Die ÖBB haben sich in den vergangenen Jahren schon deutlich verbessert. Für die Herausforderungen der Zukunft sind sie aber noch nicht gerüstet.

Alle Jahre wieder. Wohl bei kaum einem Thema passt diese Anspielung auf das berühmte Weihnachtslied besser als bei den Bahnproblemen rund um Feiertage. Sei es nun Pfingsten, Ostern oder eben Weihnachten – überfüllte Züge und Berichte von Passagieren, die trotz gültigen Tickets, aber ohne Sitzplatz, von Schaffnern eher unsanft an einsamen Orten auf den Bahnsteig gesetzt werden, stehen an der Tagesordnung. So auch heuer bereits seit Mitte Dezember wieder.

Erklärt wurden die Probleme von der staatlichen Bahn damit, dass vier von 60 Railjet-Garnituren durch herabfallende Oberleitungen beim Wintereinbruch Anfang Dezember beschädigt worden sind. Doch eigentlich zeigt diese Erklärung auch genau das wahre Problem auf: Die Bahn fährt an ihrer Kapazitätsgrenze – ohne Puffer für unvorhergesehene Probleme. Denn dass es immer wieder Schwierigkeiten gibt, können regelmäßige Bahnfahrer auch abseits der Feiertage be­richten. An „normalen“ Freitagen und Sonntagen sind die Strecken von oder in die Ballungszentren ebenfalls stark überfüllt. Fällt dann ein Zug aus, ist das Chaos programmiert.

Warum das so ist, dafür gibt es mehrere Gründe. Zuerst einmal wächst die Bevölkerung in Österreich stark. In den vergangenen 20 Jahren kam eine Million Menschen hinzu, 700.000 davon in den letzten zehn. Und diese konzentrieren sich auf die Ballungszentren. Das ist in der Belastung der Infrastruktur einfach zu spüren. Zudem sorgt der Klimawandel dafür, dass immer mehr Menschen ihre Mobilität überdenken und nachhaltiger gestalten wollen. Statt zum Autoschlüssel greifen sie daher zum Zugticket.

Und zu guter Letzt wurde die Bahn auch ein Opfer des eigenen Erfolgs. So wird auf der Weststrecke bereits die Ernte der in den 1990er-Jahren begonnenen Infrastruktur-Offensive eingefahren. In zwei Stunden und 25 Minuten von Wien nach Salzburg, in vier Stunden und 15 Minuten nach Innsbruck. Da kann kein Auto mithalten – zumindest nicht StVO-konform. Auf der Südstrecke wird es, aufgrund der jahrelangen Blockade eines ehemaligen Landeshauptmanns aus St. Pölten, erst in den kommenden Jahren so weit sein. Aber auch dort dürfte die Bahn von immer mehr Menschen als echte Alternative wahrgenommen werden.

Dieser grundsätzliche Nachfrageboom wurde von der Politik noch weiter verstärkt. So könnte das Klimaticket die nachhaltigste Hinterlassenschaft der Grünen aus dieser Legislaturperiode gewesen sein. Fast 300.000 Österreicherinnen und Österreicher haben bereits eines. Die Verkaufszahlen gehen somit in Richtung des Schweizer Generalabonnements, das als Benchmark für solche Gesamttickets für den öffentlichen Verkehr gilt. Das Klimaticket ist also eine Erfolgsgeschichte. Aber es erhöhte den Druck auf die ohnehin schon belastete Verkehrsinfrastruktur weiter. Und das zu zusätzlichen Kosten für den Staat.

Heuer zahlen die Steuerzahler laut Klimaschutzministerium 5,4 Milliarden Euro dafür, dass Schienen gebaut und erhalten sowie unrentable Strecken bedient werden. Eine weitere halbe Milliarde fließt in die Subventionierung der Klimatickets. Viel Geld also für die Verlagerung von Mobilität auf die Schiene. Dass diese notwendig ist, zeigt zwar ein Blick auf Österreichs CO2-Statistik, in der der Verkehr der einzige Bereich ist, in dem die Emissionen weiterhin hinauf- statt hinuntergehen. Dennoch muss man die Frage stellen, ob das Geld in jedem Fall sinnvoll eingesetzt wird und ob von Politik und Bahn-Management auch genügend getan wurde, um das System auf diesen zusätzlich angeheizten Nachfrageboom vorzubereiten.

Ein wenig erinnert das Ganze an die Situation in der Stromversorgung. Auch dort versucht die Politik aus gutem Grund den Ausbau der erneuerbaren Erzeugung voranzutreiben. Ignoriert wird dabei jedoch, wie stark dies das System belastet, weil Speicher und Netze nicht entsprechend vorhanden sind. Auch die Bahn braucht wohl mehr Wagenmaterial sowie neue Regeln, wie eine in anderen Ländern schon übliche Reservierungspflicht auf der Fernstrecke. Denn nur so können auch in Zukunft Nachfrage und Angebot sinnvoll zusammengebracht werden.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

QOSHE - Wir brauchen eine Bahn des 21. Jahrhunderts - Jakob Zirm
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Wir brauchen eine Bahn des 21. Jahrhunderts

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22.12.2023

Die ÖBB haben sich in den vergangenen Jahren schon deutlich verbessert. Für die Herausforderungen der Zukunft sind sie aber noch nicht gerüstet.

Alle Jahre wieder. Wohl bei kaum einem Thema passt diese Anspielung auf das berühmte Weihnachtslied besser als bei den Bahnproblemen rund um Feiertage. Sei es nun Pfingsten, Ostern oder eben Weihnachten – überfüllte Züge und Berichte von Passagieren, die trotz gültigen Tickets, aber ohne Sitzplatz, von Schaffnern eher unsanft an einsamen Orten auf den Bahnsteig gesetzt werden, stehen an der Tagesordnung. So auch heuer bereits seit Mitte Dezember wieder.

Erklärt wurden die Probleme von der staatlichen Bahn damit, dass vier von 60 Railjet-Garnituren durch herabfallende Oberleitungen beim Wintereinbruch Anfang Dezember beschädigt worden sind. Doch eigentlich zeigt diese Erklärung auch genau das wahre Problem auf: Die Bahn fährt an ihrer Kapazitätsgrenze – ohne Puffer für unvorhergesehene Probleme. Denn dass es immer wieder Schwierigkeiten gibt, können regelmäßige Bahnfahrer auch abseits der........

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