Wenn die Industrie keine Streiks mehr fürchtet, dann sollte das zu denken geben.

Österreich zählt bekanntlich zu jenen Ländern, in denen am wenigsten gestreikt wird. Darauf ist man stolz. Und als Garant dafür, dass bei uns Streiks statistisch gesehen in Sekunden gemessen werden, ist die Sozialpartnerschaft. Diese sorge für Augenmaß, heißt es. Ab Montag wird allerdings gestreikt. Die Verhandlungen der Industrie und der Gewerkschaft über einen Metaller-Kollektivvertrag sind neuerlich ergebnislos geblieben.

Was heißt das nun konkret? Noch geht es um sogenannte „Warnstreiks“, das gehört gerade noch zur Folklore. Doch die Zeichen stehen diesmal tatsächlich auf Sturm. Sprich: Ein veritabler Streik, wie ihn das Land seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hat, steht tatsächlich im Raum.

Vieles spricht dafür. Da gibt es etwa einen gerade unter sehr komischen Umständen gewählten SPÖ-Chef Andreas Babler. Der muss beim Parteitag nächste Woche Geschlossenheit demonstrieren. Und da kommt eine Eskalation der Lohnverhandlungen möglicherweise gerade recht. Die armen Hackler gegen die gestopften Industriebosse. Ein Drehbuch wie gemacht für einen SPÖ-Parteitag.

Tatsächlich darf sich einen richtig großen Streik niemand wünschen. Denn die relativ hohen Lohnabschlüsse in den vergangenen Jahren verdankt man weder dem beharrlichen Verhandlungsgeschick der Gewerkschaft, noch der selbstlosen Großzügigkeit der Arbeitgeber. Es ging hinter den Kulissen stets um die Frage, ob die großen deutschen Konzerne ein Stocken der österreichischen Zulieferkette dulden. Allen voran war es die Autozulieferindustrie, die es sich mit den mächtigen Auftraggebern in Stuttgart, Wolfsburg oder München nicht verscherzen wollten. Da nahm man lieber zähneknirschend höhere Lohnabschlüsse in Kauf, als bei Mercedes, VW und Co. in Ungnade zu fallen.

Solange also bei den Metallern nicht gestreikt wird, ist die Welt in der Industrie noch irgendwie in Ordnung. Heikel wird es dann, wenn es den deutschen Konzernen egal ist – möglicherweise sogar gelegen kommt, wenn bei uns die Förderbänder ein paar Tage oder Wochen still stehen. Was dann? Wäre zumindest eine Überlegung wert. Auch am SPÖ-Parteitag.

QOSHE - Ein Streik heißt: Die Rezession ist schlimmer als wir denken - Gerhard Hofer
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Ein Streik heißt: Die Rezession ist schlimmer als wir denken

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04.11.2023

Wenn die Industrie keine Streiks mehr fürchtet, dann sollte das zu denken geben.

Österreich zählt bekanntlich zu jenen Ländern, in denen am wenigsten gestreikt wird. Darauf ist man stolz. Und als Garant dafür, dass bei uns Streiks statistisch gesehen in Sekunden gemessen werden, ist die Sozialpartnerschaft. Diese sorge für Augenmaß, heißt es. Ab Montag wird allerdings gestreikt. Die Verhandlungen der Industrie und der Gewerkschaft über einen Metaller-Kollektivvertrag sind neuerlich ergebnislos geblieben.

Was heißt das nun konkret? Noch geht es........

© Die Presse


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