Gern wird gerade der Eindruck erweckt, man müsse sich für eine Seite entscheiden, bevor man über den Nationalratspräsidenten, heimliche Aufnahmen, politische Korruption und Defizite in der Justiz nachdenken kann.

Würde man dieser Tage heimlich ein beliebiges Stammtisch-Gespräch mitschneiden, könnte das so beginnen. A: „Was sagst denn du zur Sobotka-Affäre?“ B: „Du meinst wohl den WKStA-Skandal?“ C: „Reden wir da über die Pilnacek-Tragödie?“ D: „So kann man den ÖVP-Korruptionssumpf auch nennen …“ E: „Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder jeden abhört …“ Außerhalb der Innenstadt-Bar aber wird gerade der Eindruck erweckt, man müsste sich vorab zu einer Seite bekennen. Als könnte man in einer Art Entweder-oder-Logik nicht die verschiedenen Komplexe parallel als das benennen, was sie eben sind: problematisch.

Beginnen kann man da recht leicht bei Wolfgang Sobotka. Was an den Vorwürfen gegen den zweiten Mann im Staat dran ist und was nicht, müssen Recherchen, Kommissionen und allenfalls Gerichte klären. Als Nationalratspräsident, der seine Rolle per se überparteilich (oder sagen wir mit Blick auf manchen seiner Amtsvorgänger besser: zumindest mit dem Anschein von Überparteilichkeit) anzulegen hat, ist der mit allen Wassern gewaschene Haudegen, der seine Rolle zwischen machtbewusstem Parteichef und wadelbeißendem Generalsekretär interpretiert, eine mehr irritierende als einleuchtende Besetzung.

Schlampiger Umgang mit dem, was geht. Freilich ist die Unsitte des heimlichen Aufzeichnens von Privatem, die bei unautorisierter Veröffentlichung strafrechtlich relevant sein kann, befremdlich. Zumal der Zeitpunkt der Veröffentlichung meist genau gewählt und für die Betroffenen der Schaden kaum wieder gutzumachen ist. Doch da die Leaks zuletzt recht unterschiedliche Urheber hatten, ist da mindestens so viel gesellschaftliches wie parteipolitisches Muster zu erkennen.

Dass jüngst vor allem VP-Exponenten schlecht ausschauen, sobald irgendwo eine Aufnahme, ein Bildschnipsel oder Chatverlauf auftaucht, könnte auf perfide Machenschaften politischer Gegner zurückzuführen sein, die arglosen Türkisschwarzen eine Falle nach der anderen stellen. Wahrscheinlicher ist allerdings schon, dass da eine Partei querbeet einen ziemlich schlampigen Umgang damit pflegt, was geht und was nicht mehr geht. Und nicht jede überschrittene Grenze, die nicht gleich eine Verurteilung zur Folge hat, ist Ausweis der Eignung für ein politisches Amt.

Trotzdem wird sich die Justizpolitik (am besten in einer gemeinsamen Anstrengung im Parlament) Gedanken machen müssen, ob anonyme Anzeigen, öffentliche Vorverurteilungen und Anklagen, die dann zuletzt recht häufig nicht zu Schuldsprüchen geführt haben, das Vertrauen in die Anklagebehörde im Speziellen und die Justiz im Allgemeinen befördern. Wie man konsequent aufklären, dabei aber die Folgen für die Betroffenen der Vorwürfe im Rahmen halten kann.

Zum Schluss, aber nicht zuletzt: Wer den Tod eines Menschen nicht für seine Zwecke instrumentalisieren will, setzt hier einen Punkt. Und kein Komma, gefolgt von einem ABER mit noch ganz viel Geschwurbel.

florian.asamer@diepresse.com

»Wer den Tod nicht instrumentalisieren will, setzt hier einen Punkt. Und kein Komma.“«

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Sobotka & Co.: Nicht alles gehört in einen Topf

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25.11.2023

Gern wird gerade der Eindruck erweckt, man müsse sich für eine Seite entscheiden, bevor man über den Nationalratspräsidenten, heimliche Aufnahmen, politische Korruption und Defizite in der Justiz nachdenken kann.

Würde man dieser Tage heimlich ein beliebiges Stammtisch-Gespräch mitschneiden, könnte das so beginnen. A: „Was sagst denn du zur Sobotka-Affäre?“ B: „Du meinst wohl den WKStA-Skandal?“ C: „Reden wir da über die Pilnacek-Tragödie?“ D: „So kann man den ÖVP-Korruptionssumpf auch nennen …“ E: „Wo kommen wir denn da hin, wenn jeder jeden abhört …“ Außerhalb der Innenstadt-Bar aber wird gerade der Eindruck erweckt, man müsste sich vorab zu einer Seite bekennen. Als könnte man in einer Art Entweder-oder-Logik nicht die verschiedenen Komplexe parallel als das benennen, was........

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