In Deutschland wollen die Klimaaktivisten der Letzten Generation aufhören, sich festzukleben. Eine Chance, um wieder besser über Klimaschutz zu reden.

Das war’s also. Nach zwei Jahren wollen die Aktivisten der Letzten Generation in Deutschland den Kleber wegpacken, schreiben sie auf ihrer Webseite. Sie wollen auch aufhören, Straßen zu blockieren – und damit regelmäßig Zigtausende Auto- und Lkw-Fahrer zu frustrieren, von denen viele einfach nur in die Arbeit fahren, etwas ausliefern oder ihre Liebsten von A nach B bringen wollten.

Wenn diesen Worten auch Taten folgen, verschwindet in Deutschland demnächst eine der umstrittensten Protestformen der vergangenen Jahre genauso schnell, wie sie aufgetaucht ist. Ob sich der österreichische Ableger der Klimaaktivisten anschließt und dem Kleber abschwört, ist noch offen. Laut ersten Wortmeldungen sieht es nicht danach aus.

Am Kleben festzuhalten, wäre wohl ein Fehler – wie es überhaupt der Klimaschutzbewegung mehr geschadet als geholfen hat, auf den Straßen des Landes einfach einmal alle Autofahrer zu blockieren (es war ja nicht so, dass die E-Autos durchgewinkt wurden). Gerade in Deutschland mit seinem maroden öffentlichen Verkehr konnten viele Pendler nicht einfach in die Bahn umsteigen (die Busse standen ohnehin mit im Stau). In wohlwollender Auslegung haben die andauernden Klebeaktionen die Gesellschaft politisiert. Wahrscheinlicher ist, dass sie diese polarisiert haben.

Besonders deutlich ist das in Deutschland zu sehen. Dort trat fast genau zur selben Zeit, in der das Kleben begann, die selbst ernannte „Fortschrittskoalition“ aus SPD, Grünen und FDP an. Sie einte unter anderem die Idee, das Land von fossilen Energien loszubringen. Der damals noch nicht vereidete Kanzler, Olaf Scholz, lud im November 2021 zwei der Aktivisten zu einem öffentlichen Gespräch. Sie nutzten die Bühne, um Scholz anzuschreien. Er solle sagen, dass Milliarden Menschen verhungern werden, wenn nicht sofort alles radikal anders wird. Was der nächste Kanzler der größten Wirtschaftsmacht der EU vorhat, um die Treibhausgase zu reduzieren, hörten sich die beiden gar nicht richtig an.

Zwei Jahre später ist von erfolgreicher deutscher Klimapolitik wenig zu sehen. Da der russische Gashahn zugedreht wurde und die Regierung am Atomausstieg festhielt, sollten mit Öl betriebene Kraftwerksschiffe vor der deutschen Küste vertäut und Kohlekraftwerke ausgemottet werden. Der politisch unausgegorene Plan, schneller vom fossilen Heizen loszukommen, führte zu einem Abwehrreflex in der Bevölkerung. Das Verkehrsministerium verfehlt seine Klimaziele meilenweit, die Bahn kommt nicht in die Spur.

Das ist natürlich nicht die Schuld der Letzten Generation. Ihr kompromissloser Proteststil des Anklebens half aber nicht dabei, die gesellschaftliche Stimmung zum Klimaschutz positiv aufzuladen. Vielmehr bestätigte er jene, die Klimaschützern pauschal unterstellen, vollkommen weltfremde Ideen mit der Brechstange durchsetzen zu wollen.

Die Aktivisten sagen, sie haben sich nicht auf Straßen festgeklebt, um geliebt zu werden. Protest müsse unbequem sein, sonst wirke er nicht. Die Klebeblockaden luden aber auch ein, das gesellschaftliche Gespräch auf den Aktivismus selbst zu lenken – und nicht auf sein Ziel, den Klimaschutz. Die Wortkreation Klimakleber weist darauf hin. Mit dieser beschäftigt sich die Letzte Generation fast schon selbstkritisch. „Die Bezeichnung Klimakleber setzte sich durch, da das Ankleben auf der Straße allgemein stärker beeindruckte als die abstrakte Vorstellung, die Lebensgrundlagen der Menschheit könnten zu Ende gehen“, steht auf der Webseite der Aktivisten.

Vor allem die Rechtsparteien FPÖ und AfD nutzten die emotionale Debatte über die Klebeaktionen, um jene zu mobilisieren, die Klimaschutz eher ablehnen oder Angst vor allzu radikaler Veränderung haben. Stichwort: „Klima-RAF“ und „Klimaterroristen“. Insofern ist es nur konsequent, dass die Letzte Generation sich nun den Massendemos gegen rechts in Deutschland anschließen will.

Die Abkehr von der Klebeblockade bietet eine Chance. Die Gesellschaft kann nun beweisen, dass sie die Gefahr durch das sich rasant verändernde Klima nicht einfach wegwischt, nur weil niemand auf der Straße klebt, um darauf hinzuweisen.

E-Mails an: christoph.zotter@diepresse.com

QOSHE - Dem Klimakleben wird kaum jemand eine Träne nachweinen - Christoph Zotter
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Dem Klimakleben wird kaum jemand eine Träne nachweinen

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30.01.2024

In Deutschland wollen die Klimaaktivisten der Letzten Generation aufhören, sich festzukleben. Eine Chance, um wieder besser über Klimaschutz zu reden.

Das war’s also. Nach zwei Jahren wollen die Aktivisten der Letzten Generation in Deutschland den Kleber wegpacken, schreiben sie auf ihrer Webseite. Sie wollen auch aufhören, Straßen zu blockieren – und damit regelmäßig Zigtausende Auto- und Lkw-Fahrer zu frustrieren, von denen viele einfach nur in die Arbeit fahren, etwas ausliefern oder ihre Liebsten von A nach B bringen wollten.

Wenn diesen Worten auch Taten folgen, verschwindet in Deutschland demnächst eine der umstrittensten Protestformen der vergangenen Jahre genauso schnell, wie sie aufgetaucht ist. Ob sich der österreichische Ableger der Klimaaktivisten anschließt und dem Kleber abschwört, ist noch offen. Laut ersten Wortmeldungen sieht es nicht danach aus.

Am Kleben festzuhalten, wäre wohl ein Fehler – wie es überhaupt der Klimaschutzbewegung mehr geschadet als geholfen hat, auf den Straßen des Landes einfach einmal alle Autofahrer zu blockieren (es war ja........

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