Sechs Monate nach dem Überfall der Hamas auf Israel hat Benjamin Netanjahu nur eines seiner Ziele vorläufig erreicht. Die Hamas ist nicht vernichtet, die Bürger Israels leben nicht sicherer, die Geiseln sind nicht zu Hause – aber Netanjahu ist noch im Amt.

Auch dieser Kampf ist für den israelischen Ministerpräsidenten freilich nicht ausgestanden, wie am Wochenende schon die Demonstrationen in Israel zeigten. Vielmehr wird es immer unwahrscheinlicher, dass Netanjahu durch die Fortsetzung eines Kriegs mit wenig klaren Erfolgen und desaströsen (Neben-)Wirkungen seine eigene politische Zukunft sichern kann.

International muss Israel sich von engen Verbündeten jetzt viel anhören. So weit der amerikanische Präsident Joe Biden auch davon entfernt ist, das Land im Stich zu lassen, so sehr hat sein kürzlich verschärfter Ton doch auch bei anderen engen Partnern Israels die Schleusen für Kritik geöffnet. Die deutsche Außenministerin Baerbock forderte Israel recht rüde auf, „keine Ausreden“ mehr vorzuschützen, wenn es um die humanitäre Hilfe in Gaza geht. Der britische Premierminister Rishi Sunak gibt sich „schockiert vom Blutvergießen“.

Ob der am Sonntag verkündete Rückzug einer Division aus dem südlichen Gazastreifen auf eine strategische Wende (unter amerikanischem Druck) hindeutet, lässt sich noch nicht sagen. Für Netanjahu wäre der Verzicht auf eine Rafah-Offensive letztlich ein Eingeständnis, dass die ganze Militärstrategie seit dem 7. Oktober ebenso ein Irrtum war wie die Einschätzung davor, dass aus Gaza derzeit keine große Gefahr drohe.

Mehr zum Thema

1/

Israel sechs Monate später : Sie haben überlebt. Und jetzt?

Nach dem Angriff von Damaskus : Iran wägt seine Vergeltungsoptionen

USA drohen Israel : Kann Biden Netanjahu das Fürchten lehren?

Zynisch muss man feststellen: Gegen seine zunehmende Isolation hülfe Netanjahu am ehesten ein Angriff aus Iran. Teherans Drohungen sollten jedenfalls alle Länder des Westens an eine fundamentale Wahrheit erinnern: Das demokratische Israel braucht unsere Unterstützung – nicht blind, aber eindeutig.

QOSHE - Wir müssen an Israels Seite stehen - Andreas Ross
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Wir müssen an Israels Seite stehen

12 0
07.04.2024

Sechs Monate nach dem Überfall der Hamas auf Israel hat Benjamin Netanjahu nur eines seiner Ziele vorläufig erreicht. Die Hamas ist nicht vernichtet, die Bürger Israels leben nicht sicherer, die Geiseln sind nicht zu Hause – aber Netanjahu ist noch im Amt.

Auch dieser Kampf ist für den israelischen Ministerpräsidenten freilich nicht ausgestanden, wie am Wochenende schon die Demonstrationen in Israel zeigten. Vielmehr wird es immer unwahrscheinlicher, dass Netanjahu durch die Fortsetzung eines Kriegs mit wenig........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play