Es gibt Dinge, die haben genau eine einzige Funktion, sie haben sogar so sehr nur eine Funktion, dass man sie wirklich für absolut nichts anderes zweckentfremden kann. Aber meistens sind es genau diese Dinge, die noch nicht mal ihre EINZIGE AUFGABE erfüllen. Beispiel: Toilettenpapierhalter in öffentlichen Toiletten, genauer: diese Dinger mit Hartplastik- oder Chromstahlgehäuse.

Ich nehm euch da mal kurz mit auf einen Empörungsspaziergang durch den Ungeduldsgarten in meinem Kopf: Die Öffnung ist ja immer unten und steht im rechten Winkel zu der Person, die das Toilettenpapier rausrollen will, sodass es nach maximal zwei Zentimetern Herausziehen abreissen MUSS. Es ist physikalisch gar nicht anders möglich, als dass es abreisst! Dann sitzt man da und muss mit Pipi-Kacka-Händen in das Ding reingreifen und die grosse Rolle Toilettenpapier so lange rollen, bis man das Ende wieder zu greifen kriegt.

Es ist quasi eine Challenge bei «Fort Boyard». Natürlich frage ich mich jetzt, ob das einerseits nur mir auffällt oder ob es ein flächendeckendes Problem ist!? Falls es denn so wäre, dass nur ich damit struggle, frage ich mich, ob das so ist, weil ich erstens keine anderen Probleme habe, die meinen Head-Space besetzen und ich mich über solche Kleinigkeiten aufregen kann. Oder zweitens: zu viele Probleme habe, die meine Lunte ganz kurz werden lassen, sodass ich wegen Klopapierfetzen in meiner Hand hässig werden MUSS. Oder ist es vielleicht auch einfach, weil ich in öffentlichen Toiletten immer sehr, sehr lange anstehen muss, meine Laune also safe schlecht wird, egal, wie gut sie davor war?

Es wurde irgendwie nicht mitgedacht, dass Frauen im Schnitt 2-,3-mal länger brauchen auf der Toilette und man(n) das bei der Planung mitberücksichtigen müsste. So hocke ich gestresst auf die Schüssel, im Wissen, dass «Lion King» in 90 Sekunden weitergeht, und dann habe ich natürlich mittel to the Drittel Lebensenergie, mich auch noch mit dieser Toilettenpapier-Friemelarbeit herumzuplagen.

Ich sag es, wie es ist: Die Welt ist für Männer gebaut. Handys sind auf die durchschnittliche Handgrösse von Männern konzipiert, die «optimale» Büroraumtemperatur ist an die Wohlfühltemperatur von «Durchschnittsmännern» angepasst. Genauso sind die Stuhl- und Tischhöhen und die Anzahl Toilettenschüsseln in öffentlichen Räumen, wie schon erwähnt, nicht auf die Bedürfnisse von Frauen ausgelegt. It is a men’s world. Das wissen wir ja alles schon lange, hierzu wurden auch schon viele Bücher, noch mehr Essays und Tausende Kolumnen geschrieben. Tausendundeine Kolumne mit der hier.

Damit Frauen nicht nur mitgedacht werden, müssen sie fcking noch mal überall dabei sein, Raum einnehmen und für die eigenen Bedürfnisse einstehen. Aber es ist ja kein unbekanntes Phänomen, dass Frauen zu people pleasern hochgezüchtet wurden und ihre Bedürfnisse häufig weit hinter ihre eigenen stellen, hinter die der Kinder, Partner, Arbeitskolleginnen, sogar hinter die von fremden Personen, die sich in der «Lion King»-Kloschlange vordrängeln. Da ist der Weg dann doch noch ein Stückchen hin zum Wändeeinreissen, um noch mehr Toilettenschüsseln hinzupflanzen.

Deshalb möchte ich hier alle, aber vor allem Frauen, dazu motivieren, das «Bedürfnisseäussern» täglich zu praktizieren. Ist die Musik im Auto zu laut – «können wir das bitte leiser stellen?», ist es im Büro zu zugig – «ich würde das Fenster jetzt wieder schliessen». Bis wir genauso schnell vom Klo zurück sind wie Männer, haben wir nur one job: sagen, was wir brauchen! Jeden Tag.

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Weshalb ich gestresst auf der WC-Schüssel sitze

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25.02.2024

Es gibt Dinge, die haben genau eine einzige Funktion, sie haben sogar so sehr nur eine Funktion, dass man sie wirklich für absolut nichts anderes zweckentfremden kann. Aber meistens sind es genau diese Dinge, die noch nicht mal ihre EINZIGE AUFGABE erfüllen. Beispiel: Toilettenpapierhalter in öffentlichen Toiletten, genauer: diese Dinger mit Hartplastik- oder Chromstahlgehäuse.

Ich nehm euch da mal kurz mit auf einen Empörungsspaziergang durch den Ungeduldsgarten in meinem Kopf: Die Öffnung ist ja immer unten und steht im rechten Winkel zu der Person, die das Toilettenpapier rausrollen will, sodass es nach maximal zwei Zentimetern Herausziehen abreissen MUSS. Es ist physikalisch gar nicht anders möglich, als dass es abreisst! Dann sitzt man da und muss mit Pipi-Kacka-Händen in das Ding reingreifen und die grosse Rolle Toilettenpapier so lange rollen, bis man das Ende wieder zu greifen kriegt.

Es ist quasi eine Challenge bei «Fort Boyard». Natürlich........

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