Die Mode ist keine hoheitliche Aufgabe. Was kümmert es die Regierung, wie sich die Leute anziehen? Und wenn es die Regierung kümmerte, dann wäre es ein autoritärer Staat. In einem freien Land kann man sich sogar radikal anziehen, ohne radikal zu sein. Die Häresie der Formlosigkeit, wie Martin Mosebach den Traditionsbruch in der katholischen Kirche nannte – sie ist modisch gesehen eine Befreiung von alten Vorgaben. Nicht jeder, der heute auf der Straße Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Für Berlin gilt das ganz besonders. Die Stadt, die sich einst die Freiheit erkämpfte, lebt sie jetzt in allen Dimensionen aus. Auf der Berliner Mode­woche, die in diesen Tagen die Stadt informiert, unterhält und oft in karnevalistischer Art auch belustigt, sieht man es besonders gut. Es ist unglaublich, mit welch subkultureller Entgrenzung einige Marken arbeiten. Am Dienstag erlebte man es gleich in drei aufeinanderfolgenden Modenschauen. Haderlump, Richert Beil, Namilia: inklusive Mode, die all jene Grenzen hinter sich lassen will, die Alter, Geschlecht und Körper dem Menschen auferlegen. Da sitzen in der ersten Reihe zwar noch nicht die Einkäufer von Saks Fifth Avenue und Bergdorf Goodman, aber die coolste Crowd aus den Clubs – und die zieht oft genug die Geschäftemacher nach sich.

QOSHE - Warum Berlin in Sachen Mode ein Vorbild ist - Alfons Kaiser
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Warum Berlin in Sachen Mode ein Vorbild ist

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07.02.2024

Die Mode ist keine hoheitliche Aufgabe. Was kümmert es die Regierung, wie sich die Leute anziehen? Und wenn es die Regierung kümmerte, dann wäre es ein autoritärer Staat. In einem freien Land kann man sich sogar radikal anziehen, ohne radikal zu sein. Die Häresie der Formlosigkeit, wie Martin Mosebach den Traditionsbruch........

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