Es gibt im Umgang mit der AfD Widersprüche, die nicht kleiner, sondern größer werden. Die Bekämpfung der Rechtspopulisten lebt von zwei Glaubenssätzen. Der eine bezieht sich auf die Demokratie, der andere auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Der Zusammenhalt schließt die AfD – und auch deren Wähler? – bewusst aus. Kann es aber Zusammenhalt geben, kann es weniger Polarisierung, weniger Spaltung, weniger Hass geben, wenn die Gesellschaft geteilt wird in Gute und Böse und nur die Guten „dazugehören“? Gibt es weniger Hass und Hetze, wenn Hass gegen die AfD zulässig, ja durchaus erwünscht ist? Kann man gegen Ausgrenzung zu Felde ziehen, wenn man sie selbst praktiziert?

Widersprüchlich ist auch der Rekurs auf die Demokratie. Sind Parteien nur demokratisch, wenn sie gegen die AfD sind? Die AfD ist demokratisch organisiert und wurde demokratisch gewählt. Dass sie die Parlamente nicht so respektiert, wie sich das die Anhänger der parlamentarischen Demokratie wünschen, macht sie nicht zur undemokratischen Partei. Es sei denn, Demokratie wird ebenfalls zum Maßstab von Gut und Böse. Damit entfernt sie sich aber vom Anspruch, die Willensbildung einer auf Volkssouveränität gebauten Gemeinschaft zu organisieren. Da sind wir wieder beim „Zusammenhalt“.

Der Weg der Exklusion lässt sich unter dem Eindruck der Radikalisierung der AfD moralisch und emotional gut rechtfertigen. Zumal Absonderung von ihr selbst betrieben wird. Das unterscheidet sie von vielen ihrer Pendants im europäischen Ausland. So sehr, dass selbst die Le-Pen-Populisten Abstand genommen haben. Den Keim der Radikalisierung trug die AfD aber schon immer in sich. Kontakte zur „Identitären Bewegung“ sind nicht neu, die „Remigration“ gehörte seit je zum Repertoire der Partei – und anderer Rechtspopulisten in Europa.

Dass solche Tendenzen erst jetzt von einer breiten deutschen Öffentlichkeit „entdeckt“ werden, ist ein Mittel, die Ausgrenzungsstrategie noch besser begründen zu können. Verwaltungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht beschäftigen sich wohl nicht das letzte Mal damit, ob es zulässig ist, die AfD zum Paria zu erklären. Bestätigen die Gerichte diesen Kurs, ist es nicht damit getan, dass der Verfassungsschutz die Partei als rechtsextremistisch einstufen darf. Soll diese Einordnung nicht als Papiertiger enden, gebietet die Logik einer so verstandenen wehrhaften Demokratie das Parteiverbot. Es wäre das Ende eines Holzwegs.

Abgesehen von praktischen Absurditäten, die sich daraus in einer repräsentativen Demokratie ergeben (was geschieht mit Hunderten von Mandaten?), fragt es sich, warum die Strategie nicht längst erfolgreich war. Die Ausgrenzung zielt doch schließlich darauf, dass die Partei verschwinde. Nach einem Jahrzehnt müsste es dafür Anhaltspunkte geben.

Aber im Gegenteil: Jetzt stehen sogar Wahlen bevor, die der AfD einen Regierungsauftrag geben könnten. Heißt das: Machtergreifung, ein zweites 1933? Gegenfrage: Ist die deutsche Demokratie so schwach und labil, dass sie vor der AfD in Panik gerät? Wenigstens einer, Mario Voigt, hat den Mut, das Thüringer Würstchen zu stellen.

Die Parteien haben sich auf ein gewagtes Experiment eingelassen. Sie müssen ihre programmatische Profilierung und Durchsetzungskraft einschränken, um anschlussfähig zu sein für ein All-Parteien-Bündnis gegen die AfD. In den Ländern, die vor Wahlen stehen, hat diese Selbstfesselung dazu geführt, dass gleich zwei populistische Parteien im Angebot sind, während mehrere etablierte Parteien in der Bedeutungslosigkeit versinken. Es gibt offenbar Parteien, die lieber untergehen, als dass sie von ihrer gescheiterten Methode abließen, die AfD kleinzukriegen.

Gleichzeitig wachsen die Aktionspläne „gegen rechts“ bis hin zum ­Demokratiefördergesetz, das die Urheber dem Verdacht aussetzt, den Kampf gegen den Extremismus nur vorzutäuschen, um das Unvermögen der Parteien durch zivilgesellschaftlichen Aktionismus zu kompensieren – auf Kosten der Versammlungs- und Meinungsfreiheit.

So ist wehrhafte Demokratie aber nicht gemeint. Sie wendet sich gegen sich selbst, wenn sie allein auf Stimmung, Gefühle und eine Justiz setzt, die Moral in Recht gießen soll. Ohne Empathie für die parlamentarische Demokratie geht es nicht, aber sie hilft nicht weiter, wenn es dabei bleibt.

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Was hilft dann? Es sollte kein Tabu sein, neben vielfältiger Ächtung der AfD auch an Integration zu denken. In Sachsen ist sogar denkbar, dass kein Weg daran vorbeiführt, dann nämlich, wenn nur drei Parteien in den Landtag kommen, CDU, AfD und BSW.

Diese Perspektive sollte ein Wink mit dem Zaunpfahl sein. Bei aller moralischen Berechtigung der Anti-AfD-Strategie gibt es keinen Ersatz für politische Antworten. Die setzen mehr voraus als Verbote und Angewidertsein. Sonst geben Wähler die Antworten.

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Auf dem Holzweg der Ausgrenzung

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27.03.2024

Es gibt im Umgang mit der AfD Widersprüche, die nicht kleiner, sondern größer werden. Die Bekämpfung der Rechtspopulisten lebt von zwei Glaubenssätzen. Der eine bezieht sich auf die Demokratie, der andere auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Der Zusammenhalt schließt die AfD – und auch deren Wähler? – bewusst aus. Kann es aber Zusammenhalt geben, kann es weniger Polarisierung, weniger Spaltung, weniger Hass geben, wenn die Gesellschaft geteilt wird in Gute und Böse und nur die Guten „dazugehören“? Gibt es weniger Hass und Hetze, wenn Hass gegen die AfD zulässig, ja durchaus erwünscht ist? Kann man gegen Ausgrenzung zu Felde ziehen, wenn man sie selbst praktiziert?

Widersprüchlich ist auch der Rekurs auf die Demokratie. Sind Parteien nur demokratisch, wenn sie gegen die AfD sind? Die AfD ist demokratisch organisiert und wurde demokratisch gewählt. Dass sie die Parlamente nicht so respektiert, wie sich das die Anhänger der parlamentarischen Demokratie wünschen, macht sie nicht zur undemokratischen Partei. Es sei denn, Demokratie wird ebenfalls zum Maßstab von Gut und Böse. Damit entfernt sie sich aber vom Anspruch, die Willensbildung einer auf Volkssouveränität gebauten Gemeinschaft zu organisieren. Da sind wir wieder beim........

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