Die Schweiz hat keine Royals. Die Royals der Schweiz sind die Bundesrätinnen und Bundesräte. Deshalb verfällt das Land bei jedem magistralen Rücktritt in fiebrige Spannung. Wer folgt? Und wer stimmt für wen?

Diesmal ist die Nervosität besonders gross. Davon zeugen fast täglich veröffentlichte «Geheimpläne». Statt der beiden offiziellen SP-Kandidaten Beat Jans und Jon Pult sollen angeblich Daniel Jositsch, Eva Herzog, Evi Allemann (alle SP), Gerhard Pfister oder Martin Candinas (beide Mitte) gewählt werden. Dazu kommen natürlich die Ränkespiele um Gerhard Andrey, den Kandidaten der Grünen.

Die öffentlichen «Geheimpläne» mögen eine klamaukige Belebung absehbar langweiliger Wahlen sein. Sie verdeutlichen aber die verbreitete Unzufriedenheit mit dem Status quo im Bundesrat. Denn die eidgenössischen Wahlen im Herbst haben für die Parteien nicht die erhoffte Eindeutigkeit gebracht. Stattdessen bleibt die Pattsituation bestehen: FDP und SP haben nach wie vor keinen eindeutigen Anspruch auf zwei Sitze, die Mitte ist zwar erstarkt, aber zu wenig deutlich für einen zusätzlichen Sitz, und die Grünen sind zu wenig geschwächt, um sie für alle Ewigkeit zu ignorieren.

Es wäre aber falsch, die bestehende Zauberformel zum jetzigen Zeitpunkt mit einer wilden Wahl anzupassen. Für eine Vertretung der grünen Wahlverliererin auf Kosten der FDP fehlt die arithmetische und politische Legitimation, für einen zweiten Sitz muss die Mitte ihre Stärke konsolidieren. Noch ist ihr Erfolg eine Momentaufnahme.

Und die Diskussion um die Wahl eines «wilden» SP-Kandidaten ist heuchlerisch. Dass Parteien Persönlichkeiten portieren, die auf Parteilinie sind, ist kein Skandal, sondern staatspolitischer Usus. Wenn nun Christoph Blocher die Wunden seiner Abwahl für verheilt erklärt, die Parteiausschlussklausel seiner Partei für wild Gewählte relativiert und zur Wahl ebensolcher Kandidaten aufruft, dann nur deshalb, weil er sich einen eingemitteten Linken im Bundesrat wünscht.

Dabei präsentiert die SP dem Parlament mit Beat Jans und Jon Pult zwei valable Kandidaten, wobei der Vorteil aktuell zu Recht bei Jans liegt. Sein Leistungsausweis in kantonaler Regierung und nationalem Parlament ist überzeugender, seine Basler Herkunft – nach 50-jähriger Absenz der Region im Bundesrat – ein Pluspunkt.

Trotzdem sollten die Parteien im Hinblick auf die nächste Vakanz drei strukturelle Änderungen angehen, um den Wählerwillen mittelfristig besser in der Regierung abzubilden und dem Parlament eine adäquate Auswahl zu ermöglichen.

Erstens: Die Sitzverteilung im Bundesrat muss konsequent in politischen Blöcken statt entlang einzelner Parteien gedacht werden.

Auf rechter Seite haben SVP und FDP arithmetisch Anrecht auf drei Sitze. Heute ist die FDP in der Bundesratsfrage gefangen. Die permanenten Angriffe lähmen die Partei. Eine Sitzabgabe würde sie aus der Defensive bringen und wieder zur aktiv gestaltenden Kraft machen.

Für die linke Seite ergeben sich in der Blocklogik zwei Sitze. Grüne und SP politisieren deckungsgleich. Daher müsste einer der beiden Sitze jeweils zwischen den beiden Parteien wechseln. Für die Sozialdemokraten ist Solidarität ein Leitmotiv. Es stünde ihnen gut an, eine ausgeglichene Lösung mit ihrem politischen Zwilling zu finden.

Im Mitte-Block kämen Mitte-Partei, GLP und EVP auf knapp zwei Sitze. Auch hier würde der zweite Sitz je nach Kandidatenfeld zwischen den Blockparteien wechseln. Die GLP ist gut beraten, sich ein schärferes Mitteprofil zu geben, statt sich nach links zu bewegen, wie sie es in den letzten Jahren gemacht hat, denn links ist kein Platz für sie.

Das führt zur zweiten notwendigen strukturellen Änderung: Die Fraktionsgemeinschaft von Mitte und EVP sollte um die GLP erweitert werden. Eine solche starke Fraktion in der politischen Mitte sollte sich mit eigenständigen Positionen profilieren, statt sich auf die Rolle der Mehrheitsmacherin zu beschränken. Das würde den Weg für einen zweiten Bundesratssitz ebnen.

Drittens müssen sich die Fraktionen darauf einigen, künftig mit Dreier- statt mit Zweiertickets anzutreten. Das ermöglicht dem Parlament eine breitere Auswahl an Kandidierenden, zumal bei den Polparteien. Die SVP hat es 2015 vorgemacht: Damals portierte sie mit Guy Parmelin, Thomas Aeschi und Norman Gobbi ein facettenreiches Ticket, das die Breite ihres Lagers adäquat abbildete. Mit Gobbi war sogar ein Lega-Politiker vertreten. Genauso könnte es künftig bei Vakanzen innerhalb der drei Blöcke ablaufen. Denkbar wären zum Beispiel ein Ticket mit zwei SP- und einem Grünen-Vertreter oder eines mit zwei Mitte- und einer GLP-Kandidatin.

Die Parteien sollten die unbefriedigenden Gesamterneuerungswahlen zum Anlass nehmen, um diese Reformen anzugehen. Belassen sie einfach alles beim Alten, werden sie ihrer Verantwortung gegenüber dem Stimmvolk nicht gerecht.

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QOSHE - Eine Lösung für das Sitzdilemma im Bundesrat - Raphaela Birrer
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Eine Lösung für das Sitzdilemma im Bundesrat

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09.12.2023

Die Schweiz hat keine Royals. Die Royals der Schweiz sind die Bundesrätinnen und Bundesräte. Deshalb verfällt das Land bei jedem magistralen Rücktritt in fiebrige Spannung. Wer folgt? Und wer stimmt für wen?

Diesmal ist die Nervosität besonders gross. Davon zeugen fast täglich veröffentlichte «Geheimpläne». Statt der beiden offiziellen SP-Kandidaten Beat Jans und Jon Pult sollen angeblich Daniel Jositsch, Eva Herzog, Evi Allemann (alle SP), Gerhard Pfister oder Martin Candinas (beide Mitte) gewählt werden. Dazu kommen natürlich die Ränkespiele um Gerhard Andrey, den Kandidaten der Grünen.

Die öffentlichen «Geheimpläne» mögen eine klamaukige Belebung absehbar langweiliger Wahlen sein. Sie verdeutlichen aber die verbreitete Unzufriedenheit mit dem Status quo im Bundesrat. Denn die eidgenössischen Wahlen im Herbst haben für die Parteien nicht die erhoffte Eindeutigkeit gebracht. Stattdessen bleibt die Pattsituation bestehen: FDP und SP haben nach wie vor keinen eindeutigen Anspruch auf zwei Sitze, die Mitte ist zwar erstarkt, aber zu wenig deutlich für einen zusätzlichen Sitz, und die Grünen sind zu wenig geschwächt, um sie für alle Ewigkeit zu ignorieren.

Es wäre aber falsch, die bestehende........

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