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Der Beginn der Beitrittsgespräche der Ukraine ist zwar symbolisch wichtig. Entscheidend wären aber neue EU-Gelder für Kiew – und da blockiert Ungarns Regierungschef Orban weiter.

Heute, 10:45 Uhr

Es ist ein historischer Erfolg für die Ukraine. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben den Weg frei gemacht für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit dem Land, das sich seit 22 Monaten gegen die russische Aggression wehrt.

Das Ziel des russischen Präsidenten Wladimir Putin besteht nach wie vor darin, dass sich die Ukraine ihm unterwirft. Nach fast zwei Jahren Krieg ist daher das Signal, das vom Brüsseler EU-Gipfel ausgeht, in seiner historischen Tragweite nicht zu unterschätzen.

Aber wie viel ist dieser Durchbruch beim EU-Gipfel, der durch ein mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban abgekartetes Vorgehen möglich wurde, tatsächlich wert mitten im zweiten ukrainischen Kriegswinter?

© REUTERS/Carlos Barria

Fest steht, dass die EU die Ukraine nicht aufnehmen kann, so lange dort Krieg herrscht. Und Putins hat eben diese Absicht: Den Krieg in der Ukraine zu einem Dauerzustand zu machen. Im kommenden März will er sich als Präsident „wiederwählen“ lassen. Ende des kommenden Jahres könnte Donald Trump dann wieder gewählt werden.

Schon jetzt stockt die finanzielle Hilfe Washingtons für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im US-Kongress. Falls Trump tatsächlich erneut ins Weiße Haus einziehen sollte, würde dies dann endgültig einen Paradigmenwechsel für die bisherige militärische und finanzielle Hilfe der USA bedeuten.

Gerade deshalb ist es jetzt so wichtig, dass die Europäer in ihrer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen. Der jetzt absehbare Beginn von EU-Beitrittsgesprächen ist zwar ein wichtiges Symbol. Aber kurzfristig kann sich Selenskyj nichts davon kaufen.

Umso tragischer ist es, dass die EU weiterhin nicht in der Lage ist, dringend benötigte Hilfsgelder in Höhe von 50 Milliarden Euro für die Ukraine freizugeben. Diese Gelder werden von Ungarns Regierungschef Orban weiter blockiert.

© AFP/MIGUEL MEDINA

Orbans Verhalten ist eine Enttäuschung für alle, die ihn vor dem Gipfel umgarnt haben – darunter Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Mit Blick auf die Gipfel-Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine sprach der Rechtsnationalist aus Budapest hinterher von einer „völlig sinnlosen, irrationalen und falschen Entscheidung“. Was die zusätzlichen Hilfsmilliarden der EU angeht, so dürfte Orban sich demnächst noch eine weitere verbale Wortgefechte mit den übrigen 26 Staats- und Regierungschefs der EU liefern.

Jetzt will die EU, die große Konsensmaschine, Anfang des kommenden Jahres eine Lösung für die 50 Milliarden Euro finden. Das Problem ist nur, dass der Ukraine-Krieg keine Zeit lässt für die üblichen langwierigen Entscheidungsmechanismen in der EU. Was ist, wenn Orban auf die Idee kommt, die Freigabe der Hilfsmilliarden bis nach der Europawahl im Juni zu blockieren?

So lange Putin einen Quertreiber wie Orban in den Reihen der EU weiß, kann er sich im Ukraine-Krieg halbwegs entspannt zurücklehnen.

Zu vermuten ist, dass die russischen Streitkräfte vor der Präsidentschaftswahl im März ihre Angriffe in der Ukraine intensivieren, damit der Kremlchef die für seine Propaganda nötigen militärischen Erfolge vorweisen kann. In der Zwischenzeit diskutiert die EU darüber, ob sie das Vetorecht einzelner Mitgliedstaaten abschaffen kann. Vielleicht. Irgendwann.

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Enttäuschung beim EU-Gipfel : Orban blockiert da, wo es wirklich weh tut

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15.12.2023

© imago/Le Pictorium/IMAGO/Nicolas Landemard / Le Pictorium

Der Beginn der Beitrittsgespräche der Ukraine ist zwar symbolisch wichtig. Entscheidend wären aber neue EU-Gelder für Kiew – und da blockiert Ungarns Regierungschef Orban weiter.

Heute, 10:45 Uhr

Es ist ein historischer Erfolg für die Ukraine. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben den Weg frei gemacht für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit dem Land, das sich seit 22 Monaten gegen die russische Aggression wehrt.

Das Ziel des russischen Präsidenten Wladimir Putin besteht nach wie vor darin, dass sich die Ukraine ihm unterwirft. Nach fast zwei Jahren Krieg ist daher das Signal, das vom Brüsseler EU-Gipfel ausgeht, in seiner historischen Tragweite nicht zu unterschätzen.

Aber wie viel ist dieser Durchbruch beim EU-Gipfel, der durch ein mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban abgekartetes Vorgehen möglich........

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