Ist es Volksverhetzung oder Meinungsfreiheit, wenn die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ bei Demonstrationen skandiert wird? Fordert, wer sich den Slogan zu eigen macht, die Auslöschung Israels oder Freiheit für die Palästinenser? Darüber wird heftig gestritten, auch in Frankfurt. Dort hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass es propalästinensischen Demonstranten nicht untersagt werden darf, den Spruch zu verwenden. Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) zeigte dafür kein Verständnis – und drängte erneut auf eine bundesweite gesetzliche Regelung, die die Äußerung unter Strafe stellt.

Ganz unabhängig von den juristischen Fragen: Für in Deutschland lebende Juden, die sich dem jüdischen Staat im Nahen Osten verbunden fühlen, ist die Parole vor allem ein immer wiederkehrender Schlag. Für sie ist eindeutig, dass diejenigen, die den Spruch skandieren, Israel, aber auch der jüdischen Gemeinschaft in Gänze, nichts Gutes wollen. Viele deutsche Juden leben seit dem 7. Oktober in Angst. Sie tragen in der Öffentlichkeit keinen Davidstern mehr, sprechen auf den Straßen oder in der U-Bahn kein Hebräisch, fürchten sich davor, dass ihre Kinder angefeindet werden. Die Folge: Jüdisches Leben wird unsichtbarer.

Während Juden sich zurückziehen, erobern die propalästinensischen Aktivisten die Straßen. Allein in Frankfurt gab es rund um dieses Wochenende drei Demonstrationen. Trotzdem sollte man sich nicht täuschen lassen: Eine Massenbewegung ist der lautstarke Protest nicht. Auch von einer breiten Unterstützung durch muslimische Migranten kann keine Rede sein. Stattdessen sind es vor allem die Radikalen, antiimperialistische Linke und Migrantifa-Anhänger, die die Kundgebungen prägen.

Mehr zum Thema

1/

Propalästinensische Kundgebung : Demonstranten tragen Porträt einer Terroristin vor sich her

Mahnwache zum Gazakrieg : „Wir haben Bilder im Kopf, wie ein Jude ist, wie ein Muslim ist“

Muslimische Jugendliche : Wenn aus Religiosität Radikalität wird

Was sie eint, ist ein Hass auf den Westen. Ohne jede Bereitschaft zu differenzieren, verunglimpfen sie Israel als „kolonialistisches Projekt“ und „faschistischen Staat“. Deutschland und die Vereinigten Staaten sehen sie als blinde Unterstützer der Netanjahu-Regierung.

Dass aber gerade aus diesen Ländern immer drängender ein Waffenstillstand gefordert wird, dass sie vor einer Bodenoffensive auf Rafah eindringlich warnen, dass sie Hilfslieferungen für die Notleidenden organisieren, passt nicht in ihr Weltbild. Doch den Anliegen der Palästinenser dienen die sich propalästinensisch nennenden Aktivisten nicht, wenn sie jeden Ausgleich und jede Annäherung als Verrat diffamieren.

Wer ernsthaft auf einen Staat für die Palästinenser hofft, sollte besser die moderaten Kräfte und die Verhandlungsbereiten unterstützen. Wer dagegen die „palästinensische Widerständigkeit“ romantisiert und die Gräueltaten der Hamas kleinredet, wird den Konflikt nur weiter befeuern.

QOSHE - Der Hass auf den Westen hilft nicht - Alexander Jürgs
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Der Hass auf den Westen hilft nicht

11 0
24.03.2024

Ist es Volksverhetzung oder Meinungsfreiheit, wenn die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“ bei Demonstrationen skandiert wird? Fordert, wer sich den Slogan zu eigen macht, die Auslöschung Israels oder Freiheit für die Palästinenser? Darüber wird heftig gestritten, auch in Frankfurt. Dort hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass es propalästinensischen Demonstranten nicht untersagt werden darf, den Spruch zu verwenden. Der hessische Innenminister Roman Poseck (CDU) zeigte dafür kein Verständnis – und drängte erneut auf eine bundesweite gesetzliche Regelung, die die Äußerung unter Strafe stellt.

Ganz unabhängig von den juristischen Fragen: Für in Deutschland lebende Juden, die sich dem jüdischen Staat im........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play