Als Oliver Zille vor fünf Monaten aus dem Nichts heraus seinen Abschied zu diesem Jahresende als Direktor der Leipziger Buchmesse ankündigte, war das ein Paukenschlag. Nicht, dass es während der Pandemiejahre, in denen die Messe dreimal hintereinander kurzfristig abgesagt werden musste, an Zeichen gefehlt hätte für divergierende Vorstellungen über die Zukunft der Veranstaltung: Zille und die Geschäftsführung der Leipziger Messe GmbH lagen nicht mehr auf einem Kurs - inhaltsgetrieben der Direktor, kommerziell orientiert die Kaufleute. Aber nachdem die endlich wieder durchgeführte Buchmesse im vergangenen April ein rauschender Erfolg beim Publikum und Ausstellern war (zugegeben: eher stimmungsmäßig als geschäftlich), hatte man nicht damit gerechnet, dass Zille kurz danach die Brocken hinwirft.

Mit ihm geht zum 31. Dezember ein Macher, für den sich alle in der Branche begeistern konnten, weil seine Freundlichkeit so groß war wie seine Diskretion, seine Belesenheit so breit wie seine Kontakte - Zilles dreiunddreißig Jahre im Dienst der Leipziger Buchmesse, also die ganze Zeit seit dem heiklen Neubeginn nach der deutschen Wiedervereinigung, der in Konkurrenz zur größeren Frankfurter Schwester erfolgte, zahlten sich immer mehr aus. Mochte sich das Buchgeschäft auch permanent verändern, er galt als feste Größe. Wer kann so jemandem folgen?

Die Antwort kennen wir jetzt: Astrid Böhmisch. Nur wenige außerhalb ihrer bisherigen Stationen im Mediengeschäft dürften sie kennen, obwohl sie vier Jahre lang, von 2015 bis 2019, das Marketing der Münchner Piper-Verlagsgruppe leitete, also eines großen namhaften Hauses. Davor war sie im Filmgeschäft tätig: im Marketing des Traditionsunternehmens Senator, speziell für dessen Arthouse-Verleih Wild Bunch. Von 2019 bis 2022 agierte sie dann als General Manager für den deutschen Sprachraum bei der Bookwire GmbH, einem seit der Gründung 2010 schnell gewachsenen und international agierenden Dienstleiter für Digital Publishing Mit großen Budgets umgehen kann Astrid Böhmisch also. Warum sie Bookwire vor einem Jahr verließ, ist unbekannt.

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„Not a book person, not a people person“ - das hört man über Astrid Böhmisch von Leuten aus der Branche, die sie kennengerlernt haben. Das ist das Gegenteil von Oliver Zille. Und genau das scheint gewollt zu sein in Leipzig. Böhmisch darf für sich in Anspruch nehmen, als Saniererin zu taugen, und dass die Leipziger Buchmesse nach Auslaufen der staatlichen Corona-Hilfen vor Finanzproblemen stehen wird, weiß man. Womöglich ist es angesichts dieser Aufgabe sogar gut, sich weder für Bücher noch für Menschen besonders zu interessieren, sondern vor allem für Zahlen. Und es müssen ja nicht wieder 33 Jahre werden, die Böhmisch die Geschicke der Messe führt. So rasch, wie Zille sich verabschiedete, musste man nun eben auch die Nachfolge regeln, womit ja niemand gerechnet hatte. Aber dass vieles, wenn auch vielleicht nicht gleich alles anders werden wird in Leipzig, das dürfte mit dieser Entscheidung feststehen.

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Astrid Böhmisch folgt in Leipzig auf Oliver Zille

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20.11.2023

Als Oliver Zille vor fünf Monaten aus dem Nichts heraus seinen Abschied zu diesem Jahresende als Direktor der Leipziger Buchmesse ankündigte, war das ein Paukenschlag. Nicht, dass es während der Pandemiejahre, in denen die Messe dreimal hintereinander kurzfristig abgesagt werden musste, an Zeichen gefehlt hätte für divergierende Vorstellungen über die Zukunft der Veranstaltung: Zille und die Geschäftsführung der Leipziger Messe GmbH lagen nicht mehr auf einem Kurs - inhaltsgetrieben der Direktor, kommerziell orientiert die Kaufleute. Aber nachdem die endlich wieder durchgeführte Buchmesse im vergangenen April ein rauschender Erfolg beim Publikum und Ausstellern war (zugegeben: eher stimmungsmäßig als geschäftlich), hatte man nicht damit gerechnet, dass Zille kurz danach die Brocken........

© Frankfurter Allgemeine


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