kriminellen Kontexten seien – und Druckmittel zur Durchsetzung autoritärer „Law and Order“-Strategien. Mit Drogen werde schon immer Politik gemacht, und in der Krise suche die „moral majority“, die Mehrheit in Sachen Moral, stets nach einer neuen Verständigungsbasis.

QOSHE - Föderalismus | Cannabis-Legalisierung: Droht Kiffern in Süd- und Ostdeutschland bald neue Repression? - Ulrike Baureithel
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Föderalismus | Cannabis-Legalisierung: Droht Kiffern in Süd- und Ostdeutschland bald neue Repression?

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26.03.2024

Bundesrat schlägt heute-show: Wer die Sitzung der Länderkammer zum Cannabis-Gesetz am Freitag verfolgte, konnte leicht auf die spätabendliche Satire-Dröhnung verzichten. Dass die Teil-Legalisierung von Cannabis das Abendland dem Untergang entgegenführe, hatte die eine Seite bereits monatelang vor der Verabschiedung des Gesetzes beschworen. Im Bundesrat ließ Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) das in seiner Aussage gipfeln, das Kiffen stürze das Land gar in die „Katastrophe“.

Offenbar können weder Klimakrise noch Kriege noch Terror die Vertreter der Union in derartige Panik versetzen wie die Vorstellung, zu Hause um die Ecke unfreiwillig süßliche Ausdünstungen einer Droge inhalieren zu müssen. Kretschmer war es, der mit seinem Vorschlag, das Gesetz im Vermittlungsausschuss am langen Arm verhungern zu lassen, verhinderte, dass........

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