Ein Friedenspreisträger zieht in den Krieg. Das ist in diesem Fall nur konsequent. Und beschämend. Als der ­ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan im Herbst 2022 für seine Stellungnahmen gegen den russischen Überfall auf sein Land in der Frankfurter Paulskirche ausgezeichnet wurde, ließen sich die Spitzenvertreter der Bundesrepublik Deutschland nicht sehen. So hörten sie auch nicht, wie Zhadan die Gefühlslage angesichts des Horrors in der Ukraine beschrieb, die es den Menschen unmöglich mache, „frei zu atmen und leicht zu sprechen“.

Er selbst hatte nach dem 24. Februar 2022 das literarische Schreiben erst einmal aufgegeben und sein Schaffen ganz in den Dienst der Landesverteidigung gestellt: „Wir müssen diesen Krieg unbedingt gewinnen“, erklärte er damals, und an dieser Haltung hat sich naturgemäß nichts geändert in zwei Jahren, die der Ukraine nur immer neuen Schrecken gebracht haben. Zhadan fand zur (pa­triotischen) Dichtung zurück, schrieb über seine Heimatstadt Charkiw, wo er unter Beschuss ausgeharrt hatte, plädierte, wenn er als Schriftsteller und Musiker ins Ausland reiste, für Unterstützung der Ukraine, tourte noch mehr durchs eigene Land, um den Menschen dort Mut zu machen, und engagierte sich persönlich bei der Versorgung ihrer Verteidiger, auch des zunächst privaten Chartia-Bataillons, das nach dem Überfall aus Freiwilligen gebildet worden war und mittlerweile Teil der ukrainischen Nationalgarde ist.

QOSHE - Kriegsverzweifler - Andreas Platthaus
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Kriegsverzweifler

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03.04.2024

Ein Friedenspreisträger zieht in den Krieg. Das ist in diesem Fall nur konsequent. Und beschämend. Als der ­ukrainische Schriftsteller Serhij Zhadan im Herbst 2022 für seine Stellungnahmen gegen den russischen Überfall auf sein Land in der Frankfurter Paulskirche ausgezeichnet wurde, ließen sich die Spitzenvertreter der Bundesrepublik Deutschland nicht sehen. So........

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