Die Absagenflut in diesem Winter heizt eine bedenkliche Entwicklung weiter an: die Klassikerinflation. Gröden, Kitzbühel und Co. sind bald nichts mehr wert.

Der Weltupkalender droht im Chaos zu versinken. Von neun geplanten Rennen der alpinen Ski-Herren fanden bisher nur zwei statt, das macht sieben Absagen, darunter alle fünf Speedbewerbe. Nicht immer war es nur Wetterpech wie in Beaver Creek (besonders bitter, weil zur europäischen Primetime). Dass etwa die Wetterlotterie auf dem Gletscher hoch über Zermatt und Cervinia kaum zu gewinnen ist, war durchaus bekannt gewesen. Und in Val-d’Isère war die Piste einfach nicht gut genug.

Jedenfalls wartet nach dieser Absagenflut nun ab Donnerstag in Südtirol ein XXL-Skifest. Zumindest auf den ersten Blick. Drei Speedrennen (zwei Abfahrten, ein Super-G) auf der einzigartigen Saslong in Gröden, danach zwei Riesentorläufe auf der berüchtigten Gran Risa in Alta Badia. Diese fünf Rennen in fünf Tagen sind nicht nur ein erhebliches Risiko für die Stars, die um den Gesamtweltcup fahren, sondern auch der Auftakt zu einer noch nie gesehenen Klassiker-Inflation in den kommenden Wochen.

Das Gröden-Abfahrtsdoppel mag eine Notlösung sein, weil so zumindest ein abgesagtes Rennen nachgeholt werden kann. Zwei Abfahrten waren auch schon für Beaver Creek geplant gewesen und wurden nun sogar für Wengen ins Spiel gebracht. Alta Badia findet sich als Doppel ohnehin im ursprünglichen Rennkalender wieder, ebenso wie im Jänner das nächste Abfahrtsdoppel von Kitzbühel. Und auch Schladming hat ein zweites Flutlicht-Rennen bekommen. Das Bild, das der Skisport also in diesem Winter abgibt: vermeidbare Absagen und verscherbelte Klassiker.

Dass damit nichts zu gewinnen ist außer den zusätzlichen TV-Zeiten und ein paar obendrauf verkauften Tickets, sollten die vergangenen Jahre gezeigt haben. Die Doppelrennen verwässern den Mythos von Streif, Gran Risa und Co. und sind außerdem ein Drahtseilakt für die Aushängeschilder dieses Sports. Die gebotenen Leistungen sind auch viel zu beeindruckend als dass es in ein paar Jahren so viele Hahnenkamm- und Lauberhorn-Sieger gibt, dass sich niemand mehr an ihre Namen erinnern kann.

Wenn beim nächsten abgesagten Rennen wieder der „Freiluftsport“, die „Mutter Natur“ und „force majeure“ ins Treffen geführt werden, dann sollte man das auch tatsächlich so hinnehmen. Und nicht Kalenderlöcher mit Klassikern stopfen, die bald nichts mehr wert sind. Oder fährt die Formel 1 zweimal hintereinander in Monaco?

E-Mails an: josef.ebner@diepresse.com

QOSHE - Der Skiweltcup verscherbelt sein Tafelsilber - Josef Ebner
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Der Skiweltcup verscherbelt sein Tafelsilber

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12.12.2023

Die Absagenflut in diesem Winter heizt eine bedenkliche Entwicklung weiter an: die Klassikerinflation. Gröden, Kitzbühel und Co. sind bald nichts mehr wert.

Der Weltupkalender droht im Chaos zu versinken. Von neun geplanten Rennen der alpinen Ski-Herren fanden bisher nur zwei statt, das macht sieben Absagen, darunter alle fünf Speedbewerbe. Nicht immer war es nur Wetterpech wie in Beaver Creek (besonders bitter, weil zur europäischen Primetime). Dass etwa die Wetterlotterie auf dem Gletscher hoch über Zermatt und Cervinia kaum zu gewinnen ist, war durchaus bekannt gewesen. Und in Val-d’Isère war die Piste einfach nicht gut........

© Die Presse


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