Es ist ein gutes Zeichen, dass Tausende sich auf den Straßen Deutschlands zu den Werten der Republik bekennen und für den Schutz ihrer Institutionen eintreten. Etwas beckmesserisch könnte man hinzufügen: ein bisschen spät, da die Phantasien der AfD über „Remigration“, die sich in der germanischen Studierstube eines Björn Höcke in die Tradition ethnischer Säuberungen stellen, schon seit Jahren bekannt sind.

Wer behauptet, wie jetzt im Bundestag, erst ein „Geheimtreffen“ in Potsdam habe „klar und offen für alle“ gezeigt, was in identitären und AfD-Köpfen vor sich geht, muss in dieser Zeit geschlafen haben.

Aber es stehen dramatische Europa- und Landtagswahlen bevor. Ausnahmsweise ist der Schreck über den AfD-Aufstieg dieses Mal, weil sie stärkste Partei werden könnte, vorher größer als hinterher. Selbst die katholische Kirche ist aufgewacht und verschickt Mahnbotschaften an gläubige Wähler.

Dass nun aber gestandene Politiker es begrüßen, dass „die Gesellschaft“ und „die Bürger“ endlich die Sache in die Hand nähmen, muss allerdings stutzig machen. Wären sie es nicht eigentlich, die das viel besser können müssten?

Wäre es nicht ihre ureigene Aufgabe gewesen, eine Antwort zu geben, die die AfD hätte überflüssig werden lassen? Die Bürger nun vor den Karren zu spannen, um ihn aus dem Dreck zu ziehen, ist nicht das bessere „demokratische“ Mittel, sondern schnödes Abschieben von Verantwortung und eine besondere Art von Populismus.

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Der Grund dafür liegt darin, dass die AfD einseitig als Reservoir eines rechtsextremistischen Bodensatzes wahrgenommen wird, gegen den nur der Holzhammer hilft – oder ein Verbot. Dass die AfD-Wählerschaft eine Protestbewegung ist, die keine andere Partei mehr ihre Heimat nennen will, fällt dabei gern unter den Tisch.

Darauf einzugehen hieße ja, nicht nur den Bodensatz zu bekämpfen, sondern auch eigene Irrtümer. Davon sind Politiker vor allem auf der linken Seite, ist aber auch der Aktionismus auf der Straße weit entfernt. Für die Landtagswahlen ist es jedenfalls – wieder einmal – zu spät.

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Besser spät als nie – trotzdem zu spät

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20.01.2024

Es ist ein gutes Zeichen, dass Tausende sich auf den Straßen Deutschlands zu den Werten der Republik bekennen und für den Schutz ihrer Institutionen eintreten. Etwas beckmesserisch könnte man hinzufügen: ein bisschen spät, da die Phantasien der AfD über „Remigration“, die sich in der germanischen Studierstube eines Björn Höcke in die Tradition ethnischer Säuberungen stellen, schon seit Jahren bekannt sind.

Wer behauptet, wie jetzt im Bundestag, erst ein „Geheimtreffen“ in Potsdam habe „klar und offen für alle“ gezeigt, was in identitären und AfD-Köpfen........

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