Was die Franzosen gerade aufregt, kennen viele Gesellschaften: Beherzt daherkommende Reformpolitik prallt gegen Verfassungsrecht, zumal wenn es um Migration geht. In einer funktionierenden, zwischen Parlament, Regierung und Justiz austarierten Demokratie folgt daraus aber nicht, dass das Einwanderungsrecht unveränderlich wäre. Nur Hauruck-Aktionen wie die vor Weihnachten in Paris taugen dazu nicht.

Da und nicht erst bei der richterlichen Rücknahme der von rechten Parteien unsanft durchgedrückten Auflagen für nicht europäische Migranten beginnt die Kette von Ereignissen, welche die Franzosen gewiss nicht mit ihren Institutionen versöhnen wird.

Die Rechten unterstellen nun Macron ein abgekartetes Spiel mit den Verfassungsrichtern, die faktisch den Regierungsentwurf restaurierten. Haben sie denn selbst nicht geahnt, dass sie in ihrer Gier nach einem „ideologischen Sieg“ (Marine Le Pen) das Gesetz überfrachteten und dadurch formal anfechtbar machten?

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Politisch wird es ihnen vor der Europawahl recht sein, dass viele der ersehnten Härten für Einwanderer nun doch nicht Gesetz wurden und sie Macron wieder als selbstherrlichen, für Volkes Willen tauben Opportunisten beschimpfen können.

Wenn es einen „Staatsstreich“ gab, dann den Streich der Politiker, die eines der wichtigsten Anliegen der Franzosen für einen polittaktischen Schaukampf nutzten.

QOSHE - Die Streiche des Staates - Andreas Ross
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Die Streiche des Staates

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28.01.2024

Was die Franzosen gerade aufregt, kennen viele Gesellschaften: Beherzt daherkommende Reformpolitik prallt gegen Verfassungsrecht, zumal wenn es um Migration geht. In einer funktionierenden, zwischen Parlament, Regierung und Justiz austarierten Demokratie folgt daraus aber nicht, dass das Einwanderungsrecht unveränderlich wäre. Nur Hauruck-Aktionen wie die vor Weihnachten in Paris taugen dazu nicht.

Da und nicht erst bei........

© Frankfurter Allgemeine


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