Die Eröffnungsgala der Berliner Filmfestspiele ist ohne Störung verlaufen. Das war nicht selbstverständlich. Vor Beginn warf der Streit über die Einladungen von Parlamentariern der AfD aus dem Bundestag und dem Berliner Abgeordnetenhaus einen Schatten auf das Fes­tival. Die Bundesregierung und der Berliner Senat hatten die Politiker auf die Liste gesetzt, die Berlinale lud sie wieder aus. Zugleich nutzten propalästinensische Aktivisten Kulturveranstaltungen als Bühne für ihre Hassreden gegen Juden und den Staat Israel. Die Berlinale haben sie bislang verschont, aber niemand weiß, wie lange der Frieden hält.

Als während der Corona-Pandemie die Filmfestivals reihenweise ausfielen und auch die Berlinale praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, hielten viele das Ende der großen Kinofeste für gekommen. Inzwischen sind die Festivals, die Filme und das Publikum wieder da, aber etwas hat sich verändert. Die Streamingdienste, die dem Kino ökonomisch das Wasser abgraben, haben in der Pandemie weiter zulegt. Und auch die Stimmung auf den Festivals hat sich gedreht.

Die Frage, wer den nächsten Goldenen Bären, den Löwen von Venedig oder die Palme von Cannes gewinnt, ist weniger wichtig als die nach den politischen Realitäten unter der filmischen Oberfläche, nach den Spiegelungen der aktuellen Kriege und Krisen im Programm der Filmwettbewerbe. Die Kunst, auch die des Kinos, ist zum Schauplatz von Debatten geworden, die sich nicht um Kultur, sondern um Imperialismus, Antisemitismus und andere Ideologien drehen.

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Aber das Kino ist eine langsame Kunst. Das Massaker der Hamas vom 7. Oktober hat noch keine filmische Form gefunden. Vom Ukrainekrieg im engeren Sinn handelt keiner der Beiträge im Berlinale-Hauptprogramm. Das Politische, das auf diesem Festival immer so wichtig war, spiegelt sich eher im Reiseverbot der Regierung in Teheran für die beiden Regisseure des iranischen Wettbewerbsbeitrags als im Inhalt der Filme selbst.

So wird man auch in diesem Jahr auf Nuancen, Anspielungen, verborgene Zeichen achten müssen, die auf die Welt jenseits der Leinwand verweisen. Diese Uneindeutigkeit zu ertragen fällt Politikern oft schwer. Aber sie ist auch eine Art der Freiheit, die in diesen Tagen immer seltener und kostbarer wird.

QOSHE - Die Freiheit des Kinos - Andreas Kilb
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Die Freiheit des Kinos

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17.02.2024

Die Eröffnungsgala der Berliner Filmfestspiele ist ohne Störung verlaufen. Das war nicht selbstverständlich. Vor Beginn warf der Streit über die Einladungen von Parlamentariern der AfD aus dem Bundestag und dem Berliner Abgeordnetenhaus einen Schatten auf das Fes­tival. Die Bundesregierung und der Berliner Senat hatten die Politiker auf die Liste gesetzt, die Berlinale lud sie wieder aus. Zugleich nutzten propalästinensische Aktivisten Kulturveranstaltungen als Bühne für ihre Hassreden gegen Juden und den Staat Israel. Die Berlinale haben sie bislang verschont, aber niemand weiß, wie lange der Frieden........

© Frankfurter Allgemeine


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