Im Moment, da die Nachricht eintrifft, dass eine große Stätte der deutschen Literatur, das Goethehaus in Weimar, dank staatlicher Zuwendung nun doch für die Zukunft fit gemacht werden kann, kämpft eine weniger bekannte, auch kleinere, aber dennoch bedeutende solche Stätte um ihre Weiterexistenz: das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum im brandenburgischen Rheinsberg. Es wurde 1993 eröffnet, aber seine Geschichte geht zurück in die DDR, in deren letzten Zügen, 1989, die Initiative zu dessen Errichtung in den Räumen von Schloss Rheinsberg ergriffen wurde. Dort hatte sich bis dahin ein Sanatorium befunden, aber das Schloss war auch Pilgerziel für Tucholsky-Leser. Der DDR bedeutete der 1935 im schwedischen Exil aus dem Leben geschiedene Schriftsteller viel – so viel, wie er und sein ironisch-entschiedener Stil uns heute wieder bedeuten sollten. In der Erzählung „Rheinsberg – Ein Bilderbuch für Verliebte“ von 1912, die ihm im Alter von 22 Jahren den Durchbruch beschert hatte, ist das Schloss ein prominenter Schauplatz.

Es sollte zum Kulturzentrum werden, was im wiedervereinigten Deutschland auch glückte, noch bevor das Anwesen an die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ging. Was im „Musenhof am Griene­ricksee“, wie die Stiftung dafür wirbt, geschieht, ist aber Sache vor allem des gerade einmal achttausend Einwohner zählenden Rheinsberg. Nicht nur das Tucholsky-Literaturmuseum hat im Schloss seinen Platz gefunden, sondern dort befinden sich auch Galerieräume für Kunstausstellungen und eine Musikakademie samt Theaterbetrieb. Eine Stadtschreiberstelle gibt es auch. Das Blaubuch der Bundesregierung führt das Literaturmuseum als „kulturellen Gedächtnisort mit nationaler Bedeutung“.

Rheinsberg aber ist finanziell klamm; um einen Kredit für eine Schulsanierung zu bekommen, musste die Kommune Ende Ok­tober ein Haushaltssicherungskonzept beschließen. Da traf es sich gut, dass Peter Böthig, von Beginn an Leiter des Museums (und als Schriftsteller in der DDR zeitweise von der Stasi eingeknastet) Ende Februar 2024 in Ruhestand geht – man beschloss, seine Stelle einzusparen, indem man sie mit der des Leiters der Tourismusinformation zusammenlegen will. Und das bei einem Museum, das schon zuvor mit viereinhalb Stellen, keine einzige davon Vollzeit, knapp besetzt war und ein Gesamtbudget von gerade einmal 275.000 Euro hat. Immerhin neuntausend zahlende Besucher besuchen es jährlich, Tendenz nach Corona wieder steigend.

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Böthigs Stelle ist gar nicht erst ausgeschrieben worden. Die seinem Haus in Kooperation verbundene Akademie der Künste in Berlin protestierte: Ohne qualifizierte wissenschaftliche Leitung könne das Museum nicht weiter existieren. Diese Überzeugung hat sich Ralf Reinhardt, Landrat des Kreises Ostprignitz-Ruppin, nun angeschlossen: Er wird am 30. November dem Kreistag vorschlagen, das Literaturmuseum in überwiegend kreisliche Trägerschaft zu übernehmen. Zustimmung dazu voraus­gesetzt, müsste dann am 18. Dezember die Rheinsberger Stadtverordnetenversammlung noch ihr Plazet geben. Danach kommt Weihnachten, eine Neu­besetzung der Leiterstelle dürfte nicht vor Ablauf des kommenden Jahres zu schaffen sein. Immerhin hat Böthig seine Bereitschaft signalisiert, kommissarisch bis dahin im Amt zu bleiben. Hoffnung besteht also, dass Kurt Tucholsky in Rheinsberg präsent bleibt, dem Ort, den er in die ­Literaturgeschichte eingeschrieben hat.

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Kurt Tucholsky muss hier bleiben

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17.11.2023

Im Moment, da die Nachricht eintrifft, dass eine große Stätte der deutschen Literatur, das Goethehaus in Weimar, dank staatlicher Zuwendung nun doch für die Zukunft fit gemacht werden kann, kämpft eine weniger bekannte, auch kleinere, aber dennoch bedeutende solche Stätte um ihre Weiterexistenz: das Kurt-Tucholsky-Literaturmuseum im brandenburgischen Rheinsberg. Es wurde 1993 eröffnet, aber seine Geschichte geht zurück in die DDR, in deren letzten Zügen, 1989, die Initiative zu dessen Errichtung in den Räumen von Schloss Rheinsberg ergriffen wurde. Dort hatte sich bis dahin ein Sanatorium befunden, aber das Schloss war auch Pilgerziel für Tucholsky-Leser. Der DDR bedeutete der 1935 im schwedischen Exil aus dem Leben geschiedene Schriftsteller viel – so viel, wie er und sein ironisch-entschiedener Stil uns heute wieder bedeuten sollten. In der Erzählung „Rheinsberg – Ein Bilderbuch für........

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