Die Piktogramm-Sammlungen würden der Artenvielfalt nicht gerecht, beklagen Biologen in einer Studie – ganz ohne Zwinker-Smiley.

Sehen wir der Wahrheit ins gelbe Gesicht, ob es nun lacht, zwinkert oder weint: Emojis haben unsere schriftliche Kommunikation grundstürzend verändert. Der piktografische Kinderkram in Kurznachrichten hat eine Universalsprache der Gefühle etabliert, ohne die wir nicht mehr auskommen. Also: Daumen rauf, Haken drunter. Aber neben dem bildlichen Vokabular, das menschlicher Mimik und Gestik abgeschaut ist, finden sich längst auch andere Symbole, darunter Tiere und Pflanzen. Und auch wenn wir damit auf eine Bildersprache regredieren, ähnlich jener, mit der sich unsere Ahnen auf Höhlenwänden mitteilten, können progressive Forderungen nicht fehlen, es müsse auch in dieser „divers und inklusiv“ zugehen. Wie sie nun italienische Biologen rund um Steffano Mamola erheben (iScience, 11. 12.).

Die Forscher decken einen für sie unverzeihlichen Mangel an Fairness auf: Unter den 112 Organismen, die das Lexikon Emojipedia auflistet, finden sich 92 Tierarten, nur 16 Pflanzen und ein ganz kümmerlicher Rest. Das sei total zoozentrisch und werde der tatsächlichen Verteilung der Artenvielfalt überhaupt nicht gerecht. Auch innerhalb des Tierreichs gehe es „biased“ zu: 76 Prozent Wirbeltiere, wohl weil sie uns mit ihren Knochen und Gräten am Ähnlichsten sind. Unterrepräsentiert sind hingegen Insekten, Krebse und Spinnen, die als Gliederfüßer auf dem längsten Ast des Lebensbaumes sitzen. Mollusken sind im Diskurs kaum sichtbar. Und wo bitte bleiben die Plattwürmer und Fadenwürmer, von denen es jeweils rund 20.000 Arten gibt? Immerhin: Die Spezies Regenwurm hat es als Vertreter der Gliederwürmer in einer jüngeren Erweiterungsrunde in den Emoji-Korpus geschafft, ebenso die Nesseltiere in Gestalt einer roten Koralle. Aber das könne nur der Anfang sein. Mehr „Awareness“ sei gefragt.

Noch schärfer fällt das Urteil der Autoren zum großen Rest des Lebendigen aus. Das Universum der Mikroorganismen könne sich nicht mit einem Bildchen von Kolibakterien begnügen. Ähnliches gelte für das weite Feld der Fungi: Wasserschwämme sucht man vergebens, einzig den Fliegenpilz bilden wir ab. Dabei taucht sein Symbol vermutlich nur dann auf, wenn Dialogpartner eine Drittperson so nervt, dass sie diese am liebsten vergiften würden. Hier liegt der eingestandene Haken im Räsonnement der Forscher: Die Spezies Homo sapiens unterhält sich auf ihren Mobilgeräten sträflich selten über Biodiversität und Artenschutz, sondern meist über erbärmlich alltägliche Dinge. Andere Arten dienen dabei für deplatzierte Vergleiche. Langsam wie eine Schnecke. Süß wie ein Äffchen. Schmutzig wie ein Schwein. Nur für die Naivität wohlwollender Wissenschaftler fehlt noch das animalische Pendant. Vielleicht könnten sie es selber liefern, mit ihrer überlegenen Kompetenz? Smile.

Email: karl.gaulhofer@diepresse.com

QOSHE - Nicht so zoozentrisch! Auch Emojis müssen diverser werden - Karl Gaulhofer
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Nicht so zoozentrisch! Auch Emojis müssen diverser werden

5 0
11.12.2023

Die Piktogramm-Sammlungen würden der Artenvielfalt nicht gerecht, beklagen Biologen in einer Studie – ganz ohne Zwinker-Smiley.

Sehen wir der Wahrheit ins gelbe Gesicht, ob es nun lacht, zwinkert oder weint: Emojis haben unsere schriftliche Kommunikation grundstürzend verändert. Der piktografische Kinderkram in Kurznachrichten hat eine Universalsprache der Gefühle etabliert, ohne die wir nicht mehr auskommen. Also: Daumen rauf, Haken drunter. Aber neben dem bildlichen Vokabular, das menschlicher Mimik und Gestik abgeschaut ist, finden sich längst auch andere Symbole, darunter Tiere und Pflanzen. Und auch wenn wir damit auf eine Bildersprache regredieren, ähnlich jener, mit der sich unsere Ahnen auf Höhlenwänden mitteilten,........

© Die Presse


Get it on Google Play